Im Kapitel 2 wurden die Einflussfaktoren im Umfeld der Unternehmenssteuerung beschrieben und welche Konsequenzen hieraus resultieren. Es wurde dargestellt, dass wir differenzieren zwischen der notwendigen Stabilität der Prozesse (Internet der Dinge) und der Agilität und den gewonnenen Freiheitsgraden für die erforderlichen kreativen Denkprozesse und die menschliche Zusammenarbeit (Internet der Menschen). Die Herausforderung liegt hierbei nicht nur in der Entkopplung der (technischen) Prozesse von den Menschen (Trennung von Unternehmenssteuerung und Unternehmensführung) und deren sinnhafter Automation, sondern insbesondere in der Gestaltung der Schnittstellen von Mensch zu Maschine.
Hierbei gibt es verschiedene Ansätze der Umsetzung, auf welche, bedingt durch die Individualität jedes Unternehmens und dessen Prozesse, nicht im Einzelnen eingegangen werden kann. Das würde den Rahmen dieser Publikation sprengen. Deshalb konzentrieren wir uns in diesem Kapitel vor allem auf die Erarbeitung der Elemente und Zielsetzung einer integrativen Unternehmenssteuerung. Im dritten Kapitel wenden wir uns dann deren Methoden und Instrumenten zu.
Das Konzept der integrativen Unternehmenssteuerung orientiert auf die Gewährleistung des Zugangs zu allen relevanten Stakeholdern und deren effektiver Kooperation bei der Erzeugung und Realisierung von Werten für die Kunden. Das bedeutet praktisch eine Abkehr von der traditionell gewachsenen, aber inzwischen weitgehend als einseitig eingestuften Ausrichtung auf die Maximierung des Gewinns. Auch der Firmenwert – mit dem Unternehmen grundsätzlich als Finanzanlagen behandelt werden – steht nicht mehr im Fokus der Unternehmenssteuerung. Die finanzielle Wertorientierung wird zu einem speziellen Instrument für die Einbindung von Investoren, zu einem Kriterium, das je nach Bedeutung der Investoren für die Positionierung des Unternehmens neben anderen Kriterien in die Steuerung einzubeziehen ist.
Das aktuelle Kapitel erläutert, warum wir als gemeinsamer Fachkreis von ICV und DGQ das Konzept der integrativen Unternehmenssteuerung entwickelt haben, ausgehend von den Grundsätzen des vom International Integrated Reporting Council (IIRC) geforderten "Integrated Thinking". Es stellt die unseres Erachtens einsetzenden Änderungen in Controlling und Qualitätsmanagement heraus. Darüber hinaus befassen wir uns mit der Kooperation und Entscheidungsfindung in der "agilen Organisation", mit der Rolle der Geschäftsprozesse und – im Sinne der langfristigen Zukunftssicherung – mit Fragen der kundengerechten Innovationsfähigkeit.
3.1 Das Konzept der integrativen Unternehmenssteuerung
Das Konzept der integrativen Unternehmenssteuerung nutzt mit dem Bezug auf das "Integrated Reporting" und "Integrated Thinking" des IIRC ein bekanntes und etabliertes Modell mit entsprechender Verbreitung, welches im ICV bereits im Rahmen des Leitfadens "Moderne Wertorientierung" beleuchtet wurde. Die zu Grunde liegende umfassende Einbeziehung aller relevanten Stakeholder und der nachhaltige Einsatz von Ressourcen entsprechen unserem Verständnis und bieten vielseitige Ansatzpunkte für eine den heutigen Ansprüchen gerechte Unternehmenssteuerung.
Die wesentlichen Ansätze mussten wir nicht grundsätzlich neu "erfinden". Es geht eher darum, sie konsequent miteinander zu verbinden (integrieren) und bis in die Top-Ebene umzusetzen.
3.1.1 Das Framework des Integrated Reporting als Basis
Die international seit vielen Jahren forcierte Suche nach einer erweiterten Basis für moderne Formen der Unternehmenssteuerung führte 2010 zur Gründung des International Integrated Reporting Council (IIRC), in dem sich neben großen Unternehmen aus allen Wirtschaftsräumen der Erde und wichtigen Wirtschaftsprüfungsorganisationen auch die beiden bedeutendsten Standardsetter IASB und FASB zusammengeschlossen haben. Im Dezember 2013 veröffentlichte das IIRC ein Rahmenwerk für ein Integratives Reporting, das zu einer veränderten Sicht auf die Steuerung von Unternehmen einlud. Das erklärte Ziel bestand darin, separate Unternehmensberichterstattungen zusammenzuführen, um für die verschiedenen, in jedem Unternehmen zusammenwirkenden Interessengruppen (Stakeholder) eine inhaltliche Verknüpfung der unternehmerischen Erfolgsfaktoren zu erreichen und die jeweiligen Zusammenhänge aufzuzeigen. Ob sich hieraus, wie vom IIRC gewünscht, ein neuer Reportingstandard für Unternehmen entwickeln wird, bleibt abzuwarten. In jedem Fall bietet das Framework eine belastbare Basis und ein solides Fundament für die Entwicklung eines integrativen Denkens (Integrated Thinking), mit dessen Hilfe sich wiederum der Weg zu einer Integrativen Unternehmenssteuerung bauen lässt. (s. Abb. 7).
Abb. 7: Modell des Integrated Reporting, IIRC 2013
Dabei geht es zum einen um die Akzeptanz der Komplexität menschlicher Zusammenarbeit bei der Erzeugung und Vermarktu...