Grundsätzlich lassen sich wie beim menschlichen Denken ein schnelles und ein langsames Steuerungssystem unterscheiden.
Das schnelle System hat per se eine hohe Dynamik, da bestimmte Reize immer gleiche Reflexe auslösen. Dies ist durch einen hohen Automatisierungsgrad zu erreichen. Wir können zwischen menschenbasierter und technologischer Automatisierung unterscheiden.
- Menschenbasierte Automatisierung: Definition der Steuerungs- und Entscheidungsprämissen bis hin zu eindeutigen Wenn-Dann-Festlegungen (Kausalprogramme, Prozessbeschreibungen) und der Erarbeitung von in technischen Systemen nutzbaren Algorithmen.
- Technologische Automatisierung: Nutzung von technischen Systemen mit Algorithmen bis hin zu künstlicher Intelligenz (KI).
Automatisierte Entscheidungen schränken Handlungs- und Selbststeuerungsautonomie ein; deshalb ist es wichtig für Führungskräfte, Controller und Qualitätsmanager zu differenzieren, welche Trigger zu automatischen Entscheidungen führen und welche zu individuellen.
Das langsame, reflektierte System soll so schnell und dynamisch wie nötig sein – aber nicht schneller. Insbesondere in komplexen Situationen, in denen eine klare Ursache-Wirkungs-Beziehung nicht erkennbar ist, sind mehr inkrementell-iteratives und experimentelles Vorgehen bei Entscheidungen sinnvoll. Außerdem müssen Entscheidungen dieser Art leichter revidiert werden können. Das erfordert Zeit, Verantwortung und ein Gespür für die Situation und den "richtigen" Zeitpunkt. Das langsame Steuerungssystem bleibt daher eine Domäne des Menschen.
Es ist schwierig abzuwägen, wann eine Entscheidung schnell und automatisch und wann sie reflektiert und eher abwartend getroffen werden müssen. Deshalb bleibt auch bei der integrativen Unternehmenssteuerung gute Führungsarbeit nicht nur ein Beruf, sondern auch eine Kunst. Das ist ein weites Feld und wäre ein Thema für ein gesondertes Buch. Wir wollen uns hier auf die Möglichkeiten und Erfordernisse der Dynamisierung konzentrieren.
Wie können wir die Werkzeuge und Methoden der Unternehmenssteuerung dynamisieren?
Die wichtigste Möglichkeit besteht in der Strukturierung und einer darauf aufbauenden Automatisierung von Geschäfts- und Entscheidungsprozessen.
Viele Entscheidungen basieren auf Daten und Informationen aus bekannten Quellen. Dies können Entscheidungen im Einkauf, im Marketing oder im Finanzmanagement sein, also z. B. Lieferantenauswahl, Schaltung von Werbeanzeigen oder Geldanlagen betreffen. Genauso, wie man Geschäftsprozesse mit einer Notation beschreibt (Business Process Model and Notation, BPMN – deutsch: Geschäftsprozess-Modell und -Notation), gibt es eine Notation für solche Entscheidungen. Die Decision Modeling Notation (Entscheidungsmodell-Notation, DMN), erlaubt es, strukturierte Entscheidungen klar zu beschreiben und dann über entsprechende Workflowsysteme zu automatisieren. Die zu einem solchen Decision Requirements Diagram (Diagramm der Entscheidungserfordernisse, DRD) gehörigen Elemente sind (s. Abb. 17):
Abb. 17: Elemente des Decision Requirements Diagram (DRD)
Die Notationen beschreiben somit, aus welchen Datenquellen in welchen Geschäftssituationen mit welcher Entscheidungslogik eine Entscheidung getroffen werden soll. Diese Beschreibung ist alleine schon sinnvoll, um sich über die Struktur von Entscheidungen Gedanken zu machen und diese nicht mehr "aus dem Bauch heraus" treffen zu müssen. So steigt die Transparenz in den Geschäftsabläufen deutlich und sie ist weniger personenabhängig.
Ein Machine Learning Algorithmus kann auf dieser Basis die Entscheidungsqualität laufend verbessern. Dazu gilt es, den geeigneten Algorithmus auszuwählen und korrekt zu parametrisieren. Aber auch die vollständige und korrekte Beschreibung der Datengrundlagen ist wichtig. Dabei gilt grundsätzlich die menschliche Entscheidung als Vorbild. Menschen machen jedoch systematische Fehler in der Entscheidungsfindung. Daher ist es wichtig, sich mit den verschiedenen Entscheidungstheorien und der Verhaltensökonomie des Menschen bei Entscheidungen zu beschäftigen. In diesem Zusammenhang ist Wissen notwendig über
- die präskriptive Entscheidungstheorie, die sich mit dem Treffen der rational richtigen Entscheidung auseinandersetzt und
- die deskriptive Entscheidungstheorie, die sich mit den typischen Fehlern, die der Mensch als Entscheider macht beschäftigt.
Automatisierte Entscheidungen sind teilweise bereits im täglichen Einsatz. Die dahinter stehenden Systeme werden auch Automated-Decision-Making-System (ADM-Systeme) genannt.
Ein typisches Entscheidungsszenario sind Klassifikationen auf der Basis von Erfahrungen. So treffen Algorithmen Entscheidungen zur Bewerberauswahl, die deutlich über einen schematischen Abgleich von Anforderungskriterien und Bewerbungsangaben hinausgeht. Derzeit dürfen solche Entscheidungen, die zu deutlichen Einschränkungen von Menschen führen (also ihnen z. B. einen Job nicht geben), gemäß Art. 22 Abs. 1 DSGVO nicht ausschließlich durch Maschinen getroffen werden. Hier unterstützt di...