Zusammenfassung
Eine wichtige Voraussetzung für den Fortbestand eines Unternehmens und damit für die Sicherheit der Kapitalgeber stellt die Einhaltung des finanziellen Gleichgewichts dar. Zur Vermeidung von finanziellen Ungleichgewichten, die für die betroffenen Unternehmen möglicherweise sogar einen existenzbedrohenden Charakter besitzen können, haben sich in der Praxis einige Grundregeln, die so genannten Finanzierungsregeln, herausgebildet.
1 Kapitalbedarf als Ausgangspunkt
Die Finanzierungsregeln gehen von einem bestimmten Kapitalbedarf aus und stellen aufbauend auf dem Kapitalbedarf Grundsätze auf, welche Finanzierungsmittel zur Deckung des Kapitalbedarfs ausgewählt werden sollten. Dabei nehmen die Finanzierungsregeln nicht Bezug auf die Höhe, sondern vielmehr auf die Struktur des Kapitalbedarfs. Die Zusammensetzung des Kapitalbedarfs ergibt sich im Wesentlichen aus der Zusammensetzung des Vermögens, die insbesondere vom Betriebszweck des Unternehmens beeinflusst wird.
Die Finanzierungsregeln stellen Bilanzkennziffern dar, die i.d.R. in Form von Verhältniskennzahlen ausgedrückt werden. Hierbei wird entweder eine Passiv-Position (z.B. Eigenkapital) der Bilanz zu einer Aktiv-Position (z.B. Anlagevermögen) ins Verhältnis gesetzt oder ein Quotient aus zwei Passiv-Größen gebildet. Demnach lassen sich je nach der Art der gebildeten Bilanzkennzahlen zwei Formen von Finanzierungsregeln unterscheiden:
- horizontale Finanzierungsregeln,
- vertikale Finanzierungsregeln.
Horizontale Finanzierungsregeln
Die horizontalen Finanzierungsregeln werden auch als horizontale Kapital-Vermögensstrukturregeln oder als horizontale Kapitalstrukturnormen bezeichnet. Horizontale Finanzierungsregeln setzen Passiv-Größen zu Aktiv-Größen ins Verhältnis und verbinden somit die Kapitalbeschaffung mit der Kapitalverwendung. Zu den bedeutendsten horizontalen Finanzierungsregeln zählen die "Goldene Finanzierungsregel", die auch als "Goldene Bankregel" bezeichnet wird, und die "Goldene Bilanzregel". Die Goldene Bilanzregel liegt in einer engeren Fassung (Goldene Bilanzregel i. e. S.) und einer weiteren Fassung (Goldene Bilanzregel i. w. S.) vor. Implizit beruhen diese Finanzierungsregeln auf dem Gedanken der fristenkongruenten Finanzierung. Das Prinzip der fristenkongruenten Finanzierung beinhaltet die Vorstellung, dass Vermögensteile (bis zur Wiedergeldwerdung) und Kapitalteile (bis zum Abzug durch die Geldgeber) sich in ihrer zeitlichen Bindung im Unternehmen entsprechen sollten. Dadurch können die Ansprüche der Kapitalgeber mit finanziellen Mitteln, die aus der „Liquidation” der Vermögensteile i.d.R. über den Umsatzprozess stammen, befriedigt werden, wodurch sichergestellt sein soll, dass das Unternehmen nicht in Liquiditätsschwierigkeiten gerät.
Vertikale Finanzierungsregeln
Neben den horizontalen Finanzierungsregeln existieren weiterhin die vertikalen Finanzierungsregeln. Bei den vertikalen Finanzierungsregeln werden Größen der Passiv-Seite der Bilanz zueinander ins Verhältnis gesetzt, sie beziehen sich demnach lediglich auf die Gestaltung der Kapitalstruktur. Die vertikalen Finanzierungsregeln interessieren sich folglich auch nicht für die Kapitalverwendung. Zu den vertikalen Finanzierungsregeln werden im Wesentlichen die Eigenkapitalquote, die Fremdkapitalquote, der Verschuldungsgrad sowie der Verschuldungskoeffizient gezählt. Abbildung 1 fasst die verschiedenen Arten von Finanzierungsregeln und deren Ausprägungen zusammen.
Abb. 1: Finanzierungsregeln und ihre Ausprägungen
2 Horizontale Finanzierungsregeln
Als horizontale Finanzierungsregeln werden im Folgenden
- die Goldene Finanzierungsregel und
- die Goldene Bilanzregel erläutert.
2.1 Goldene Finanzierungsregel
Die Goldene Finanzierungsregel fordert, dass die Dauer der Kapitalbindung im Vermögen eines Unternehmens der Dauer der Kapitalüberlassung, d.h. dem Zeitraum, in dem das Kapital zur Verfügung steht, entsprechen soll. Langfristig gebundenes Vermögen soll mit langfristig überlassenem Kapital, kurzfristig gebundenes Vermögen kann mit kurzfristig gebundenem Kapital finanziert werden. Wird diese Regel nicht eingehalten, d.h., wird insbesondere langfristig gebundenes Vermögen mit kurzfristig bereitstehenden Mitteln finanziert, so muss der Kapitalnehmer zum Ende der Überlassungsdauer der bereitgestellten Mittel eine adäquate Anschlussfinanzierung generieren können. Dabei ist ein Unternehmen folgenden Risiken ausgesetzt:
- Prolongationsrisiko: Gefahr, dass der bisherige Kredit nicht verlängert wird.
- Substitutionsrisiko: Gefahr, keinen anderen Kreditgeber zu finden.
Zinsänderungsrisiko: Gefahr, dass eine Anschlussfinanzierung nur zu ungünstigeren Konditionen realisiert werden kann.
Prinzipiell fordert die Goldene Finanzierungsregel die fristenkongruente Kapitalüberlassung für jede Vermögensposition. Dazu wäre jedoch eine Verbindung zwischen den Vermögenspositionen und den entsprechenden Mitteln zur Finanzierung jeder einzelnen Vermögensposition erforderlich. Da eine solche Verbindung jedoch i.d.R. nicht existiert, wird vielmehr von einer "totalen Finanzierung" ausgegangen, bei der unterstellt wird, dass die ...