Henrik Dörries, André Frisch
2.1 Ziele
Mit dem Liquiditätsforecast als wichtigstes Instrument im Liquiditätsmanagement kann das Ziel erfüllt werden, frühzeitig etwaige Finanzierungsbedarfe zu identifizieren. Dies gilt sowohl auf der aggregierten Ebene einer Konzernstruktur als auch in den einzelnen Konzerngesellschaften. Deren Finanzierung über interne Darlehen kann in Ausnahmefällen bis zu mehreren Wochen dauern, wenn sich die Konzerngesellschaft in einem Land mit restriktiven Kapitalverkehrskontrollen befindet.
Aus Konzernsicht stellt der Blick auf die zukünftig verfügbaren liquiden Mittel zudem eine belastbare Grundlage für Investitionsentscheidungen dar und unterstützt den Finanzbereich beim zinsoptimierten Einsatz dieser Mittel. Unter gewissen Voraussetzungen kann der Liquiditätsforecast auch eine wertvolle Unterstützung beim Abschluss von Zins- und Währungssicherungsgeschäften darstellen.
Der Blick auf den zukünftigen Finanzierungsbedarf erlaubt dem Finanzbereich zudem, den Bedarf sowie die erforderliche Laufzeit neuer Zinssicherungsgeschäfte zu bestimmen. Erfolgt der Liquiditätsforecast auch differenziert nach verschiedenen Währungen, kann hieraus ferner eine Entscheidungsgrundlage für den Abschluss von Fremdwährungsderivaten abgeleitet werden.
Im Rahmen von Kreditverträgen sind Unternehmen häufig an die Einhaltung von Finanzkennzahlen gebunden oder die Konditionen der Kreditverträge sind über sogenannte Margin Grids an diese Kennzahlen gekoppelt. Der Blick auf den Liquiditätsforecast ermöglicht unter Berücksichtigung weiterer relevanter Rechengrößen somit eine proaktive Ansprache der Fremdkapitalgeber bei drohender Nichteinhaltung dieser Finanzkennzahlen.
Diese Ziele des Liquiditätsforecasts setzen in der Regel voraus, dass die Prognose einen hinreichend langen Zeitraum abdeckt. Die einzelnen Zeitperioden der Prognose sollten zudem nicht länger als ein Monat sein. Bewährt haben sich in verschiedenen Branchen Kalenderwochen als kleinste Planeinheit. Die Prognose sollte bei international operierenden Unternehmen zudem währungsdifferenziert erfolgen, damit Fremdwährungsgeschäfte (FX-Geschäfte) mit einer gewissen Vorlaufzeit eingeplant werden können. Ist ein Großteil der Konzerngesellschaften nicht in einen Cash-Pooling-Mechanismus eingebunden, sollte die Prognose zudem auf Ebene der Konzerngesellschaften erfolgen und nicht nur aggregiert auf Konzernebene. Nur so lässt sich ein anstehender Finanzierungsbedarf über interne Darlehen frühzeitig erkennen und vorbereiten.
2.2 Herausforderungen
Die mit dem Liquiditätsforecast verknüpften Ziele erfordern einen Mechanismus zur Qualitätssicherung der prognostizierten Zahlen. Auf aggregierter Ebene lässt sich eine Abweichungsanalyse mit begrenztem Aufwand durchführen, indem die realisierten Zahlen für einen Zeitpunkt mit den prognostizierten abgeglichen werden. Eine qualitative Aussage über die Gründe potenzieller Abweichungen lässt sich auf diesem Weg allerdings nur schwer treffen. Viele Unternehmen setzen daher auf einen Plan-Ist-Abgleich als zentrales Instrument zur Qualitätssicherung. Nur über diesen Abgleich auf Ebene der Plan-Positionen lässt sich die Abweichungsursache ermitteln:
- Ist im Planungsprozess ein Fehler unterlaufen oder wurden falsche Annahmen getroffen?
- Haben externe und nicht vorhersehbare Effekte zur Abweichung geführt?
In beiden Fällen lassen sich aus der Abweichungsanalyse wertvolle Erkenntnisse für eine kontinuierliche Verbesserung der Plandatenqualität erlangen.
Prozessual ergeben sich bei der Erstellung des Liquiditätsforecasts eine Vielzahl von Herausforderungen, insbesondere dann, wenn der Forecast aus den operativ tätigen Unternehmenseinheiten heraus manuell oder teilautomatisiert erstellt wird. Je nach Größe der Organisation kann hierbei schnell eine dreistellige Anzahl an Personen beteiligt sein, deren Mitwirkung orchestriert werden muss. Planungstools mit Workflow-Funktionalitäten, Monitoring und Benachrichtigungen können dabei helfen, diesen in kurzen zeitlichen Abständen wiederkehrenden Prozess effizient zu steuern. In der Praxis lässt sich dennoch beobachten, dass trotz Einsatz moderner Planungstools ein hoher Ressourceneinsatz erforderlich bleibt und an der Basis das Verständnis für den betriebenen Aufwand aufgrund einer fehlenden "Cash-Kultur" fehlt. Dies liegt zum Teil auch daran, dass die beteiligten Personen häufig eine Vielzahl weiterer lokal erforderlicher Finanzfunktionen erfüllen. Liquiditäts- und Währungsmanagement spielt hierbei meist eine untergeordnete Rolle.