Tobias Stein, Dr. Philipp Lill
2.3.1 Strategische Zielsetzung
Anspruchsvolles Controlling erfordert klare Vorgaben
Die kurzfristigen Anforderungen des neuen Unternehmens an das Leistungsprofil und Roll-Out eines gemeinsamen, unternehmensweiten ERP-Systems waren u. a.:
- vereinfachte, globale Data-Governance-Instrumente zum Abbilden, Anlegen und zur Wartung von Daten unter Integration aller Bestandsumgebungen,
- Vereinfachung und Definition gemeinsamer Bestimmungen hinsichtlich Margen, Produkthierarchien, Marktsegmenten etc.,
- Identifikation und Ausnutzung von Synergien der SG&As, der Vertriebsgemeinkosten,
- Validierung der Annahmen über Kosten- und Change-Management-Einflüsse.
Bei der längerfristigen Organisation spielten betriebswirtschaftliche Faktoren wie zwischenbetriebliche Transaktionen und Visibilitäten, die potenzielle Supply-Chain- und Produktionskapazitäten-Integration sowie Datensicherheit, geringe Downtime und technische Verlässlichkeit mit Blick auf den auslaufenden Support des AX-Systems eine wesentliche Rolle.
Zudem sollte der Integrationszeitplan empfindliche, unternehmenskritische Maßnahmen und Synergien berücksichtigen und ein dezidiertes Reporting ermöglichen:
- Restrukturierungsmaßnahmen in der Finanzabteilung, u. a. die weltweite IFRS-Implementierung, eine Konsolidierung mit dem Shared Services Department und eine angemessene Reduktion der Abteilungsgröße.
- Detailliertes Reporting zur Abbildung kommerzieller Synergien, das im AX-Bestandssystem des Konkurrenten nicht in der erforderlichen Tiefe umsetzbar war; Margenanalysen zur Preisoptimierung und Cross-Selling brauchen verlässliche und konsistente Kosteninformationen.
- Detailliertes Reporting zur Abbildung von Beschaffungssynergien zu Rohstoffen und Lieferanten, um bspw. die Rationalisierung von Lieferanten anhand differenzierter Standortanalysen zu ermöglichen.
- Konsistente Datendefinitionen und Attribute für den effizienten Produkttransfer hinsichtlich Qualität, Herstellungskosten etc.
- Konsistentes Reporting und die Reduktion der ERP-Systemrisiken zur Steigerung des Unternehmenswerts.
Zur Realisierung der für das Reporting notwendigen automatischen, interaktiven Dashboards und eines verlässlichen, automatischen Preisberechnungsinstruments sollte daher ein über das Gesamtunternehmen aufgespanntes Data Warehouse unter festgelegten Berichtskennzahlen (Bruttomargen) und Berichtsgrößen (Produkthierarchien, Regionen, Marktsegmente etc.) errichtet werden, das sich eng am Berichtsbedarf orientiert und auch für zukünftige Anforderungen praktisch verwendbar bleibt.
2.3.2 Schaffung einer gemeinsamen Systemlandschaft
Erste Schritte zum Erfolg
Unter der Maßgabe, diesen komplexen Integrationsaufwand möglichst schnell und reibungslos zu realisieren, wurde zunächst eine gemeinsame Systemlandschaft gem. der in Abb. 1 dargestellten Architektur geschaffen.
Abb. 1:Produktivumgebung nach der Fusion
Während die AX-Bestandsstrukturen des fusionierten Konkurrenten vorerst weitestgehend unberührt blieben und dessen Bestandssystem lediglich durch ein AX-Upgrade um zusätzliche Funktionalitäten zur detaillierteren Kostendatenerfassung und Prozessharmonisierung erweitert wurde, fand eine umfangreichere Erneuerung des im anderen Unternehmensteil vorhandenen SAP-BI-Systems statt. Mit einem initialen On-Premise Upgrade des SAP-BI-Bestandssystems auf SAP BW/4HANA wurde die Grundlage für die spätere schrittweise SAP-Integration der AX-basierten Konkurrenten-Unternehmensteile geschaffen.
Parallel dazu wurden erste Prototypen interaktiver Dashboards und deren Visualisierung mittels SAP Lumira im Rahmen der Margen- und Preisanalyse entwickelt und Daten SAP-BI-basiert automatisch auf Abruf bereitgestellt, damit Entscheidungsträger zügig in die Lage versetzt wurden, Entscheidungen basierend auf Daten aller nach der Fusion zugehörigen Unternehmensteile treffen zu können.
Ermöglicht wurde dies durch die rasche Anbindung des AX-Systems per ETL-Tools, indem neben der neuen HANA-basierten SAP-Datenbank eine ebenfalls HANA-basierte SQL-Datenbank errichtet wurde, die eine Spiegelung aller in der klassischen SQL-Datenbank des AX-Bestandssystems enthaltenen Daten darstellte. In regelmäßigen Abständen, gewöhnlich zu betriebsarmen Ortszeiten des jeweiligen Standorts, wurden Datenübertragungen in die HANA-SQL-Datenbank vorgenommen, sodass diese in aufbereiteter Form gemeinsam mit allen SAP-Quelldaten für Auswertungstools wie Microsoft PowerBI, Microsoft Excel, SAP BI bzw. SAP Lumira zur Verfügung gestellt werden konnten. Auch alle dritten Datenquellen wurden per ETL-Tools an die HANA-SQL-Datenbank angebunden.
Schließlich wurden die interaktiven Dashboards in PowerBI auf Basis von SAP BusinessObjects Planning and Consolidation (SAP BPC) weiterentwickelt. Der implementierte Softwarebaustein SAP BPC liefert sämtliche Funktionalitäten in den Bereichen Planung und Konsolidierung und ermöglicht ganzheitliche Lösungen zu strategischer Planung, Budgetierung, Forecasts und Berichtswesen, wie sie für reibungslose und fristgemäße Abschlüsse erforderlich sind. Insoweit wurde im Zuge der Fusionierung beider Unternehmen für die...