Dr. Josef Baumüller, Prof. Dr. Helmut Siller
Im Folgenden soll der Nutzen von Funktionscontrolling in Organisationen anhand von 3 Beispielen veranschaulicht werden.
4.1 Sanierungscontrolling
4.1.1 Zum Begriff "Sanierung"
Unter Sanierung wird hier die Rettung eines in Krise befindlichen Unternehmens verstanden, die eine Vielzahl außergewöhnlicher Maßnahmen zur Ursachenbehebung erfordert. Es geht um ein Bündel von Maßnahmen zur nachhaltigen Beseitigung existenzgefährdender wirtschaftlicher Schwächen und zur Wiederherstellung der vollen Leistungsfähigkeit eines Unternehmens durch Beseitigung bzw. das Management der größten und drängendsten Risiken.
4.1.2 Sanierungsmanagement und Sanierungscontrolling
Die Kernfrage ist zunächst, ob das Unternehmen als Sanierungsobjekt überhaupt saniert werden kann bzw. soll oder nicht (teilweise) liquidiert werden muss. Das sollte anhand einer Bewertung des Unternehmens wie folgt entschieden werden:
Liegt der Ertrags-(Reorganisations-)Wert über (unter) dem Liquidations-(Zerschlagungs-)Wert, sollte das Unternehmen saniert (liquidiert) werden. Der Reorganisationswert ist dabei der Ertragswert bei Unternehmensfortführung – abgezinst auf den Entscheidungszeitpunkt – unter Berücksichtigung der Wahrscheinlichkeit der Wirksamkeit der geplanten Sanierungsmaßnahmen. Ein Unternehmen ist sanierungsfähig, wenn eine Sanierung aus betriebswirtschaftlicher Sicht erfolgversprechend ist.
Im Gegensatz dazu ist die Entscheidung der Sanierungswürdigkeit überwiegend von subjektiven Eindrücken und weniger von Berechnungen bestimmt. Es geht um die Frage, ob die Sanierung nach der persönlichen und/oder subjektiven Interessenslage der betroffenen Stakeholder gerechtfertigt ist. Das Sanierungsmanagement deckt sich personell i. d. R. nicht mit der bisherigen Führungsriege. Oft schaffen nur unverbrauchte, neue Köpfe den Weg zum "Fit for recovery" ("Phönix-aus-der-Asche-Effekt").
Besonders wichtig scheint der "Blick nach vorne", um innovative Wege aus der Krise zu finden und auch das bisher verfolgte Geschäftsmodell fundamentalkritisch zu hinterfragen. Ziel muss es für das Management eines sanierungsfähigen und -würdigen Unternehmen nach erfolgter Sanierung sein, künftig krisenfest zu werden.
Sanierungscontrolling umfasst das ganze Bündel an finanz- und leistungswirtschaftlichen Supportmaßnahmen, die erforderlich sind, um die Fortführungsfähigkeit von Unternehmen, die sich in einer Krise bzw. im Sanierungs- oder im Insolvenzverfahren befinden, wieder- und eine künftige Krisenfestigkeit herzustellen (s. Abb. 2).
Abb. 2: Wesentliche Aufgaben von Sanierungsmanagement und Sanierungs-Controlling im Sinne eines Promotorengespanns bzw. einer Sanierungspartnerschaft
4.1.3 Beiträge zu einer langfristigen Wirksamkeit einer Sanierung
Evidenzbasiert lassen sich folgende Handlungsempfehlungen für eine langfristig erfolgreiche Sanierung formulieren:
Sanierungsmanagement
- Durchsetzung von Maßnahmen zur Krisenbewältigung
- Aktives Online- und Offline-Marketing
- Gezielte Innovation in Richtung eines nachhaltigen und vom Mitbewerb nur schwer imitierbaren USP
- Konsequentes Nutzen von Netzwerken
- Sicherstellung der Veränderungsbereitschaft und -fähigkeit der (Schlüssel-) Mitarbeiter und Begreifen der Krise als Chance zum Lernen und als "2. Chance".
Sanierungscontrolling
- Unterstützung der Maßnahmen des Sanierungsmanagements
- Ausarbeiten von Bewertungs- und Entscheidungs-Grundlagen
- Sanierungsmaßnahmencontrolling
- Kurze und regelmäßige Kontrollzyklen mit allen Verantwortlichen
- Zeitnahes Reporting an alle Stakeholder über den Sanierungsfortschritt.
Eine ideale Tool-Box für ein erfolgversprechendes Sanierungscontrolling besteht aus:
- Leistungsfähige Kosten- und Leistungsrechnung mit Transparenz über Erfolgs- und Verlustträger
- Integrierte Unternehmensplanung (Plan-GuV, Plan-Kapitalflussrechnung und Planbilanz)
- Zusätzlich wöchentliche Liquiditätsplanung
- Rollierende Forecasts
- Aussagefähige KPIs, die rechtzeitig auf Handlungsbedarf aufmerksam machen
- Aufbau und Betrieb eines effektiven Frühaufklärungs-(Radar-)Systems
- Aussagekräftiges, aktuelles und empfängerorientiertes Reporting
- Aussagekräftige strategische Planung
- Fundamentalkritik an der Eignung von Vision, Mission, Leitbild und Werten.
4.2 Personalcontrolling
4.2.1 Bedeutung des Faktors Personal für Unternehmen
Mitarbeiter sind heute weit mehr als bloße (Kosten-)Faktoren oder nur "Köpfe", wie z. B. das englische Wort "headcount" nahelegt. "Ein Unternehmen ist nur so gut wie seine Mitarbeiter."
Dieser scheinbar einfache und logische Zusammenhang gewinnt im Wettbewerb rasant an Bedeutung. Der Grund für diese Renaissance des Mitarbeiters als Schlüsselfaktor für den Unternehmenserfolg ist der dynamische strukturelle Wandel von der Industrie- zur digitalen Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft.
Das Paradigma "schneller, weiter, mehr" stößt schon lange an Grenzen, die Ressource ...