Prof. Dr. Ronald Gleich, Prof. Dr. Heimo Losbichler
Leitfrage dieses Kapitels ist: hilft Krisenvorbereitung? Der bisher erfolgreiche Umgang mit dem konjunkturellen Abschwung seit 2018 (sowie den Folgen der Corona-Pandemie) lässt sich sicherlich nicht ausschließlich auf das Vorbereitungsprojekt Koyer zurückführen. Wesentliche Ausarbeitungen des Vorbereitungsprojekts wurden im tatsächlichen Krisenfall nicht umgesetzt. Die allgemeine Beschäftigung mit dem Thema Krise sowie die Definition der Steuerungs- und Zielelogik ermöglichten TRUMPF jedoch vorausschauende, effiziente und informierte Entscheidungen. Damit kann anhand des Fallbeispiels TRUMPF gezeigt werden, dass die dezidierte Auseinandersetzung mit Krisenvorbereitung lohnenswert ist.
Das Krisenvorbereitungsprojekt startete bereits im Dezember 2017. Der Maschinenbau und auch TRUMPF befanden sich zu damaligen Zeitpunkt in einer Boom-Phase. Akute Themen für die Organisation waren der Umgang mit dem steigenden Umsatz und die Flexibilität "nach oben". In der Breite der Organisation herrschte naturgemäß kein "Krisenmindset". Den Verantwortlichen des Vorbereitungsprojekts fiel es daher schwer, alle Beteiligten zu einem hohen Commitment zur Krisenvorbereitung zu bewegen. Dies machte sich vor allem in der Umsetzungsgeschwindigkeit und in der Qualität der vorbereiteten Maßnahmen bemerkbar. Hier zeigt sich die enorme Bedeutung von Top-Management-Beauftragung und -Unterstützung: das Vorbereitungsprojekt ließ sich letzten Endes nur durch die Unterstützung des gesamten Vorstands sowie der persönlichen Patenschaft durch den CFO durchführen.
Zur Vorbereitung von Maßnahmen lässt sich generell sagen, dass hier Aufwand und Ertrag in keinem guten Verhältnis stehen. Um konkrete, umsetzungsreife Maßnahmen erarbeiten zu können, bedarf es der Beteiligung relevanter Fachkräfte sowie detaillierter Ausarbeitung und Diskussion. Abhängig vom zeitlichen Abstand zwischen Krisenvorbereitungsprojekt und Krisenmanagement kann sich die Organisation jedoch ändern. Dies wirkt sich auch auf Kostenstrukturen und damit auf Kostenpotenziale aus. In Zusammenhang mit dem erwähnten fehlenden Krisenmindset können Maßnahmen außerdem nur schwer mit allen für die Umsetzung notwendigen Stakeholdern abgesprochen werden. Bei TRUMPF wurden die tatsächlichen Maßnahmen im Krisenmanagement im Wesentlichen neu durch die Tochtergesellschaften erarbeitet und deckten sich nur in Teilen mit den geplanten Maßnahmen. Große Teile der Vorbereitung blieben somit ungenutzt.
Dies ist auch in Verbindung mit der Vorbereitung einer Krisen-Governance zu sehen. Von der geplanten Funktionalsteuerung wurde im Krisenmanagement abgesehen. Diese wurde von den Geschäftsbereichen bereits während der Vorbereitung äußerst kritisch gesehen: vor allem höhere Führungskräfte der Geschäftsbereiche sehen sich sowohl in Zeiten des Aufschwungs aber auch der Krise in der Verantwortung. Die Ausprägung des dezentralen Charakters einer Organisation hat außerdem einen gewichtigen Einfluss auf die Akzeptanz zentraler Projektorganisationen. Da im tatsächlichen Krisenmanagement über Geschäftsbereiche und Tochtergesellschaften gesteuert wurden, mussten auch die (geschäftsbereichsübergreifenden) funktionalen Maßnahmen stark angepasst oder verworfen werden. Abschließend lässt sich jedoch auch sagen, dass das Commitment der Geschäftsbereiche trotzdem eine schlagkräftige Krisenorganisation ermöglichte. Dieses Commitment stieg mit zunehmender Schwere der Krise weiter an. Dies zeigt sich insbesondere im Vergleich zur COVID-Taskforce. Während Governance und Mandat der Koyer-Krisenorganisation stets Gegenstand der Diskussion waren, war das Mandat der Taskforce von Beginn an gefestigt. Somit war es auch einem kleinen, zentralen Team möglich, Maßnahmen innerhalb der globalen TRUMPF Gruppe innerhalb weniger Tage umzusetzen.
Eine wirtschaftliche Krise führt nicht allein zu Problemen mit Profitabilität und Cash. Eine Krise bedeutet für eine Firma auch Druck, intern strukturelle Schwachstellen offenzulegen. So treten innerhalb des operativen Betriebs Ineffizienzen zutage, Komplexität in der Governance und in den Abläufen zwischen Mitarbeitern wirdhervorgehoben und strategische Schwachpunkte in Produktion, Technologien und Märkten werden transparent. Auch wenn der Fokus eines Krisenprojektes naturgemäß auf der kurzfristigen Behebung akuter Probleme liegt, kann und sollte ein Krisenprojekt strukturelle Maßnahmen planen und umsetzen. Während dies im Krisenvorbereitungsprojekt Koyer nicht hinreichend adressiert wurde, hat TRUMPF diesen Fokus während des späteren Krisenprojekts gesetzt. Hierin zeigt sich die Chance in der Krise – strukturelle Verbesserung befähigen die Organisation, im Aufschwung neue Marktanteile zu gewinnen.
Wie bereits diskutiert, brachte die Krisenvorbereitung deutliche positive Effekte. Allen voran die Diskussion über die Ziele- und Steuerungslogik im Krisenfall führte im späteren Krisenmanagement zu einem hohen Gewinn an Geschwindigkeit und Klarheit. Die kontroverse und zum Teil emotionale Diskussion üb...