Zusammenfassung
- Interventionen zum Debiasing von Entscheidungen greifen idealerweise ganzheitlich an drei Ansatz(zeit)punkten an: Vor, während und nach einer Entscheidung.
- Informieren: Vor der Entscheidung liegt der Fokus darauf, über verzerrende Effekte aufzuklären. Wichtig ist dabei, nicht nur die Effekte an sich, sondern deren Wirkmechanismus herauszustellen.
- Intervenieren: Während der Entscheidung sollte ein evtl. auftretender Zielwechsel in der Entstehung bereits verhindert werden. Die Orientierung an lediglich kurzfristigen Vorteilen, die nicht dem eigentlichen Entscheidungsziel dient, wird dabei aufgedeckt.
- Inspizieren: Nach der Entscheidung sollten suboptimale Prozesse analysiert werden, um für nachfolgende Entscheidungen zu lernen. Der Fokus liegt dabei in der Analyse des Grundes für die Auswahl der falschen Option.
1 Warum braucht es überhaupt noch Entscheidungsinterventionen?
Was von allen Unternehmen am meisten produziert wird, sind Entscheidungen und nicht etwa Produkte oder Dienstleistungen. Was wie eine Binsenweisheit erscheint, bedeutet in seiner Konsequenz für Manager und Führungskräfte jedoch, dass sie immer wieder vor die Herausforderung gestellt sind, die "richtige" Option zu wählen. Und obwohl dabei tagtäglich eine große Anzahl von kleinen und großen Entscheidungen zusammenkommt, scheint sich, im Gegensatz zu anderen Bereichen, keine Übung einzustellen. Vor allem große, strategische, also langfristig ausgerichtete Entscheidungen bleiben schwer und führen zur immer wiederkehrenden Frage nach dem richtigen Weg. Zusätzlich ist die Fehlerquote hoch: laut dem Managementforscher Paul C. Nutt, der über Jahre hinweg Unternehmensentscheidungen begleitete und analysierte, scheitern bis zu 50 % der von ihm untersuchten Entscheidungen. In der Analyse von Carroll und Mui (2008), die große, unternehmerische Fehlentscheidungen amerikanischer Firmen betrachteten, wären 50 % davon prinzipiell vermeidbar gewesen.
Wie kann es also sein, dass Menschen, obwohl sie im Laufe ihres Lebens unzählige Entscheidungen treffen, nicht irgendwann, auch bei schweren Entscheidungen, automatisch "in Übung" sind? Und wenn Entscheidungen schon so häufig scheitern, warum lernt man scheinbar so schwer daraus? Kurz zusammengefasst: Warum braucht es überhaupt noch Entscheidungsinterventionen?
Entscheidungsinterventionen beschreiben das aktive oder passive Beeinflussen von Entscheidungen. Passiv sind dabei jene Interventionen, die über mögliche Fallen und Fehler aufklären. Aktive Interventionen greifen direkt in den Entscheidungsprozess ein, u. a. durch Übungen, die bspw. zur Reflexion anregen sollen.
2 Gründe für Entscheidungsinterventionen
Es gibt mehrere Gründe, warum Entscheidungsinterventionen dauerhaft eine wichtige Rolle spielen:
2.1 Die Eigenschaft von Entscheidungen an sich
Entscheidungen an sich sind meist schon aus Prinzip schwer. Der Entscheider steht dabei vor der Herausforderung, eine Option auszuwählen, da die Definition einer Entscheidung unter anderem umfasst, dass nicht mehrere Optionen gleichzeitig verwirklicht werden können. Die verschiedenen Optionen schließen sich gegenseitig aus. Das "oder" steht dabei im Mittelpunkt – macht man das eine oder das andere? Erschwerend kommt hinzu, dass Optionen meist nicht auf allen Ebenen miteinander vergleichbar sind. Die richtige Lösung lässt sich nicht einfach berechnen. Nach Schimank (2005) bewegen sich Entscheidungen zwischen den Polen der Erratik und der Determiniertheit. Es ist nicht alles zufällig was im Geschäftsumfeld passiert, es ist aber auch nicht alles vorbestimmt. In diesem Zwischenbereich sind Entscheidungen angesiedelt. Wären sie bei einem der Pole, würde eine Entscheidung an sich keinen Einfluss haben, da es keine Regeln gibt und das Umfeld chaotisch abläuft oder weil ohnehin alles vorbestimmt ist. Dazwischen liegt jener Bereich, der teilweise determiniert ist, also gewissen Regeln folgt und teilweise erratisch ist, folglich auch gewisse Freiräume lässt. Wichtig ist dabei zu identifizieren, welche Entwicklungen in einer vorhersagbaren Weise stattfinden und ebenso jene Entwicklungen zu identifizieren, bei denen dies unsicher ist. Diese Grundeigenschaften von Entscheidungen geben schon einen ersten Hinweis darauf, warum sie Entscheider immer wieder erneut vor große Herausforderungen stellen.
2.2 Komplexität der Entscheidungssituation
Wie in dem Artikel zum psychischen Mechanismus hinter kognitiven Verzerrungen näher ausgeführt, gibt es mehrere Aspekte, die Entscheidungssituationen komplex erscheinen lassen können. Das Ziel, die Auswahl jener Option im Hier und Jetzt, die den zukünftigen Ansprüchen optimal entspricht, wird dadurch deutlich erschwert. So führt Intransparenz dazu, dass nicht klar ist, wie sich die Situation entwickeln wird. Vernetzte Entscheidungssituationen machen es schwer, jene Maßnahmen zu ergreifen, die nur die gewünschte Wirkung haben und keine unerwünschten Fern- und/oder Nebenwirkungen. Dynamische Entscheidungssituationen setzten den Entscheider unter Zeitdruck, da sich die Situation eigenständig fortentwickelt. Allein die Menge und Vielfalt unterschiedlichster Informationen kann zur Überforderung führen. Letztlich sind die...