Prof. Dr. Wolfgang Wiesmann, Prof. Dr. Mike Schulze
3.1 Standardisierung vs. Differenzierung
Mit der Standardisierung wird das Ziel verfolgt, Abläufe und Prozesse möglichst weitgehend zu vereinheitlichen, um die Prozesseffizienz, -transparenz und -qualität zu steigern. Sie ist die Voraussetzung für die Automatisierung von Prozessen durch den Einsatz digitaler Technologien wie z. B. Robotic Process Automation (RPA). Gerade Unternehmen, die durch Akquisitionen stark gewachsen sind und sehr dezentral geführt werden, haben hier häufig ein erhebliches Potenzial. Weit fortgeschritten ist die Standardisierung des Management Reporting, der Kosten- und Leistungsrechnung, der operativen Planung und Budgetierung sowie des Forecasting. Die Dokumentation standardisierter Prozesse dient als Grundlage für die Festlegung des ablauforganisatorischen Rahmens, für schriftliche Vereinbarungen (z. B. Service Level Agreements) und Vorgaben von Regeln, Prozessen, Kommunikationswegen etc. (z. B. Controllingrichtlinie, Arbeitsanweisungen). Sie erleichtert die Einarbeitung und Schulung von Mitarbeitern und erlaubt eine bessere Integration von neuen Akquisitionen in die System- und Berichtswelt eines Unternehmens.
Doch sind der Standardisierung im Controlling auch Grenzen gesetzt. Angesichts dynamischer Geschäftsentwicklungen und spezifischer Geschäftsmodelle verlangen die Geschäftsbereiche eines Unternehmens eine Differenzierung des Controllings in bestimmten Aufgabenbereichen. Vom Controlling wird gefordert, Veränderungen im Unternehmensumfeld möglichst flexibel und in Echtzeit in den Berichts- und Planungssystemen abzubilden. Letztlich fordert das unternehmerische Denken in den Geschäftsbereichen vom Controlling schnelle und passgenaue Antworten, für die eine Nähe zum Markt und zu den Produktionsabläufen notwendig ist. Hinzu kommen verschiedene Manager-Typen, auf deren unterschiedliche Bedürfnisse für die Entscheidungsfindung sich das Controlling einstellen muss.
3.2 Spezialistentum vs. Generalistentum
Die zunehmende Komplexität von Unternehmen trägt in bestimmten Controllingbereichen zum Spezialistentum bei. Im Zuge der Spezialisierung werden Controllingabläufe arbeitsteilig strukturiert, d. h. in Aktivitäten zerlegt und Mitarbeitern bzw. Stellen eindeutig zugeordnet. Damit werden die Zielsetzungen der Effizienzsteigerung und der Förderung von Expertenwissen verfolgt. Fach- und Prozessexperten können dazu beitragen, verfügbare Controllingsysteme optimal zu nutzen und weiterzuentwickeln sowie Anfragen schnell und fundiert zu beantworten. Andererseits birgt das Spezialistentum die Gefahr, dass einzelne Tätigkeiten zu sehr akzentuiert und zum Selbstzweck werden. In der Breite führt das Spezialistentum zu einer Verringerung der Kompetenzen des einzelnen Mitarbeiters. Auch erhöht die Arbeitsteilung die Zahl der Schnittstellen und damit den Koordinationsaufwand. Manager sehen sich mit verschiedenen Ansprechpartnern für spezifische Themen wie z. B. Kostenstellenrechnung und Monatsreporting konfrontiert, denen ein ganzheitliches Verständnis der jeweiligen Geschäftsaktivitäten fehlt.
Als bedeutenden Hebel zur Leistungssteigerung des Controllings stufen die befragten Unternehmen im Controller-Panel 2020 von EY die Flexibilisierung der Controllingorganisation ein. Ein Anteil von 45 % der Befragten strebt die erhöhte Flexibilität durch ein Generalistentum im Controlling an. Überwiegend ist dieser Wunsch auf einen gestiegenen Anteil an Ad-hoc-Aufgaben und Projekttätigkeiten zurückzuführen. Die Erfahrungen mit der Rolle des Controllings in der Corona-Krise dürften die Forderung nach einem Business Partner im Controlling, der an der Seite des Managements mit einem ganzheitlichen Blick auf die Controllingthemen flexibel und schnell auf veränderte Unternehmenssituationen reagiert, verstärken. Das setzt voraus, dass der Business Partner über umfangreiche Geschäftskenntnisse verfügt, mit den Controllingsystemen und -prozessen des Unternehmens vertraut ist und bei Detailfragen auf ein Netzwerk von Fachexperten zurückgreifen kann.
3.3 Zentralisierung vs. Dezentralisierung
Im Zuge der Zentralisierung gehen Entscheidungs- und Ausführungskompetenzen für bestimmte Funktionen von einer lokalen Stelle im Unternehmen auf eine zentrale Organisationseinheit über. Damit wird vor allem das Ziel verfolgt, einen hohen Standardisierungsgrad zu erreichen, um Effizienz- und Synergieeffekte zu realisieren. Ein wichtiger Hebel dafür ist die Bündelung von Aktivitäten in einem Shared Service Center (SSC). Innerhalb des SSC kann zwischen einem Center of Scale (CoS) und einem Center of Expertise (CoE) unterschieden werden. Während das CoS hoch transaktionale Aktivitäten (z. B. Kostenrechnung, Standard-Reporting) mit einem starken Fokus auf Effizienzsteigerungen ausführt, bietet das CoE kompetenzbasierte Unterstützungsleistungen für die verschiedenen Unternehmensbereiche an. Dazu gehören typischerweise Projektarbeiten, Beratungsleistungen, die Entwicklung von Prozessstandards sowie die Erstellung und Pflege von Arbeitsanweisungen.
Während End-to-End-Proze...