Zusammenfassung
- Start-ups mit digitalen Geschäftsmodellen müssen Investoren mit ihren Kennzahlen überzeugen. Doch welche KPIs werden für die Bewertung herangezogen?
- Für das Verständnis dieser Bewertung werden in diesem Beitrag zunächst die Besonderheiten digitaler Geschäftsmodelle und deren typische Phasen vorgestellt. Anhand von Beispielen werden die Besonderheiten und die operativen Kennzahlen erläutert.
- Abschließend werden die Kennzahlen vorgestellt, anhand derer Investoren über Erst- und Folgeinvestitionen in ein digitales Geschäftsmodell entscheiden.
1 Neue Regeln für das Profitabilitätscontrolling
Durch die neuen technologischen Entwicklungen, insbesondere Digitalisierung haben sich in den vergangenen Jahren neue Preis- und Geschäftsmodelle wie z. B. pay-per-use entwickelt. Im Hinblick auf die Bewertung von neuen Produkten, Services und Ideen zeigen die klassischen Bewertungsmethoden keine schlüssigen Entscheidungsgrundlagen für diese digitalen Geschäftsmodelle. Aus diesem Grund müssen auch die Regeln eines Profitabilitätscontrolling in digitalen Geschäftsmodellen angepasst werden. In frühen Phasen sind die Leistungen eines digitalen Produkts in einem Start-ups oder in einem Wachstumsprojekt im Unternehmen stark abhängig von dessen Wachstumsfähigkeit und weniger von Finanzergebnissen. Abb. 1 zeigt, dass sich die Wachstumsphase in eine frühe und späte Phase unterteilt, bis schließlich ein digitales Produkt sich im klassischen Bewertungsmodell etabliert. In der frühen Phase ist das Wachstum der User bzw. Nutzer inkl. eines sich stetig ausdehnenden Netzwerkes Schlüssel für den Erfolg. In der späten Wachstumsphase wächst die Nutzerbasis weiterhin langsam an, aber das Umsatzwachstum wird durch die Einführung von bezahlpflichtigen Features (Services) signifikant gesteigert. Die Profitabilität ist für ein "etabliertes Geschäft" die gewohnt am besten geeignete Steuerungsgröße des Controllings.
Abb. 1: Digitale Geschäfte folgen einem eigenen Wertschöpfungspfad mit geringer GuV-Relevanz in den ersten Jahren
2 Digitale vs. klassische Geschäftsmodelle
In den ersten Jahren folgen alle digitalen Geschäfte einem eigenen Wertschöpfungspfad mit geringer Relevanz für die Gewinn- und Verlustrechnung (GuV). Nachfolgend werden die drei Phasen mit ihren Eigenschaften, ihren Besonderheiten und ihren operativen Kennzahlen erläutert.
2.1 Phase I: Frühe Wachstumsphase
Ein Start-up hat in der frühen Phase das Ziel, eine große Nutzerbasis zu schaffen und einen Netzwerk-Effekt zu generieren (s. Abb. 2). Netzwerk-Effekte drücken aus, dass das Verhalten einer Person mindestens das Interesse (B2C) oder das Wohlergehen (B2B) einer anderen Person beeinflusst. Das bedeutet, je mehr Nutzer hinzukommen, desto mehr Skaleneffekte entstehen und die Attraktivität steigt für weitere unentschlossene Personen/Unternehmen weiter an, sich als Nutzer dem Netzwerk anzuschließen. Die meisten Unternehmen und Kapitalgeber sind sich sicher, dass Technologiemärkte nach dem Prinzip "Gewinner-erhält-am-Meisten" funktionieren. Das Unternehmen, das sich früh etablieren kann, wird mit überproportionalem Anteil profitieren.
Abb. 2: Schaffung einer großen Nutzerbasis und Generierung eines Netzwerk-Effekts in den ersten Jahren
In dieser Phase ist es wichtig, dass das Minimum Viable Product (MVP) den Sprung erst von den Innovatoren zu den Erstanwendern schafft, sich dann aber auch weiter zu den Nutzern der Frühen Mehrheit ausbreitet. Das Wachstum der Userbasis wird weiter beschleunigt, in dem das MVP angepasst oder zusätzliche neue Features/Services angeboten werden, die andere "Innovatoren" und "Erstanwender" als neue Nutzer ansprechen. In Abb. 3 sind Verhalten und die Gründe der Kunden für die 5 Gruppen Innovatoren, Erstanwender, Frühe Mehrheit, Späte Mehrheit und Nachzügler beschrieben. In der frühen Phase muss der Sprung von den Innovatoren und Erstanwendern zur Mehrheit erreicht werden, da Innovatoren und Erstanwender nur 16 % der ganzen Nutzerbasis darstellen.
Abb. 3: Klassische Einführungskurve zeigt nur 16 % Erstanwender
Um das Nutzerwachstum zu fördern, ist die Minimierung von Hürden für die Akquise entscheidend. Dafür können die Erfolgsfaktoren oder Probleme in einem Customer Funnel als KPIs herangezogen werden (s. Abb. 4).
- Wie viel Prozent der Adressaten eines Newsletters besuchen die Homepage?
- Was interessiert, was interessiert den Besucher nicht an der Homepage?
- Wie viele steigen aus vor der Nutzer-Registrierung?
- Warum wird eine Registrierung abgebrochen? Im B2C Bereich bricht der Customer Funnel häufig im Eingabebereich persönlicher Daten oder die Frage nach der Kontonummer ab.
- Welche Services werden nach der Erstanmeldung genutzt?
- Wie viele User kommen wieder für weitere Services?
Abb. 4: Customer Funnel neu definiert
Im Gegensatz zu klassischen Wachstumsmodellen einer Produkterweiterung oder einer regionalen Ausbreitung mit linearen Wachstumskoeffizienten bieten digitale Produkte die Option auf exponentielle Wachstumskurven von Nutzern. Wie oben beschrieben sind eine kontinuierliche Pipeline von neuen Services/Features und die Nutzerregistrierung ohne Hürden der differenzierende Faktor zwischen e...