Prof. Dr. Hans-Ulrich Holst, Prof. Dr. Christoph Eisl
Ein oft gehörter Nachteil der Budgetierung ist in vielen Unternehmen die Starrheit der Budgets, sowohl bei der Budgeterstellung, als auch der "Ausführung" während des Budgetjahres. Speziell letzterer Punkt impliziert Konfliktpotenzial, insbesondere wenn es um die Nutzung nicht budgetierter Chancen geht: Die neue Maschine zur Prozessverbesserung? Ein neuer Mitarbeiter mit hohem Potenzial, den man nur jetzt bekommen könnte? Das ist oftmals nicht möglich, weil das Budget schon verbraucht ist. Mit unterjährigen Mittelzuweisungen oder Mittelverschiebungen könnten solche besonderen Chancen genutzt werden.
Unterstützt werden kann dies durch einen pragmatischen Genehmigungsprozess, bei dem z. B. im Sinne eines Wettbewerbs der Budgets Umschichtungen vorgenommen werden können. Hilfreich sind dabei verpflichtende Prioritätensetzungen bereits in der Planung, also bei den Einzelpositionen in den Budgets. So können beispielsweise Investitionen in "unverzichtbar" und "wichtig, aber notfalls nicht unverzichtbar" kategorisiert werden. Eine andere Möglichkeit besteht in einem vereinfachten bzw. zumindest zeitlich und inhaltlich knapp gehaltenen Genehmigungsprozess. Im Rahmen der Budgetierung kann dann durch detaillierte (Teil-) Genehmigungsverfahren im Budgetjahr auf aktuelle Entwicklungen erheblich schneller reagiert werden. Im Rahmen unserer Untersuchung hat u. a. ein großer Pharmazulieferer (10.000 Mitarbeiter) berichtet, dass Investitionen zunächst in einem gröberen Rahmen geplant werden. Unterjährig werden Einzelmaßnahmen dann detaillierter analysiert und genehmigt.
Zudem könnte die Geschäftsführung selbst (auf einer eigenen Kostenstelle) einen Budgetposten für unterjährige Chancen, Spezialprojekte oder dringliche Maßnahmen einplanen. So können bei Bedarf Ressourcen zentral zugeteilt werden, ohne sie anderen Kostenstellen "wegzunehmen", oder Verantwortliche können mit Projektanträgen um diesen Budgetposten konkurrieren. Dieser Ansatz gibt beispielsweise einem Autoimporteur die Möglichkeit, schleppende Verkäufe bei einer Marke durch eine Erhöhung des Werbebudgets anzukurbeln. Wichtig ist in diesem Zusammenhang darauf zu achten, dass nicht jeder Bereich einen solchen Budgetposten (-puffer) "einarbeitet", da ansonsten wohl kaum ein anspruchsvolles Gesamtbudgetziel erreicht wird. Ein im Rahmen der Benchmarkstudie befragter Nahrungs- und Genussmittelproduzent (Mittelständler mit 750 Mitarbeitern) erstellt sein "Chancenbudget" als "Nebenrechnung" zum eher vorsichtigen Budgetansatz. Damit werden in Aussicht stehende aber noch relativ unsichere Aufträge abgebildet und transparent gemacht, welche zusätzlichen Umsätze und Deckungsbeiträge aber auch notwendige Investitionen und Fixkosten sich daraus ergeben würden. Wenn der Auftrag dann tatsächlich eingeht, können sehr flexibel die notwendigen Budgetmittel in Anspruch genommen werden.
Bei gravierenden Änderungen (z. B. in der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009) kann es zweckmäßig sein, das Budget durch neue Zielwerte zu ersetzen, gegen die dann neu Abweichungen gemessen werden. Die ursprünglichen Budgetwerte sollten im Berichtswesen (z. B. in einer eigenen Spalte) sichtbar bleiben, damit trotz großer Änderungsnotwendigkeit der Ausgangspunkt der Planung erkennbar bleibt; das verhindert ein zu schnelles/leichtes Ändern und Vergessen von "alten" Zielen und Budgetwerten. Gleichzeitig macht eine Budgetrevision nur Sinn, wenn nach der Änderung von einer einigermaßen konstanten Entwicklung ausgegangen werden kann. Ansonsten folgt schon in Kürze die nächste Budgetrevision, was auch bei einfachen und integrierten Planungsprozessen und -modellen den Aufwand massiv erhöht.
Das "flexible" Übernehmen nicht ausgenutzter Budgets in das Folgejahr ("Budgetüberträge") sollte immer anlassbezogen geprüft werden. Weder eine generelle Erlaubnis noch ein generelles Verbot von Überträgen ist sinnvoll, da in beiden Fällen dysfunktionale Effekte ("Sammeln" nicht benötigter Budgets vs. Verbrauchen am Jahresende) auftreten können. Generell sollten Überträge sparsam eingesetzt werden, bei sinnvollen Vorhaben jedoch möglich sein. Ein definierter und bekannter Antragsprozess für den Übertrag erhöht die Transparenz und somit die Akzeptanz.