Nachhaltigkeit ist in den letzten Jahren zu einem der bestimmenden Motive im strategischen Management geworden. Während Nachhaltigkeitsaspekte bis vor wenigen Jahren oftmals als unternehmerische Philanthropie verstanden wurde, ist sie in den Mittelpunkt der strategischen Konzepte und Geschäftsmodelle von Unternehmen gerückt. Diese Veränderung ist nicht als vorübergehender Trend zu beurteilen, sondern stellt einen tatsächlichen Paradigmenwechsel dar. Dieser Wandel ist aus unternehmerischer Sicht als disruptiver Prozess zu verstehen, ähnlich zu signifikanten technologischen Entwicklungen. Der bislang weitgehend kostenfreie Verbrauch von sozialen und natürlichen Ressourcen, wie zum Beispiel das Klima erhält zunehmend einen Preis.Wesentlich für das Umdenken von Unternehmen im Bereich Nachhaltigkeit ist nicht zuletzt das geänderte Verhalten der Stakeholder, die Druck auf Unternehmen und ihre Strategien ausüben:
Kapitalmarkt & Investoren:
Reallokation von Kapital zu Unternehmen, die eine nachhaltige Strategie verfolgen, resultiert in besseren Finanzierungskonditionen. Getrieben wird diese Reallokation insbesondere durch institutionelle Anleger, deren Investoren wiederum von nachhaltigen Unternehmen langfristig bessere Ergebnisse erwarten.
Kunden:
Die individuelle Kaufentscheidung von Endkonsumenten wird vor allem in hoch entwickelten Volkswirtschaften immer stärker durch den Faktor Nachhaltigkeit beeinflusst. Auch Geschäftskunden müssen ihrerseits nachhaltig einkaufen, um ihre Wertkette durchgehend nachhaltig zu gestalten und so ihre eigenen Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.
Mitarbeiter:
Die Nachhaltigkeit von Unternehmen wird von Talenten zunehmend als Kriterium bei der Arbeitgeberwahl berücksichtigt. Dabei wird sich der Wettbewerb um die besten Talente in den nächsten Jahren weiter zuspitzen aufgrund von geburtenschwachen Jahrgängen, die derzeit von Schulen und Universitäten abgehen. Auch bestehende Mitarbeiter fordern Nachhaltigkeit und üben Druck auf die Führungsebene aus.
Regulierung & Behörden:
Insbesondere für das Thema Umwelt- und Klimaschutz agiert der Gesetzgeber als ein stellvertretender Interessenwahrer. Massive Änderungen in der Gesetzgebung, wie auch in den Förderungsregimen sind absehbar und teilweise bereits umgesetzt.
Insbesondere zwischen den Anliegen der Unternehmenseigner und den Anliegen der anderen Stakeholder wird oftmals ein Konflikt beschrieben. Da Unternehmenseigner nach der Vermehrung ihres investierten Kapitals streben, werden andere Interessen oftmals vernachlässigt. Dieser vermeintliche Zielkonflikt wird insbesondere deutlich, wenn man sich die Friedman Doktrin in Erinnerung ruft, die seit den 1970er Jahren im Vordergrund der strategischen Ausrichtung von Unternehmen gestanden ist:
"There is one and only one social responsibility of business – to use its resources and engage in activities designed to increase its profits so long as it stays within the rules of the game, which is to say, engages in open and free competition without deception or fraud."
In der Friedman Doktrin wird der Unternehmensgewinn bzw. später der Unternehmenswert (Shareholder Value), als einzige Zielgröße für den ökonomischen Erfolg von Unternehmen definiert. Zum einen macht dieses Konzept die Aufgabe für Unternehmensstrategen einfach, da es eine klare Ziel- und Erfolgsgröße gibt, die gemessen und optimiert werden kann. Das Verfolgen einer Profitmaximierung führt aber oftmals zu einer kurzfristigen Wertoptimierung, während langfristig erfolgskritische Interessen anderer Stakeholder in den Hintergrund rücken.
Michael Porter und Mark Kramer definieren den Zweck von Unternehmen bzw. ihre gesellschaftliche Rolle breiter:
"The purpose of the corporation must be redefined as simultaneously creating business value and social values, not just profit per se."
Dabei spielt Porter auf den Beitrag an, den Unternehmen für die umgebende Gesellschaft leisten. In anderen Worten: Unternehmen sollen gesellschaftliche Probleme lösen, aber in einer ökonomischen Art und Weise, die ihre eigene Fortdauer sicherstellen soll. Moderne Stakeholder-basierte Konzepte setzen die Balance der Interessen aller relevanten Stakeholder in den Mittelpunkt der Unternehmensstrategie. Dieser strategische Ansatz beruht darauf, dass je nach individueller Situation die Interessen unterschiedlicher Stakeholder den größten Hebel für den langfristigen Erfolg eines Unternehmens darstellen. Die Aufgabe der Unternehmensleitung ist es, in ihrer Strategie die Balance der Interessen und den bestmöglichen Trade-off zwischen kurzfristigem und langfristigem Erfolg sicherzustellen.