Prof. Dr. Reinhold Hölscher, Dr. Rainer Bonn
Zusammenfassung
Als Leverage-Effekt wird im Allgemeinen der Einfluss des Verschuldungsgrads auf die Eigenkapitalrentabilität eines Unternehmens bezeichnet, wobei der Verschuldungsgrad i.d.R. als Quotient aus dem vorhandenen Eigenkapital und dem bestehenden Fremdkapital definiert ist. Der Verschuldungsgrad drückt somit aus, wie viel Fremdkapital pro Geldeinheit Eigenkapital aufgenommen wurde.
1 Korrelationen zwischen Eigenkapital und Fremdkapital
Das Fremdkapital ist üblicherweise unabhängig von der Höhe des Gewinns mit einem festen Zinssatz zu verzinsen. Wird eine Verzinsung des Gesamtkapitals erzielt, die den festen Fremdkapitalzins übersteigt, so steht der gesamte über die Verzinsung des Fremdkapitals hinaus erwirtschaftete Ertragsanteil den Eigenkapitalgebern zu. Die Eigenkapitalrentabilität ist dann umso größer, je kleiner der Anteil des Eigenkapitals am Fremdkapital ist, d.h. je höher der Verschuldungsgrad ist.
Dieser Zusammenhang kann auch in allgemeiner Form dargestellt werden. Dabei gilt:
EK |
= |
Eigenkapital |
FK |
= |
Fremdkapital |
GKR |
= |
Gesamtkapitalrentabilität |
EKR |
= |
Eigenkapitalrentabilität |
FKR |
= |
Fremdkapitalrentabilität (entspricht dem Fremdkapitalzinssatz) |
Der Gesamtertrag einer Periode kann einerseits als Produkt aus Gesamtkapitalrentabilität und Gesamtkapital, das sich aus dem Eigen- und dem Fremdkapital zusammensetzt, beschrieben werden:
Gesamtertrag = GKR * (EK + FK)
Der Gesamtertrag entspricht andererseits der Summe aus Gewinn und Fremdkapitalzinsen. Da sich die Fremdkapitalzinsen aus dem Fremdkapitalzinssatz und dem Fremdkapital und der Gewinn aus der Eigenkapitalrentabilität und dem Eigenkapital ergeben, folgt hieraus:
Gesamtertrag = EKR * EK + FKR * FK
Durch Gleichsetzen der beiden Gleichungen erhält man:
GKR * (EK + FK) = EKR * EK + FKR * FK
Wird diese Gleichung nach der Eigenkapitalrentabilität aufgelöst, kann die so genannte Leverage-Formel abgeleitet werden:
Die Eigenkapitalrentabilität resultiert aus der Gesamtkapitalrentabilität, dem Fremdkapitalzinssatz und dem Verschuldungsgrad (FK/EK). Die Eigenkapitalrentabilität weicht dabei umso mehr von der Gesamtkapitalrentabilität ab, je größer der Betrag des Klammerausdrucks (GKR – FKR) und je höher der Verschuldungsgrad ist. Der Verschuldungsgrad besitzt demnach eine „Hebelwirkung” (Leverage = Hebel) auf die Eigenkapitalrentabilität. Diese Hebelwirkung kann positiv und negativ sein. Ist der Klammerausdruck (GKR – FKR) positiv, so wird von einem positiven Leverage-Effekt gesprochen, da dann die Eigenkapitalrentabilität mit zunehmendem Verschuldungsgrad ansteigt. Ist der Klammerausdruck hingegen negativ, d.h., der Fremdkapitalzins übersteigt die Gesamtkapitalrentabilität, dann liegt die Eigenkapitalrentabilität unter der Gesamtkapitalrentabilität und sie kann bei hoher Verschuldung schnell negativ werden.
2 Leverage-Effekt im Fallbeispiel
Im Folgenden wird von einem Gesamtkapital in Höhe von 100.000 EUR und einem Gewinn vor Fremdkapitalzinsen i. H. v. 10.000 EUR ausgegangen. Somit beträgt die Gesamtkapitalrentabilität 10 %. Der Fremdkapitalzinssatz wird mit 7 % angenommen. Es werden vier Szenarien mit jeweils verschiedenem Verschuldungsgrad betrachtet. Aus den vier Szenarien ergeben sich die Eigenkapitalrentabilitäten, die in der nachstehenden Abbildung dargestellt sind:
|
Szenario 1 |
Szenario 2 |
Szenario 3 |
Szenario 4 |
Gesamtkapital |
100.000 |
100.000 |
100.000 |
100.000 |
Fremdkapital |
- |
25.000 |
50.000 |
75.000 |
Eigenkapital |
100.000 |
75.000 |
50.000 |
25.000 |
Verschuldungsgrad |
0 |
0,33 |
1,00 |
3,00 |
Gewinn vor Fremdkapitalzinsen |
10.000 |
10.000 |
10.000 |
10.000 |
- 7 % Fremdkapitalzinsen |
- |
1.750 |
3.500 |
5.250 |
Gewinn |
10.000 |
8.250 |
6.500 |
4.750 |
Eigenkapitalrentabilität |
10 % |
11 % |
13 % |
19 % |
Die Eigenkapitalrentabilitäten können direkt aus der Abbildung oder indirekt über die Leverage-Formel ermittelt werden. Dies bedeutet für das Szenario 4:
EKR = 10 % + (10 % – 7 % ) * 3
EKR = 19 %
Der Vorteil, durch kostengünstiges Fremdkapital die Eigenrentabilität zu erhöhen, kann sich jedoch auch in einen Nachteil verwandeln. Dies geschieht regelmäßig dann, wenn die Gesamtkapitalrentabilität unter den Fremdkapitalzins sinkt. In diesem Fall geht die Eigenkapitalrentabilität umso stärker zurück, je höher der Verschuldungsgrad, d.h., je höher der prozentuale Anteil des Fremdkapitals am Gesamtkapital ist. Es besteht sogar die Gefahr, dass es zu einem Verbrauch von Eigenkapital kommt bis hin zum vollständigen Verzehr des Eigenkapitals (Eigenkapitalrentabilität = - 100 %) oder noch darüber hinaus (Tatbestand der Überschuldung).
Angenommen, aus dem Gesamtkapital von 100.000 EUR können nicht 10.000 EUR wie erwartet, sondern nur 3.500 EUR erwirtschaftet werden. Dies wirkt sich wie folgt auf die Eigenkapitalrentabilität aus, wobei weiterhin ein Fremdkapitalzinssatz von 7 % unterstellt wird.
|
Szenario 1 |
Szenario 2 |
Szenario 3 |
Szenario 4 |
Gesamtkapital |
100.000 |
100.000 |
100.000 |
100.000 |
Fremdkapital |
- |
25.000 |
50.000 |
75.000 |
Eigenkapital |
100.000 |
75.000 |
50.000 |
25.000 |
Verschuldungsgrad |
0 |
0,33 |
1,00 |
3,00 |
Gewinn vor Fremdkapitalzinsen |
3.500 |
3.500 |
3.500 |
3.500 |
- 7 % Fremdkapitalzinsen |
- |
1.750 |
3.500 |
5.250 |
Gewinn |
3.500 |
1.750 |
0 |
-1.750 |
Eigen... |