Kirsten Meynerts-Stiller, Dr. Christoph Rohloff
Day 1 hat eine überragende Bedeutung für den Integrationsprozess: Gelingt es, diesen Tag als positiven Referenzpunkt zu gestalten, der bei allen Beteiligten Orientierung schafft sowie Lust und Neugier auf die bevorstehenden Mühen der Integration weckt, dann stabilisiert und temperiert er die volatilen Merger-Dynamiken. Diese Gelegenheit für einen gemeinsamen Start sollte bewusst und bestmöglich genutzt werden.
Aber auch wohlgemeinte Day-1-Aktivitäten verfehlen ihr Ziel, wenn die Mitarbeitenden aus dem Target feststellen, dass das nach dem Day 1 erlebte Verhalten des Käuferunternehmens vom Gesagten und Erlebten am Day 1 abweicht. So veranstaltete bspw. ein Käuferunternehmen für die Führungsmannschaft des vergleichsweise kleineren Targets am Day 1 ein opulentes Festmahl im besten Hotel am Platz. Die Botschaft, die bei der Führung im Target ankam, war klar: "Das Füllhorn ist offen" und: "Wir sind offensichtlich sehr wichtig für unseren Käufer". Allerdings blieb es bei der einmaligen Aufmerksamkeit. Tatsächlich hatte das Target aus Sicht des Käuferunternehmens nur mittlere bis geringe strategische Bedeutung, es folgten kaum noch Management-Besuche, die erhofften Investitionen blieben aus, lediglich die zentralen Funktionen HR und Cash wurden umgestellt. Enttäuscht verließen viele Führungskräfte das Unternehmen, die gerechneten Synergien wurden nie erreicht.
Wichtig ist also die Übereinstimmung der symbolischen und faktischen Day-1-Botschaften mit den darauf folgenden Aktivitäten in der Integration. Die Mitarbeitenden aus dem Target-Unternehmen beobachten genau, wie glaubwürdig und belastbar die Botschaften des Käuferunternehmens tatsächlich sind.
Day 1 hat damit 2 Funktionen:
- Zum einen ist es die erste Gelegenheit, den neuen Mitarbeitenden zu sagen: "Willkommen, es ist gut, dass Sie an Bord sind, wir freuen uns darauf, einander kennenzulernen und wollen gemeinsam an unserer Zukunft bauen". Das Ritual der emotionalen Aufnahme ist wichtig, um dem möglichen "Merger-Syndrom" zu begegnen: Wer "gekauft" wurde, hat ja irgendetwas "falsch" gemacht, ist in einer scheinbar schwächeren Position; wer "kauft" erscheint potenter, mächtiger. Dies trifft umso mehr zu, wenn das Target in einem Asset-Deal oder als Teilunternehmen auch schon im Herkunftsunternehmen nicht an erster Stelle stand.
- Zum anderen ist Day 1 der Tag der wesentlichen Botschaften: Was ist unsere Vision, was ist unser Plan? Was wird sich ändern, was wird bleiben? Wie gehen wir genau vor, wo kann man sich informieren? Auch wenn noch nicht alle Entscheidungen inhaltlich klar sein können, in jedem Fall kann für die Mitarbeitenden eine zeitliche Absehbarkeit der Entscheidungsfindung und der Beteiligungsmöglichkeiten bspw. bei geplanten Zusammenlegungen von Standorten mitgeteilt werden.
Die Vorbereitung eines erfolgreichen Day 1 ist aufwendig und wird oft unterschätzt: Das Integrations-Team ist Treiber für die Generierung einer stimmigen, belastbaren und konsistenten Botschaft an die neuen Mitarbeitenden. Abb. 2 zeigt beispielhaft wesentliche Workstreams zur Bearbeitung des breit gefächerten Themenspektrums an vorbereitenden Aktivitäten bis zum Day 1, die im Rahmen eines formal definierten Integrationsprojekts organisiert sein sollten.
Abb. 2: Day-1-Vorbereitung in Workstreams
Die vielen Klärungsprozesse im Vorfeld des Day 1 müssen organisiert und herbeigeführt werden. Das Integrations-Team braucht daher Zugang zum Management, um in vielen Besprechungen und Abstimmungsrunden im eigenen Haus, aber auch mit Blick auf das Target so viel Klarheit wie möglich herzustellen. Zudem müssen auch ganz praktische Fragen beantwortet werden:
- Ist die Entgeltzahlung gewährleistet?
- Funktionieren die Kreditkarten?
- Sind die E-Mail-Konten freigeschaltet?
- Was sagen wir zu unseren Kunden?
Die entsprechenden Prozesse müssen weit vor dem Closing zumindest vorbereitet und "in der Schublade" sein, um am Day 1 aussage- und handlungsfähig zu sein. Der hierfür notwendige tatsächliche Aufwand an Projekt- und Managementkapazitäten wird i. d. R. massiv unterschätzt.