Kapitalbindung reduzieren, Innenfinanzierung optimieren
Ein effizientes Working Capital Management ist für jedes Unternehmen von größter Bedeutung, um mit ganzheitlichem Blickwinkel Liquidität und Rentabilität zu verbessern. Ziel ist es, die Kapitalbindung im Unternehmen zu reduzieren und die Innenfinanzierung zu optimieren. Denn die Beschaffung von Vorräten bindet Finanzressourcen, die erst bei Bezahlung der Produkte und Dienstleistungen durch den Kunden wieder in Form von liquiden Mitteln freigesetzt werden.
Für Optimierungszwecke des Working Capitals ist es daher erforderlich, folgende Kennzahlen zu beobachten:
- Kundenziel (oder Forderungslaufzeit) in Tagen
- Lieferantenziel (oder Verbindlichkeitenlaufzeit) in Tagen
- Lagerdauer in Tagen
Hieraus resultiert die Kennzahl Kapitalbindungsdauer. Sie gibt an, wie lange das Kapital durch Vorgänge gebunden ist und durch diese Vorgänge Liquiditätsgewinne in das Unternehmen zurückfließen.
3.1 Kundenziel in Tagen
Das Kundenziel in Tagen (KZT) oder Forderungslaufzeit beschreibt die durchschnittliche Dauer, die die Kunden für den Ausgleich der Rechnungen in Anspruch nehmen:
Kundenziel (Tage): |
KZT = |
Forderungen aus Lieferungen + Leistungen |
× 365 |
Umsatzerlöse + USt |
Je länger das Kundenziel dauert, desto länger gewährt das Unternehmen seinen Kunden einen Kredit. Die Kennziffer ist also ein Indiz für ein stringentes Forderungsmanagement. Sie liefert Anhaltspunkte dafür, ob die Lieferkonditionen möglicherweise verändert werden sollten, das Mahnwesen zu überprüfen und eventuell die Werthaltigkeit der Forderungen in Frage zu stellen ist.
Im Fallbeispiel zeigte das Kundenziel anfangs eine positive Entwicklung, die jedoch später eine Trendwende nahm:
Jahr 1 |
Jahr 2 |
Jahr 3 |
Jahr 4 |
Jahr 5 |
96,7 |
27,3 |
7,5 |
18,3 |
88,7 |
Hohes Kundenziel weist auf schlechtes Forderungsmanagement hin
In den Anfangsjahren hat das Unternehmen überwiegend mit Vorkassezahlungen gearbeitet. Bei Auftragseingang wurde grundsätzlich eine Anzahlung fällig, weitere Abschlagszahlungen erfolgten nach Fortschritt des Auftrages. So gab es im Jahresverlauf kaum Außenstände, weil schon ein wesentlicher Anteil des Auftragsvolumens unmittelbar vor Auftragsdurchführung bezahlt war.Diesen bewährten Liquiditätspfad hat die Geschäftsführung im 4. Jahr verlassen. Das Umsatzwachstum erzielte die Firma jetzt im Wesentlichen mit Auslandsgeschäften, größtenteils sogar außerhalb Europas. Diese Aufträge waren zwar deutlich margenträchtiger als die inländischen Aufträge, die gewohnten Abrechnungsmodalitäten konnten jedoch nicht mehr umgesetzt werden.
Veränderte Abrechnungsmodalitäten beeinflussen Kundenziel erheblich
Das Ausfallrisiko stieg, was sich bereits im 4. Jahr mit einer Erhöhung des Kundenziels abzeichnete. Hier hätte man schon Vorsichtsmaßnahmen einleiten können (zum Beispiel durch Vorkassezahlungen für alle Geschäftsvorgänge oder durch Letter of Credit für die außereuropäischen Abschlüsse). Stattdessen mündete das fünfte Jahr mit dem Ausbleiben einer Zahlung eines größeren ausländischen Auftrages unweigerlich im Crash. Die nötige Liquidität für die eingegangenen Verpflichtungen stand nicht mehr zur Verfügung.
3.2 Lieferantenziel in Tagen
Das Lieferantenziel (oder Verbindlichkeitenlaufzeit) in Tagen (LZT) beschreibt die durchschnittliche Dauer, die die Kunden für den Ausgleich der Rechnungen in Anspruch nehmen:
Lieferantenziel (Tage): |
LZT = |
Verbindlichkeiten L+L |
× 365 |
Materialaufwand + Fremdleistungsaufwand + sonstiger betrieblicher Aufwand + USt |
Veränderungen beim Lieferantenziel zeigen Risiken beim Geschäftsmodell an
Je länger das Lieferantenziel dauert, desto länger nimmt das Unternehmen Lieferantenkredite in Anspruch. Ein kurzes Lieferantenziel bedeutet: Die Kalkulation des Geschäftsmodelles passt grundsätzlich und das Unternehmen bemüht sich, Skontomöglichkeiten durch frühzeitige Bezahlung der Lieferantenrechnungen zu nutzen. Ein langes Lieferantenziel dokumentiert: Die Firma generiert eventuell unzureichende Margen, betreibt ein inkonsequentes Debitorenmanagement oder befindet sich womöglich in Liquiditätsschwierigkeiten.
Im Fallbeispiel zeigt das Lieferantenziel folgende Tendenz:
Jahr 1 |
Jahr 2 |
Jahr 3 |
Jahr 4 |
Jahr 5 |
96,8 |
39,7 |
44,3 |
76,4 |
71,8 |
Die Kennzahl Lieferantenziel in Tagen korreliert mit der Kennzahl Kundenziel in Tagen. Je besser das Forderungsmanagement ist, desto besser ist auch das eigene Zahlungsverhalten gegenüber den Lieferanten.
Vergleich von Kundenziel und Lieferantenziel zeigt Form der Wachstumsfinanzierung auf
Allerdings zeigt die Gegenüberstellung von Kundenziel und Lieferantenziel auch, dass trotz steigender Umsätze (und damit auch Liquiditätszuflüsse ins Unternehmen) das Lieferantenziel von Jahr zu Jahr nach hinten verschoben wurde. Die Differenz zwischen Kundenziel und Lieferantenziel vergrößert sich. Das ist im Sinne der Innenfinanzierung grundsätzlich vorteilhaft für ein Unternehmen. Es zeigt hier aber auch, dass Wachstum zu Lasten der Lieferanten finanziert wurde.
|
Jahr 1 |
Jahr 2 |
Jahr 3 |
Jahr 4 |
Jahr 5 |
KZT |
96,7 |
27,3 |
7,5 |
18,3 |
88,7 |
LZT |
96,8 |
39,7 |
44,3 |
76,4 |
71,8 |
Diff. |
–0,1 |
–... |