Henrik Dörries, André Frisch
Zusammenfassung
- Der Liquiditätsforecast stellt in Unternehmen sicher, dass für operative Aktivitäten sowie kurz- bis mittelfristige Investitionen stets ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung stehen.
- Die Verfahren und der erforderliche Aufwand zur Erstellung des Liquiditätsforecasts hängen in der Praxis stark von den unterschiedlichen Geschäftsmodellen und damit verbunden auch unterschiedlichen Zielsetzungen ab.
- Mit der zunehmend zentralen Verfügbarkeit von Daten zu laufenden und zukünftigen Geschäftsvorfällen in Unternehmen besteht technisch die Möglichkeit, den Prognoseprozess grundlegend zu reformieren, dabei die Präzision zu erhöhen und den Aufwand zu reduzieren.
- Dieser Beitrag soll die Grenzen und Herausforderungen klassischer Prozesse im Liquiditätsforecasting beschreiben, eine begriffliche Abgrenzung zur Liquiditätsplanung vornehmen und den Blick für neuartige Forecastingansätze unter Einsatz von Predictive Analytics schärfen.
1 Relevanz des Liquiditätsmanagements
Das Liquiditätsmanagement ist eine zentrale Aufgabe jeder Treasury- und Finanzabteilung. Im Kern umfasst es die Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit zu jeder Zeit, damit kurzfristig Investitionen getätigt und Verbindlichkeiten vertragsgemäß bedient werden können.
Die Bedeutung des Liquiditätsmanagements für die finanzielle Stabilität von Unternehmen kann nicht oft genug betont werden. Findet sich ein Unternehmen in der Situation wieder, dass fällige Verbindlichkeiten nicht vertragsgemäß bedient werden können, bleibt häufig nichts anderes übrig als unter Zeitdruck Eigen- oder Fremdkapital zu beschaffen oder Aktiva zu veräußern – letzteres in der Regel unter Wert.
Mit einer Vielzahl unterschiedlicher Techniken und Methoden lässt sich das Liquiditätsrisiko managen und ein Zustand vermeiden, in dem liquide Mittel nur in unzureichendem Umfang verfügbar sind. Neben zuverlässigen Prozessen im Forderungsmanagement zählt zu diesen Techniken und Methoden primär die Prognose von zukünftig verfügbaren liquiden Mitteln – der Liquiditätsforecast. Hierbei werden, vom Anfangsbestand liquider Mittel ausgehend, alle Ein- und Auszahlungen innerhalb eines gewissen Zeitraums betrachtet. Dabei stehen nicht die Art und Weise der Ein- und Auszahlung bzw. deren betriebswirtschaftliches Motiv im Vordergrund, sondern vielmehr der Zeitpunkt und die Höhe der Beträge sowie die Währung der Zahlungen.
2 Zielsetzung und Herausforderungen im Liquiditätsforecast
2.1 Ziele
Mit dem Liquiditätsforecast als wichtigstes Instrument im Liquiditätsmanagement kann das Ziel erfüllt werden, frühzeitig etwaige Finanzierungsbedarfe zu identifizieren. Dies gilt sowohl auf der aggregierten Ebene einer Konzernstruktur als auch in den einzelnen Konzerngesellschaften. Deren Finanzierung über interne Darlehen kann in Ausnahmefällen bis zu mehreren Wochen dauern, wenn sich die Konzerngesellschaft in einem Land mit restriktiven Kapitalverkehrskontrollen befindet.
Aus Konzernsicht stellt der Blick auf die zukünftig verfügbaren liquiden Mittel zudem eine belastbare Grundlage für Investitionsentscheidungen dar und unterstützt den Finanzbereich beim zinsoptimierten Einsatz dieser Mittel. Unter gewissen Voraussetzungen kann der Liquiditätsforecast auch eine wertvolle Unterstützung beim Abschluss von Zins- und Währungssicherungsgeschäften darstellen.
Der Blick auf den zukünftigen Finanzierungsbedarf erlaubt dem Finanzbereich zudem, den Bedarf sowie die erforderliche Laufzeit neuer Zinssicherungsgeschäfte zu bestimmen. Erfolgt der Liquiditätsforecast auch differenziert nach verschiedenen Währungen, kann hieraus ferner eine Entscheidungsgrundlage für den Abschluss von Fremdwährungsderivaten abgeleitet werden.
Im Rahmen von Kreditverträgen sind Unternehmen häufig an die Einhaltung von Finanzkennzahlen gebunden oder die Konditionen der Kreditverträge sind über sogenannte Margin Grids an diese Kennzahlen gekoppelt. Der Blick auf den Liquiditätsforecast ermöglicht unter Berücksichtigung weiterer relevanter Rechengrößen somit eine proaktive Ansprache der Fremdkapitalgeber bei drohender Nichteinhaltung dieser Finanzkennzahlen.
Diese Ziele des Liquiditätsforecasts setzen in der Regel voraus, dass die Prognose einen hinreichend langen Zeitraum abdeckt. Die einzelnen Zeitperioden der Prognose sollten zudem nicht länger als ein Monat sein. Bewährt haben sich in verschiedenen Branchen Kalenderwochen als kleinste Planeinheit. Die Prognose sollte bei international operierenden Unternehmen zudem währungsdifferenziert erfolgen, damit Fremdwährungsgeschäfte (FX-Geschäfte) mit einer gewissen Vorlaufzeit eingeplant werden können. Ist ein Großteil der Konzerngesellschaften nicht in einen Cash-Pooling-Mechanismus eingebunden, sollte die Prognose zudem auf Ebene der Konzerngesellschaften erfolgen und nicht nur aggregiert auf Konzernebene. Nur so lässt sich ein anstehender Finanzierungsbedarf über interne Darlehen frühzeitig erkennen und vorbereiten.
2.2 Herausforderungen
Die mit dem Liquiditätsforecast verknüpften Ziele erfordern einen Mechanismus zur Qualitätssicherung der prognostizierten Zahlen. Auf aggregierter Ebene lässt sich eine Abweichungsanalyse mit begrenztem...