Johannes Scheutz, Christina Schlager
Die Kernherausforderung in der Umsetzung der Soll-Prozess-Konzeption lag vor allem darin, die spezifischen Ziele der Prozessdigitalisierung (hier vor allem: höhere Prozesseffizienz und Datenqualität) operativ zu quantifizieren. Darüber hinaus mussten diese Ziele anhand von Verantwortlichkeiten und Kennzahlen, die auf die Erreichung der Ziele einzahlen, in einem Steuerungsprozess zur Soll-/Ist-Steuerung und Maßnahmenableitung vereint werden.
Insbesondere die Tatsache, dass die Prozesssicht des Invoice-to-Pay über verschiedene funktionale Bereiche hinweg verläuft und bei Plasser & Theurer sowohl Verantwortliche des Rechnungswesens, des Einkaufs und der Finanzabteilung umfasst, stellte eine Herausforderung dar, die es in der operativen Prozesssteuerung zu beachten galt. Konkret war es notwendig, Verantwortlichkeiten aus allen wesentlichen Funktionsbereichen zu benennen und deren Verantwortungsbereich anhand des End-to-End-Prozesses zu konkretisieren. Hierbei mussten wesentliche Prozessschritte und insbesondere Schnittstellen beachtet werden, da diese Schnittstellen zwischen Sub-Prozessen oft die Grenze für die aktive Beeinflussbarkeit eines Funktionsbereichs darstellen. Nur wenn es klare Prozessrollen gibt, die mit funktionalen Verantwortlichkeiten abstimmbar und mit der Verantwortung für einzelne Prozessschritte versehen sind, stiftet die Bewertung im Rahmen des Steuerungsprozesses einen Mehrwert. Dazu zählen ebenso die Steuerungskennzahlen, welche genau auf die Messung der Prozessziele entlang der Verantwortlichkeiten abzielen.
Neben den Herausforderungen in der "reinen" operativen Abwicklung der Soll-Prozesse, mussten zusätzlich auch Aufgaben des Change-Managements mitgedacht werden, da nicht zwingend für alle beteiligten Stakeholdergruppen der Nutzen oder Hintergrund der definierten Soll-Prozesse sichtbar sein muss. Hier galt es in der Messung und Analyse der Prozesse über eine Ursachen-Analyse die Bedarfe verschiedener Beteiligter zu identifizieren und mit gezielten Kommunikationsmaßnahmen zu adressieren (z. B. Schulungen, Interventionen). Bei Plasser & Theurer wurden konkret drei Stellhebel ergriffen, um die Sicherstellung der Prozessziele anhand gezielter Maßnahmen sicherzustellen.
3.1 Definition von Prozessrollen und Verzahnung mit Prozessverantwortlichkeiten
Die Definition von Prozessrollen zur operativen Steuerung war aus zwei Gesichtspunkten heraus notwendig. Einerseits erfüllen die Prozessverantwortlichen eine Art Key-User- bzw. Experten-Funktion für einzelne Prozessschritte und fungieren als Ansprechpartner bei Rückfragen oder der Aufnahme von zu klärenden Themen. Andererseits sind die Prozessverantwortlichen eine Voraussetzung, um entsprechende Prozess-Kennzahlen und die Entwicklung dieser, inkl. etwaiger Maßnahmen zur Korrektur, sinnvoll nachverfolgen und steuern zu können. Um den Betrieb des Prozesses vollständig zu gewährleisten, sind hier nicht nur fachliche Rollen, sondern auch technische Rollen (für Systemwartung und Systemerweiterung) zu definieren.
Um den End-to-End-Prozess Invoice-to-Pay in Richtung gesamtheitlicher Steuerung, Abstimmung mit den funktionalen Schnittstellen und strategischer Weiterentwicklung auszurichten, war auch die Benennung eines Gesamtprozessverantwortlichen notwendig. Dieser orchestriert in der Steuerung die Maßnahmen auf Sub-Prozess-Ebene und ist gleichzeitig Ansprechpartner aller Key User bei übergreifenden Fragestellungen. Bei Plasser & Theurer wurden die in Abbildung 4 dargestellten Prozessrollen definiert.
Abb. 4: Prozessrollen mit Zuordnung zu I2P-Prozess
3.2 Operationalisierung der Prozess-Ziele anhand von prozessorientierten Kennzahlen
Auf Basis von übergeordneten Prozess-Zielen, dem definierten Soll-Prozess und den Prozessrollen und -verantwortlichkeiten mussten in der Folge aussagekräftige Steuerungskennzahlen definiert werden.
Folgende Grundanforderungen wurden bei der Kennzahlendefinition beachtet:
- Kennzahlen müssen Anforderungen der SMART-Regeln erfüllen (spezifisch, messbar, akzeptiert, realistisch und terminiert)
- Kennzahlen müssen einen klaren Prozessbezug aufweisen und den definierten Prozessverantwortlichen hinsichtlich Beeinflussbarkeit klar zugeordnet werden
- Kennzahlen müssen auf Basis vorhandener Daten ausgewertet werden können
- Kennzahlen müssen mit Ziel- und Toleranzwerten hinterlegt werden, um bei Abweichungen Maßnahmen ableiten zu können
Auf Basis der Anforderungen wurden die in Abbildung 5 dargestellten Kennzahlen als relevant für die operative Prozesssteuerung ausgewählt
Abb. 5: Kennzahlen-Übersicht für operative Steuerung des Invoice-to-Pay-Prozesses
Um hinsichtlich der inhaltlichen Definition und Interpretation der einzelnen Kennzahlen für die am Steuerungsprozess beteiligten Stakeholder Klarheit zu schaffen, wurden je Kennzahl die wesentlichen Parameter in Form von kurzen Kennzahlensteckbriefen beschrieben (siehe das exemplarische Beispiel in Abbildung 6). Anhand dieser Steckbriefe wurden neben der Berechnungslogik, den Zielwerten und Festlegungen zur Interpretation auch vermerkt, auf welches Prozessziel die Kennzahl einzahlt und durch wen die Kennzahl inhaltlich verantwortet wird.
Abb. 6: Exemplarischer Ken...