Um das beurteilen zu können, müsste zuvor ein klares Bild über die Entscheidungssysteme und die jeweils verfolgten Ziele existieren. Dabei zeigt sich, dass nicht nur ein Ziel im Fokus steht – im Gegenteil, mehrere Ziele müssen gleichzeitig angegangen werden. Solche "multiplen" Ziele im Falle der Corona-Krise sind beispielsweise die möglichst geringe Sterberate, die Verringerung wirtschaftlicher Einbußen bzw. der Neuverschuldung, die Erhöhung guter Umfrageergebnisse sowie der Rückhalt der Bevölkerung in Bezug auf die gesetzten Maßnahmen.
In der Praxis sind es sicherlich gemischte Ziele, die von den unterschiedlichen Entscheidern über den Globus verteilt, unterschiedlich gewichtet werden. Wie bewusst werden jedoch diese Entscheidungen getroffen, die Kriterien definiert und wie wohlüberlegt werden die jeweiligen Ziele gewichtet? Wie bewusst kann überhaupt entschieden werden in einer Situation, die zuvor in solch einer Konstellation noch nie existiert hat? Und letztlich die Frage: Wann kann überhaupt gesagt werden, dass richtig entschieden wird?
An dem von uns allen miterlebten Corona-Fall können wir erkennen, wie komplex der Prozess der Entscheidungsfindung und wie groß die Zahl an Stellhebel ist, die die Güte einer Entscheidung mit beeinflussen. Ohne Details der Entscheidungsfindungsprozesse verschiedener Staaten dieser Welt zu kennen, stelle ich die Behauptung auf, dass die Qualität der Entscheidungsprozesse in so manchen Ländern noch deutlich Luft nach oben hat. Dies leite ich aus den höchst unterschiedlichen Corona-Fallzahlen und Todesraten in den verschiedenen Ländern ab. Bisher ist auch nicht erkennbar, dass jene Regionen, in denen mehr Tote in Kauf genommen werden, im Vergleich eine wirtschaftliche Stärkung erleben und dies somit eine Rechtfertigung für die höhere Mortalität sein könnte.
Der Umgang mit der Bekämpfung der Corona-Pandemie wird von den Regierungen dieser Welt gesteuert, die Entscheidungen werden von politischen Würdenträgern getroffen. Es wird höchst interessant sein, die wissenschaftlichen Analysen, die juristischen Auseinandersetzungen und auch die politischen Konsequenzen über die in der Corona-Krise getroffenen Entscheidungen in den nächsten Jahren zu verfolgen. Die Aufarbeitung der Konsequenzen der mehr oder weniger richtigen Entscheidungen wird von hoher Bedeutung sein. Ging es doch darum, über den Tod von vielen tausenden Menschen, über Staatsverschuldungen in Milliardenhöhe und Auslösung von Unruhen in der Bevölkerung zu entscheiden. Die heftigen Auswirkungen der Entscheidungen geben Anlass genug, sich mit dem Entscheidungsverhalten in der Krise zu beschäftigen, vor allem aber soll die Analyse des Entscheidungsverhaltens in dieser tragischen Pandemie ermöglichen, die Entscheidungsfindung von Systemen auch in solchen neuartigen Situationen für die Zukunft zu verbessern.
Möglichst richtige Entscheidungen auch in komplexen Situationen zu treffen, erfordert ein hohes Maß an professionellem Umgang mit Entscheidungen. Bei der hohen Anzahl, der tagtäglich getroffenen Entscheidungen, ist es unverständlich, dass wir Menschen darin nicht bereits die größten Experten geworden sind. Offensichtlich ergibt sich aus der Menge an zu treffenden Entscheidungen kein Automatismus, der uns immer besser entscheiden lässt. Warum ist das so? Anhand des Corona-Falls wurde bereits aufgezeigt, dass eine wohlüberlegte Entscheidungsfindung eine sehr komplexe Angelegenheit sein kann, fassen wir noch einmal zusammen:
- Wir beobachten, dass bei Entscheidungen während der Corona-Krise nicht nur ein Ziel, sondern mehrere Ziele vorliegen, und diese zusätzlich oft unklar definiert sind (Anzahl Tote reduzieren, Anzahl der Beatmungsplätze nicht auszuschöpfen, die wirtschaftlichen Einbußen gering zu halten, die Bevölkerung bei Laune zu halten, die Popularität der Politiker hochzuhalten, ...).
- Auch ist nicht klar, welche Aussage von welchen Experten wie stark auf die Entscheidungen Einfluss nehmen (Virologe A oder B, Epidemiologe X oder Y, Wirtschaftsexperte C oder Z, ...).
- Es ist nicht transparent, welche Daten / Informationen in welcher Phase der Krise für die weitere Entscheidungsfindung tatsächlich wie stark ausschlaggebend sind, bzw. wird deren Einfluss auf Entscheidungen nicht klar kommuniziert (absolute Anzahl an Erkrankten bzw. Todesfälle, Verdopplungszeit, Reproduktionszahl, ...).
- Der Prozess der Entscheidungsfindung wird in einzelnen Ländern sehr unterschiedlich gehandhabt und ist wenig transparent. Uneinheitlich wird auch gehandhabt, in welcher Form und wie umfangreich über die Vorgehensweise der Entscheidungsfindung informiert wird.
Die Komplexität der Entscheidungsfindung ist im Corona-Fall sehr hoch, kommen ja noch weitere Einflussfaktoren hinzu, die nur schwer zu beeinflussen sind. Z. B. wie stark sich die Bevölkerung an die Vorschriften hält oder ob das Virus mutiert etc.
Wir alle wünschen uns, dass vor allem bei so offensichtlich wichtigen Entscheidungen professionell vorgegangen wird. Auch Entscheidungen in Unt...