Prof. Dr. Jörn Kohlhammer
Benutzeraufgabe
Die Benutzeraufgabe ist der Aspekt, der den Unterschied macht zwischen Visualisierungen, die einfach zu erfassen sind, und solchen, die einen echten Mehrwert für den Nutzer bieten. Die Benutzer und ihre Aufgaben sollten der Startpunkt für jegliche Entscheidung sein, die die Art der Visualisierung und ihr Design betreffen. Eine solche Herangehensweise bezeichnet man als User-Centered Design (UCD).
Definition von User-Centered Design
UCD ist ein Prozess der benutzerzentrierten Entwicklung von Produkten, mit denen ein Mensch interagieren soll. An dieser Stelle beschränken wir uns auf Visualisierungssysteme, insbesondere Visual-Business-Analytics-Anwendungen; der Begriff UCD ist jedoch allgemeiner. Der Begriff "benutzerzentriert" umfasst dabei sämtliche Eigenschaften, die bei der Nutzung eines (hier) Visualisierungssystems relevant sind. Einige wesentliche Eigenschaften sind die kognitiven Fähigkeiten, die Bildung, das Alter, der Kontext der Nutzung oder die Aufgaben, die bearbeitet werden sollen.
Designansätze
UCD wird häufig verglichen mit dem so genannten Genius Design. Hierbei überlegt sich der Entwickler, ohne einen der späteren Nutzer zu konsultieren, welches Design und welche Eigenschaften ein Produkt haben sollte, und setzt dieses Konzept bis zum fertigen Produkt um. Tatsächlich ist diese Herangehensweise die deutlich verbreitetere aufgrund der (vermeintlich) niedrigeren Kosten und der Geheimhaltung. Gerade bei Visualisierungen, die nun einmal stark nutzerabhängig sind, hat UCD jedoch den unschätzbaren Vorteil, dass die Nützlichkeit einer Visualisierung von Anfang an im Vordergrund steht und keine Zeit für unbrauchbare Darstellungen verschwendet wird. Der Nutzer wird so quasi zu einem Mitentwickler des Produkts (oder eben der Visualisierung).
Abb. 6: Der User-Centered-Design-Prozess
Planung
Betrachten wir die einzelnen Schritte des UCD, die in Abb. 6 dargestellt werden. Im Planungsschritt werden Informationen über die relevanten Personen und Mitarbeiter festgehalten, die für die Entwicklung der Visualisierung relevant sind. Hierzu zählen die späteren Nutzer genauso wie die Ersteller der Visualisierung oder die verantwortlichen Entscheidungsträger. In diesen Schritt fallen auch die üblichen Vereinbarungen über Meilensteine und angemessene Zeitvorgaben, die den späteren Entwicklungs- und Evaluierungsprozess beeinflussen.
Nutzungskontext
Im 2. Schritt gilt es den Nutzungskontext detailliert zu erfassen und zu beschreiben. Abb. 7 zeigt die wesentlichen Aspekte, die für UCD interessant sind. Dabei stehen die Benutzer selbst im Zentrum des Interesses. Es kann sein, dass mehrere Interessengruppen zu beachten sind, die zur geplanten Entwicklung mit Zielen und Einschränkungen in Beziehung stehen. Jede Benutzergruppe, sollte möglichst genau bezüglich ihrer Kenntnisse, Fertigkeiten, Erfahrung, Ausbildung, physischen Merkmale, Gewohnheiten und Vorlieben erfasst werden. Häufig werden Benutzergruppen durch eine so genannte "Persona" repräsentiert. Dies ist eine fiktive Person, die aber wie in einem Steckbrief mit ihren Eigenschaften beschrieben wird. Sich eine solche Persona für die adressierte Benutzergruppe vorzustellen, hilft immens im weiteren Designprozess.
Es ist gleichermaßen wichtig, die Arbeitsaufgabe zu erfassen. Dazu gehören die Häufigkeit und Zeitdauer der Ausführung wie auch parallel auszuführende Tätigkeiten. Dieser Bereich des Nutzungskontexts ist sicherlich vielen Lesern aus der Beratungspraxis vertraut. Mit Arbeitsmitteln bezeichnen wir die technische Umgebung (Hardware, Software, Materialien) der Benutzer, während die Umgebung auch die physischen, sozialen und kulturellen Aspekte mit einbezieht.
Abb. 7: Die Elemente des Nutzungskontexts
Nutzungsanforderungen
Erst wenn uns klar ist, für welchen Kontext wir eine Visualisierung erstellen, können wir uns damit beschäftigen, was die Nutzergruppe mit der Visualisierung überhaupt erreichen möchte. Welche Entscheidung soll auf Basis der Visualisierung (und der darunterliegenden Daten) getroffen werden? Was ist das Ziel des Nutzers als Teil seiner Aufgabe? Hierzu hat es sich bewährt, Informationen direkt von den Nutzern durch Befragungen, Interviews oder Beobachtungen zu erhalten. Dabei liegt immer zugrunde, dass UCD iterativ ist und eine erste prototypische Umsetzung auch für eine Verfeinerung der Nutzeranforderungen verwendet werden kann.
Prototypen
Prototypen kommen dann auch bei der Entwicklung von Gestaltungslösungen zum Tragen. Es gibt verschiedene Herangehensweisen, je nachdem, welche Funktionalität der Prototyp bereits aufweisen muss. Paper-Prototypen sind schnell zu erstellen und eignen sich gut für erste Diskussionen. Interaktivität kann z. B. durch Klebezettel simuliert werden. So genannte Rapid Prototypes haben bereits interaktive Funktionalität, sind jedoch beschränkt auf die Benutzeroberfläche oder auf einzelne Teilfunktionalitäten.
Eine Grundlage von UCD ist es, solche Prototypen möglichst früh zu erstellen und nicht ein komplettes Visualis...