Jan Georg Sodies, Fabian Eigelt
Zusammenfassung
- Eine Vielzahl von Unternehmen klagen über eine aufwendige Überleitung zwischen den Zahlenwerken von Controlling und Accounting.
- Ursächlich hierfür sind oftmals unabgestimmte Reporting-Strukturen, abweichende Wertansätze und desintegrierte Finanzsysteme in Accounting und Controlling.
- Die Umstellung auf SAP S/4HANA bietet Unternehmen die Möglichkeit, Methoden, Prozesse und das Datenmodell noch einmal neu zu denken und damit wesentliche Verbesserungen gegenüber dem Status quo zu erzielen.
- Das Redesign des Finanzdatenmodells (bspw. Kontenplan, Segmentstrukturen) mit einer zielgerichteten methodischen Konvergenz des internen und externen Rechnungswesens ist ein zentraler Erfolgsfaktor für eine zukunftssichere und effiziente Finanzfunktion.
- Zur Komplexitätsreduktion entsprechender One-Finance-Projekte eignen sich spezialisierte Projektansätze wie das Finance Integration Template® oder der SAP S/4HANA Finance Enabler für eine frühzeitige und visuelle Modellierung des Finanzdatenmodells.
1 Unterschiedliche Zahlenwerke aus Controlling und Accounting erhöhen die Komplexität in der Unternehmenssteuerung
Oftmals entstehen in der Finanzfunktion heute noch zwei Wahrheiten zum wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens. Während das Accounting vor allem die externen Berichtspflichten nach IFRS oder HGB im Blick hat, wird im Controlling häufig eine Erfolgsrechnung auf Basis kalkulatorischer Wertansätze erstellt, um die betriebswirtschaftliche Realität besser abzubilden und Fehlanreize zu kompensieren. Für das Management bedeuten diese zwei Wahrheiten jedoch vor allem eine erhöhte Komplexität:
- Erhöhter Aufwand für die Orientierung: Welche Zahlen sehe ich gerade vor mir? Auf welcher Grundlage basiert der vorliegende Bericht?
- Aufwändige Analyse mit komplexer Überleitung: Warum weichen die Zahlen voneinander ab? Welche Bewertungsunterschiede und kalkulatorischen Ansätze müssen bei der Überleitung beachtet werden? Sind die Organisationssichten (z. B. in der internen und externen Segmentberichterstattung) immer eindeutig und überscheidungsfrei?
- Erschwerte Kommunikation: Welche Zahlen kommuniziere ich nach außen an den Kapitalmarkt oder Banken aber auch Konzern-intern in Richtung der Konzernmutter?
Die erhöhte Komplexität beschränkt sich allerdings nicht nur auf die inhaltliche Seite des Reportings, sondern spiegelt sich auch in den IT-Systemen wieder. Parallele Reportingsysteme für das interne und externe Reporting sind heute noch Standard in vielen Unternehmen.
Im weiteren Verlauf dieses Artikels gehen wir darauf ein, welche Potenziale zur Integration zwischen internem und externem Rechnungswesen bestehen, wie diese Potenziale gehoben werden können und welche Herausforderungen zu beachten sind. Grundlage dafür bietet das Praxisbeispiel eines Automobilherstellers. Zwei Themenschwerpunkte werden besonders herausgehoben.
- Nicht zuletzt aufgrund der bevorstehenden Einstellung der Wartung von SAP R/3 bzw. des erhöhten Instandhaltungsaufwands für Alt-Systeme nach 2025, stehen viele Unternehmen vor der Herausforderung ihr Finanzsystem auf SAP S/4HANA neu aufzusetzen. Mit dieser Umstellung öffnet sich ein "Window of Opportunity", um Accounting und Controlling prozessual, organisatorisch und systemseitig neu aufzusetzen und bestehende Unterschiede in Methoden und dem Datenmodell aufzulösen.
- Zusätzlich ist in Betracht zu ziehen, dass die R/3-Systeme konzeptionell oftmals noch in Zeiten von HGB als führendem Rechnungslegungsstandard aufgesetzt wurden. Das HGB orientiert traditionell an den Grundsätzen des Gläubigerschutzes und des Vorsichtsprinzip. Wohingegen die IFRS den Zweck der "decision usefulness" verfolgen. Die Einführung von IFRS und die Etablierung als führender Rechnungslegungsstandard im externen Reporting in vielen Unternehmen bringt den Vorteil mit, dass die IFRS deutlich stärker die betriebswirtschaftliche Realität und das Marktumfeld berücksichtigt und damit deutlich besser für die Unternehmenssteuerung geeignet ist.
2 SAP S/4HANA als "Window of Opportunity" für ein Redesign des transaktionalen Finanzdatenmodells
Die traditionelle Trennung von externem und internem Rechnungswesen in den Finanzbereichen deutscher Unternehmen spiegelte sich sowohl in der Aufbau- und Ablauforganisation, den Berichtsstrukturen und -adressaten, als auch in der systemseitigen Abbildung der unterschiedlichen Rechenwerke wider. Während im angloamerikanischen Raum auch eine Trennung des Financial and Management Accountings vorherrscht, bezieht sich diese vorwiegend auf abgrenzbare Aufgaben für unterschiedliche Berichtadressaten – die Datenbasis ist dagegen oftmals harmonisiert.
Ganzheitliche "disruptive" Integrationsbestrebungen, welche Methodik, Prozesse und Organisation simultan adressieren, wurden aufgrund des erheblichen Ressourceneinsatzes und der bis dato mangelnden technischen Umsetzbarkeit oft verworfen.
Mit SAP S/4HANA öffnet sich nun ein “Window of Opportunity", das es ermöglicht, diese Ansätze n...