Prof. Dr. Helmut Wannenwetsch
Die verbrauchsorientierte Bedarfsermittlung setzt einen schwankenden Bedarf voraus. Der Bedarf soll aber trotzdem so genau wie möglich vorhergesagt werden. Die Disposition geschieht auf Grundalge von Vergangenheitswerten und entsprechenden Erfahrungen des Unternehmens.
Das verbrauchsorientierte Verfahren wird angewendet bei:
- C-Gütern wie Hilfs- und Betriebswerkstoffen oder Verschleißwerkzeugen;
- bei ungeplanten Entnahmen, Ersatzteilbedarf oder hohem Ausschuss;
- wenn programmorientierte Methoden nicht anwendbar oder unwirtschaftlich sind.
Zur Ermittlung des verbrauchsorientierten Materialbedarfs sind verschiedene Methoden in der Praxis anwendbar.
3.2.1 Stochastische Methoden
Die stochastischen Verfahren (Stochastik = Teilgebiet der Statistik) zur Bedarfsvorhersage unterstellen einen Zusammenhang zwischen dem Verbrauch in der Vergangenheit und dem Bedarf in der Zukunft. Grundlage der stochastischen Methoden sind effektive Verbrauchsdaten aus der Vergangenheit. Die stochastischen Methoden lassen sich wieder unterteilen in:
- Mittelwertbildung,
- exponentielle Glättung,
- Regressionsanalyse.
Einen Überblick über die Eignung der verschiedenen stochastischen Methoden in Bezug auf verschiedene Bedarfverläufe bietet die folgende Abb. 3.
Abb. 3: Eignung der stochastischen Methoden bei verschiedenen Bedarfsverläufen
Mittelwertbildung
Die Methoden zur Ermittlung des Mittelwerts sind für eine Bedarfsvorhersage geeignet, wenn der Bedarfsverlauf der Materialien konstant ist. Es lassen sich drei Möglichkeiten der Mittelwertbildung unterscheiden:
- arithmetischer Mittelwert,
- gleitender Mittelwert,
- gewogen-gleitender Mittelwert.
a) Arithmetischer Mittelwert
Bei der Berechnung des arithmetischen Mittelwerts werden die Verbräuche der jeweiligen Perioden addiert und durch die Anzahl der Perioden dividiert. Eine gezielte Anpassung der jüngsten Bedarfsentwicklung ist nicht möglich, da die Gleichgewichtung sämtlicher vergangener Periodenverbräuche problematisch ist. Um kurzfristige Zufallsschwankungen weitestgehend auszuschalten, muss die Anzahl der zu Grunde liegenden Verbräuche genügend groß sein.
V = Vorhersagewert für die nächste Periode
Tn = Materialbedarf der Periode n
n = Anzahl der betreffenden Perioden
Fallbeispiel:
Der Materialbedarf für das vergangene Jahr bildet folgende Zahlenreihe:
Januar |
125 Stück |
Mai |
115 |
September |
163 |
Februar |
112 |
Juni |
113 |
Oktober |
132 |
März |
124 |
Juli |
145 |
November |
143 |
April |
102 |
August |
134 |
Dezember |
128 |
Daraus ergibt sich ein Vorhersagewert für den Januar des darauf folgenden Jahres von:
V = |
T1+T2+ T3+T4+ T5+T6+ T7+T8+ T9+T10+ T11+T12 |
n |
Im Beispiel:
V = |
125+112+124+102+115+113+145+134+163+132+143+128 |
= 128 |
12 |
b) Gleitender Mittelwert
Der gleitende Mittelwert wird aus einer vorher bestimmten Anzahl der letzten Periodenverbräuche berechnet. Dabei wird die Anzahl der Verbrauchswerte konstant gehalten. Die am weitesten zurückliegenden Periodenverbräuche werden eliminiert und durch die neuen Werte ersetzt, um ein aussagekräftiges Ergebnis zu erzielen.
Der gleitende Durchschnitt der sechs letzten Perioden ergibt als Vorhersage für den Januar 2007:
V = |
T7+T8+ T9+T10+ T11+T12 |
n |
Im Beispiel (siehe Werte oben):
V = |
145 + 134 + 163 + 132 + 143 + 128 |
= 140,83 |
6 |
Der Vorhersagebedarf kann auf V = 140 oder V = 141 festgelegt werden.
c) Gewogen-gleitender Mittelwert
Bei der Methode des gewogen-gleitenden Mittelwerts besteht die Möglichkeit, die einzelnen Perioden unterschiedlich zu gewichten. Das Prinzip ist dem des gleitenden Mittelwerts gleich, jüngere Perioden werden jedoch stärker gewichtet als ältere Perioden. So lassen sich Trends besser erkennen.
Folgende Formel kommt dabei zur Anwendung:
V = |
T1G1+T2G2+T3G3+…TnGn |
G1+G2+G3+ … +Gn |
G = Gewichtung der Periode n
Im Beispiel (siehe Werte oben):
Für das vorangegangene Beispiel gelten folgende Gewichtungen:
G1 = 6 %; G2 = 9 %; G3 = 13 %; G4 = 18 %; G5 = 24 %; G6 = 30 %
V = |
145 × 6+134 × 9+163 × 13+132 × 18+143 × 24+128 × 30 |
= |
13843 |
= |
138,43 |
6+9+13+18+24+30 |
100 |
Hier kann der Bedarf für Januar 2004 V = 138 oder 139 sein.
Exponentielle Glättung
Das Verfahren der exponentiellen Glättung eignet sich für konstante Verbrauchsabläufe. Die Daten werden je nach Verbrauchsverlauf unterschiedlich gewichtet. Unterschieden wird zwischen exponentieller Glättung erster Ordnung und exponentieller Glättung zweiter Ordnung.
a) Exponentielle Glättung erster Ordnung
Die exponentielle Glättung erster Ordnung ist die wichtigste Methode der verbrauchsorientierten Bedarfsermittlung. Ein zuvor berechneter Prognosewert wird mit dem tatsächlich eingetretenen Verbrauch verglichen und die dabei entstandene Abweichung berücksichtigt. Zur Gewichtung der Daten wird der Glättungsfaktor verwendet. Je kleiner man wählt, umso stärker werden die Vergangenheitswerte gewichtet. Das bedeutet eine starke Glättung der Zufallsschwankungen. Es gilt dabei:
Vn = Va + α (Ti – Va)
Vn = neue Vorhersage
Va = alte Vorhersage
Ti = tatsächlicher Bedarf der abgelaufenen Periode
α = Glättungsfaktor
Fallbeispiel:
Gegeben sind: Va = 200, Ti = 250, α = 0,2.
Daraus...