Prof. Dr. Reinhold Hölscher, Dr. Matthias Michael Nelde
1.1 Kapitalwertmethode zur Investitionsbewertung
Ein sowohl in der Theorie wie auch in der Praxis häufig angewandtes Investitionsbewertungsverfahren ist die Kapitalwertmethode. Hierbei werden die für den Planungszeitraum prognostizierten Zahlungsüberschüsse mit einem zuvor festgelegten Kalkulationszinssatz auf den Entscheidungszeitpunkt abgezinst.
Mit |
C0 |
= |
Kapitalwert der Investition |
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I0 |
= |
Investitionsauszahlung in t = 0 |
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Rt |
= |
Rückfluss der Periode t (= Einnahmen Et – Ausgaben At) |
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i |
= |
Kalkulationszinssatz |
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t |
= |
Periode (t = 0, 1, 2, …, n) |
Da die Investitionsauszahlung im Entscheidungszeitpunkt t = 0 bereits in dem Kapitalwert berücksichtigt wird, ist ein positiver Kapitalwert mit der Erzielung eines über die eingesetzten Mittel und die Verzinsung der jeweils noch ausstehenden Beträge hinausgehenden Überschusses gleichzusetzen. Folglich sollte eine Investition immer dann durchgeführt werden, wenn sich ein positiver Kapitalwert ergibt.
Aspekte der Vorteilhaftigkeit einer Investition
Die Vorteilhaftigkeit einer Investition wird jedoch durch verschiedene Aspekte beeinflusst. Zum einen führen variierende Zahlungsüberschüsse zu unterschiedlichen Kapitalwerten, zum anderen hat der Kalkulationszinssatz Einfluss auf den Kapitalwert. Ebenfalls sind Unternehmen und Investoren verpflichtet, durch die Zahlung von Steuern den Staat an ihren wirtschaftlichen Tätigkeiten und ihrem wirtschaftlichen Erfolg partizipieren zu lassen. Im Rahmen von unternehmerischen Entscheidungen sind Steuerzahlungen von erheblicher Bedeutung und müssen somit auch bei der Investitionsentscheidung berücksichtigt werden. Steuerzahlungen können dabei bewirken, dass
- sich die Vorteilhaftigkeit einer Investition verringert,
- aus einer unvorteilhaften Investition durch die Steuerwirkungen eine vorteilhafte Investition wird (sog. Steuerparadoxon),
- sich die Rangfolge bei der Betrachtung von mehreren Investitionsalternativen gegenüber dem Nichtsteuer-Fall verändert,
- sich die optimale Nutzungsdauer von Investitionsobjekten durch die Wirkungen von Steuern verändert.
Ist einer dieser Effekte bei der Investitionsbewertung zu erwarten, sind für eine entscheidungsrelevante Investitionsbeurteilung Steuerzahlungen zu berücksichtigen. Im Folgenden ist hierfür zunächst eine Systematisierung der Steuerarten notwendig.
1.2 Notwendigkeit der expliziten Steuerberücksichtigung
Der Staat partizipiert in Form der Ertragsteuern an der Einkommens- und Ertragserzielung von natürlichen und juristischen Personen. Zu dieser Steuerart zählen beispielsweise die Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer und die Gewerbesteuer sowie der Solidaritätszuschlag, der sich als Annexsteuer wiederum an der Höhe der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer bemisst.
Daneben findet in Deutschland in einigen Fällen eine Besteuerung der Vermögenssubstanz statt. Beispiele für diese Substanzsteuern sind die Grundsteuer sowie die Erbschaft- und Schenkungsteuer.
Die dritte Ausprägungsform von Steuern orientiert sich an der Einkommens- und Vermögensverwendung. Diese sog. Verkehr- und Verbrauchsteuern können zum einen beim Erwerb von Vermögensgegenständen, zum anderen im Rahmen des Konsums anfallen. Beispiele hierfür sind die Grunderwerbsteuer und die Umsatzsteuer.
Es ist davon auszugehen, dass sowohl die Substanzsteuern als auch die Verkehr- und Verbrauchsteuern bereits in den Zahlungsüberschüssen der Periode Berücksichtigung finden. Beispielsweise wird bei Kauf eines Grundstücks die Grunderwerbsteuer fällig, die dem Kaufpreis hinzugerechnet werden kann. Sie führt zu einem Abfluss liquider Mittel und kann direkt als Auszahlung berücksichtigt werden. Bei Ertragsteuern trifft dies hingegen nicht zu. Es wird deutlich, dass sich Steuersysteme durch eine hohe Komplexität mit einer Vielzahl von unterschiedlichen Steuerarten auszeichnen, die auf Basis von unterschiedlichen Bemessungsgrundlagen und Steuersätzen ermittelt werden.
Um eine geringere Komplexität bei der Berechnung zu erhalten, wird oftmals ein vereinfachtes Steuersystem für die Investitionsbewertung unterstellt. So ist es zunächst zweckmäßig, zwischen Kosten- und Gewinnsteuern zu unterscheiden. Kostensteuern (z. B. Kraftfahrzeugsteuer, Grundsteuer, Mineralölsteuer) stellen aus der Perspektive des Unternehmens Kosten dar und lassen sich ohne großen Aufwand als zusätzliche Auszahlung in den Zahlungsstrom der Investition integrieren.
Dagegen ist die Berücksichtigung der Gewinnsteuern (z. B. Körperschaftsteuer, Gewerbeertragsteuer, Einkommensteuer) komplizierter und mit höherem Aufwand verbunden. Gewinnsteuern müssen auf das Einkommen und den Gewinn geleistet werden. Für die Ermittlung des Einkommens oder des Gewinns ist die Betrachtung des Investitionszahlungsstroms jedoch nicht ausreichend. Zusätzlich müssen weitere zahlungswirksame und nichtzahlungswirksame Aufwand- und Ertragsgrößen bei der Einkommens- bzw. Gewinnermittlung berücksichtigt werden.
1.3 Annahmen der Investitionsbewertung unter Steuern
Damit der Aufwand für die Ermittlung der Steuerwirkungen in einem vertretbaren Verhältnis zum Nutzen in Form einer realitätsnäheren Investitionsbeurteilung steht, werden oftmals folgende vereinfachende...