Prof. Dr. Ronald Gleich, Prof. Dr. Heimo Losbichler
An einigen Stellen haben wir bislang postuliert: Liquidität ist der wichtigste Bestandteil im Krisenmanagement. Sparmaßnahmen und Kostenreduzierungsprogramme setzen Kapital frei und führen damit zu einem kurzfristigen Liquiditätsschub. Sofern das Unternehmen seine strategischen Kernbereiche definiert hat und damit geklärt ist, welche Bereiche und Prozesse für die Lebenserhaltung unabdingbar sind, können im nächsten Schritt solche etwaigen Sparmaßnahmen oder Kostenreduzierungsprogramme evaluiert und ausgewählt werden. Diese Kostensenkungsinitiativen sollten immer vor dem Hintergrund der finanziellen Situation, ihrer strategischen Position und möglicher Einsparpotenziale analysiert werden. Es muss genau verstanden werden, welche Aktivitäten im Unternehmen Wert treibend sind und welche Aktivitäten das Unternehmen wettbewerbsfähig machen oder potenziell machen könnten. Während man grundsätzlich in wertschöpfende Aktivitäten investieren sollte, sind wiederum in anderen Bereichen Kosten zu senken, und das unter Einhaltung der festgelegten Sparziele.
Im Folgenden wollen wir nun auf einige Möglichkeiten für Optimierungen und Einsparungen in der Krise hinweisen (s. Abb. 14). Bspw. könnten aufgrund der angespannten Kundensituation in Krisenzeiten Einsparpotenziale im Vertrieb und Marketing realisiert werden. Jegliche Aktivitäten, die auf die Kaltakquise neuer Kunden abzielen, können vermutlich eingestellt werden. Stattdessen sollte man sich auf langjährige und treue Bestandskunden konzentrieren. Gerade bei der Zusammenlegung der Betreuung von Kundengruppen oder bei einem nicht unerheblichen Wegfall einzelner Kunden, sollte hier geprüft werden, ob Mitarbeiter kurzfristig freigesetzt werden.
Die Möglichkeiten zur Realisierung von Einsparungen in der Produktion sind im Vergleich zum Marketing und Vertrieb deutlich limitierter: Während man die Stückkosten möglichst gering halten möchte (durch große Produktionsmengen), aber gleichzeitig der Lagerbestand ebenfalls so gering wie möglich gehalten werden soll, ergibt sich hier für das Controlling ein ganz besonderer Balanceakt. Ein geringer Lagerbestand ist in erster Linie deshalb eine Herausforderung, weil dadurch eine kurzfristige Lieferverfügbarkeit – besonders bei unerwarteten größeren Bestellungen – nicht immer eingehalten werden kann. In einer Krise können Verbraucher von ihren üblichen Bestellmengen abweichen und z. B. auf günstigere Alternativen ausweichen. So verzeichnet ein Unternehmen vielleicht Bestellrückgänge im oberen Preissegment, während es bei einem ähnlichen Produkt aus dem Niedrigpreissegment einen regelrechten Schub in den Auftragseingängen erlebt. Dieses Beispiel soll verdeutlichen, dass man die unternehmenseigene Position im Markt (auch in Krisen) gut kennt und damit die Produktion und Lagerbestände nicht kurzfristig ohne vorhergegangen Analysen anpasst. Gerade wenn Unternehmen von einzelnen (Groß-)Kunden abhängig sind, sollten hier frühzeitig die Gespräche für die nächste Quartalsplanung gesucht werden. Somit ließe sich gleichzeitig eine schnelle Lieferverfügbarkeit garantieren, während die Lagerkosten niedrig gehalten werden. In diesem Zusammenhang ist ebenfalls die kurzfristige Reduzierung des hauseigenen Fuhrparks kritisch zu prüfen, um Fixkosten – wenn auch nur kurzfristig – zu reduzieren. Ein geeignetes Working Capital Management kann in der Krise entscheidend dazu beitragen, die Liquidität des Unternehmens zu sichern. Illiquidität ist immer ein zwingender Insolvenzgrund und sollte daher vermieden werden. Zur Kontrolle über das Working Capital eignet sich der Cash Conversion Cycle als Kennzahl. Dieser misst den Liquiditätskreislauf in Tagen, hilft dabei die Kapitalbindung zu reduzieren und Liquidität freizusetzen. Gleichzeitig gibt er Auskunft über die Machtverhältnisse entlang der unternehmenseigenen Supply Chain.
Abb. 14: Optimierungs- und Einsparungsmöglichkeiten in der Krise
CCC Time = DSO (days sales outstanding) + DOH (days on hand) – DPO (days payables outstanding)
Es empfiehlt sich, den Cash Conversion Cycle zu optimieren, da man immer mehr Zahlungen von Kunden erhält als man an Lieferanten leisten muss. Die drei Terme in der Formel geben erste Hinweise auf die einzelnen Quellen im Unternehmen, die dafür analysiert und optimiert werden müssen. Indes möchten wir hier nochmals betonen, dass die Auswahl der Optimierungsmaßnahmen jeweils von der Art und der Intensität der Krise abhängen. Dieser Aspekt soll hier nochmals untermauert werden, da einzelne Optimierungen maßgeblich die Lieferkette betreffen.
Folgende Maßnahmen sind in den einzelnen Bereichen des Unternehmens denkbar:
- Days on hand: Dieser Term wird maßgeblich durch die eigene Lagerhaltung bestimmt. Eine Optimierung des Lagerbestandes muss immer im Spannungsfeld zwischen Lieferfähigkeit und Kosten des Bestandes erfolgen. Zudem ist zu beachten, dass es nach der Krise zu starkem Absatzwachstum kommen kann.
- Days sales outstanding: Ein überarbeitetes Forderungsmanagement kann die Zahlungsmoral de...