Prof. Dr. Reinhold Hölscher, Dr. Matthias Michael Nelde
2.1 Integration in die Kapitalwertmethode
Im Standardmodell werden die Wirkungen von Steuern sowohl im Zahlungsstrom als auch im Kalkulationszinssatz berücksichtigt. Steuerzahlungen werden unmittelbar zahlungswirksam und verändern den ursprünglichen Zahlungsstrom der Investition, der Zahlungsstrom nach Steuern weicht somit vom ursprünglichen Zahlungsstrom ab. Dabei ist zu berücksichtigen, dass zur Berechnung der Steuerzahlungen nur der Abschreibungsaufwand vom Periodenüberschuss abgezogen wird. Die Zinsaufwendungen bzw. -erträge werden dagegen im Zahlungsstrom nicht direkt berücksichtigt, sondern wie bereits im klassischen Kapitalwertkriterium, durch den Kalkulationszinssatz abgebildet.
Zur Berücksichtigung der Auswirkungen von Zinsaufwendungen und -erträgen auf die Steuerzahlungen muss der Kalkulationszinssatz angepasst werden. Durch die Anpassung ist sicherzustellen, dass die Steuerwirkungen auch im Vergleichsmaßstab berücksichtigt werden:
- Bei einer opportunitätsorientierten Ableitung des Kalkulationszinssatzes ist zu berücksichtigen, dass auch die Erträge der Opportunität zu versteuern sind. Somit ist als Kalkulationszinssatz die Nachsteuer-Rendite der Opportunität zu verwenden. So kann sichergestellt werden, dass der Nachsteuer-Zahlungsstrom der Investition mit einer versteuerten Alternative verglichen wird.
- Dagegen ist bei der finanzierungsorientierten Ableitung des Kalkulationszinssatzes zu berücksichtigen, dass die Zinszahlungen einen Aufwand darstellen und den zu versteuernden Gewinn verringern. Dadurch wird ein Teil der zu zahlenden Zinsaufwendungen durch die verringerte Steuerzahlung kompensiert, sodass der effektive Zinsaufwand geringer ausfällt. Dieser geringere Zinsaufwand wird durch eine Korrektur des Kalkulationszinssatzes berücksichtigt.
Sofern der opportunitäts- und finanzierungsorientierte Vorsteuer-Kalkulationszinssatz identisch ist, resultiert durch die Steuerkorrektur auch ein einheitlicher Nachsteuer-Kalkulationszinssatz. Insgesamt führt die Berücksichtigung von Steuerzahlungen bei einem positiven Steuersatz zu einem niedrigeren Kalkulationszinssatz. Die Berechnung des steuerkorrigierten Zinssatzes iSt ist mit der folgenden Formel möglich:
mit: |
i |
= |
Kalkulationszinssatz |
|
s |
= |
einheitlicher Steuersatz |
|
iSt |
= |
steuerkorrigierter Zinssatz |
Zur Berechnung des Zahlungsstroms nach Steuern werden vom ursprünglichen Zahlungsstrom die Steuerzahlungen abgezogen. Für die Berechnung der periodischen Steuerzahlung wird die Differenz zwischen dem Periodenüberschuss und den Abschreibungen mit dem einheitlichen Steuersatz multipliziert:
mit: |
Rt |
= |
Periodenüberschuss |
|
AfA |
= |
Abschreibungen |
Der Zahlungsstrom nach Steuern wird mit dem steuerkorrigierten Zinssatz diskontiert, um den Kapitalwert nach Steuern zu berechnen:
2.2 Beispielhafte Anwendung des Standardmodells
Die Anwendung des Standardmodells soll anhand einer Beispielinvestition verdeutlicht werden. Der Vorsteuer-Zahlungsstrom ist in der folgenden Tabelle enthalten, der Kalkulationszinssatz beträgt 10 %. Ohne die Berücksichtigung von Steuern weist die Investition einen Kapitalwert in Höhe von 1.684,31 EUR auf, die Investition ist somit vorteilhaft.
Zeitpunkt (t) |
0 |
1 |
2 |
3 |
4 |
Zahlungen |
–30.000 |
9.000 |
11.000 |
11.000 |
9.000 |
Im Rahmen der Investitionsbewertung sollen nun auch Steuerzahlungen berücksichtigt werden. Der einheitliche Steuersatz auf die Gewinne des Unternehmens beträgt s=30 %. Die Investitionsauszahlung von 30.000 EUR soll gleichmäßig über die vier Perioden der Investitionslaufzeit abgeschrieben werden, sodass periodische Abschreibungen in Höhe von 7.500 EUR (= 30.000 : 4) resultieren. Zunächst ist der steuerkorrigierte Kalkulationszinssatz zu bestimmen, dieser beträgt 7 %.
Für die Kapitalwertberechnung wird der Zahlungsstrom nach Steuern benötigt. Die Zahlungen der einzelnen Perioden verringern sich dabei um die positiven Steuerzahlungen und erhöhen sich, wenn negative Steuerzahlungen aufgrund eines Periodenverlusts anfallen. Im betrachteten Beispiel verringert sich somit die Zahlung der ersten Periode von 9.000 EUR auf 8.550 EUR (= 9.000 – 0,3 x 9.000 – 7.500).
Auf Basis des Nachsteuer-Zahlungsstroms kann mithilfe des steuerkorrigierten Zinssatzes anschließend der Kapitalwert nach Steuern in Höhe von 1.326,29 EUR berechnet werden:
Auch bei der Berücksichtigung von Steuern bleibt die Investition vorteilhaft, jedoch hat sich der Kapitalwert im Vergleich zum Nichtsteuer-Fall verringert. Während der Investitionslaufzeit müssen im ersten und im vierten Jahr jeweils 450 EUR Steuern gezahlt werden, im zweiten und dritten Jahr fallen sogar Steuerzahlungen von je 1.050 EUR an. Da jedoch der Kalkulationszinssatz durch die Steuerberücksichtigung von 10 % auf 7 % sinkt, wird ein Teil der zusätzlichen Auszahlungen kompensiert, sodass der Kapitalwert nur um 358,02 EUR (= 1.684,31 – 1.326,29) sinkt.
2.3 Das Steuerparadoxon im Standardmodell
Im zuvor betrachteten Beispiel ist der Kapitalwert durch die Berücksichtigung von Steuern gesunken. Die Berücksichtigung von Steuern führt jedoch nicht zwangsläufig zu einer Verringerung des Kapitalwerts. Auch eine gegenläufige Entwicklung des Kapitalwer...