Dr. Stefan Mayer, Dr. Philipp Lill
2.1 Synchronisation von Parallelprozessen
Eindeutige Prozessdefinition als Voraussetzung
Durch Umstrukturierungen sowie Zu- und Verkäufe von Unternehmensbereichen sind insbesondere im Einkaufsbereich häufig mehrere Parallelprozesse entstanden, da deren Konsolidierung von mehreren Akteuren im Unternehmen aufgrund unterschiedlicher Inhalte (Projektgeschäft vs. Serienfertigung) oder Systeme (ERP-Landschaft) als nicht realisierbar abgetan wurde. Diese sind nur sehr schwer mit einem einheitlichen Kennzahlen-System zu steuern. Um daher Synergieeffekte zwischen Unternehmensbereichen vollständig heben zu können, ist eine solche Vereinheitlichung unabdingbar. Das sog. Business Process Management (BPM) ist dabei eine Möglichkeit die eigenen Geschäftsprozesse effektiver und adaptiver zu gestalten, insbesondere auch in der Supply Chain. In einem Business Process House werden alle Prozesse modelliert, in Verbindung zueinander gestellt und einzelnen Verantwortlichen zugeteilt. Dabei ist zu beachten, dass dies ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess ist. So sind die fünf Phasen des BPM-Lebenszyklus (Modellierung, Implementierung, Überwachung, Analyse und Optimierung) als Kreislauf zu verstehen, der bei jedem Durchlauf eine Effizienzsteigerung des jeweiligen Prozesses bewirkt. Das vorrangige Ziel im Kontext einer Anpassung der IT-Systeme ist es dabei, die zur Ausübung dieser Prozesse relevanten Informationen aufzuspüren und alle anderen Datenansammlungen zu beseitigen bzw. zu minimieren. Diese Projekte sollten grundsätzlich unter Einbezug aller relevanten Stakeholder mit einer Definition des Status Quo beginnen und sukzessive durch Standardisierung, Harmonisierung und Konsolidierung einzelner Aufgabenpakete zu einem gemeinsamen Zielprozess entwickelt werden. Um operative und strategische Einkaufsprozesse effizienter zu gestalten, ist es wichtig diese mit der zukünftigen strategischen Ausrichtung des Unternehmens zu harmonisieren. Hierbei spielt vor allem die fortschreitende Digitalisierung eine entscheidende Rolle.
2.2 Einfluss der Digitalisierung auf den Einkaufsprozess
Einkauf mithilfe softwaregestützter Prozesse harmonisieren
Häufig ist von einem digitalisierten Prozess die Rede, sobald ein Arbeitsauftrag nicht mehr in Papierform erledigt wird. Dies ist zwar ein notwendiger Schritt, führt aber letztendlich nicht zur vollständigen Realisierung potenzieller Effizienzgewinne. Während das im Deutschen schwierig abzugrenzen ist, bietet hier die englische Sprache eine weitaus differenziertere Bezeichnung. Sie unterscheidet zwischen "Digitization" und "Digitalization".
- "Digitization"bezeichnet die bereits beschriebene Durchführung bestehender Prozesse in digitaler Form. Dies ist zwar ein notwendiger Schritt, kann aber eben nur als Anfang gesehen werden.
- Wesentlich wichtiger ist jedoch "Digitalization", die Verarbeitung dieser Informationen, sei es zur Automatisierung einzelner Prozessschritte oder zur Nutzung der digitalen Informationen zur Aufstellung von Prognosen über zukünftige Entwicklungen.
Die Digitalisierung des Einkaufsbereichs ist eine notwendige Voraussetzung für dessen zukunftsfähige Funktionalität. In einem digitalisierten Einkaufsprozess können bspw. einzelne Prozessschritte bei der Auslösung von Bestellungen automatisiert sowie Bedarfsprognosen oder Qualifizierungspläne für Lieferanten erstellt werden. Hierzu ist es notwendig, dass Unternehmensprozesse und IT-Systeme harmonisiert werden. Die Frage ist allerdings, ob sich IT-Systeme an Unternehmensprozesse anpassen sollen oder umgekehrt. Da über die Jahre häufig eine Ansammlung unterschiedlicher Prozesse entstanden ist, die das gleiche Ziel verfolgen, ist es schwierig eine Best-Practice-Lösung zu definieren. Viele Teilschritte sind nur durch die Abfolge einzelner manueller Aufgaben entstanden, die durch die fortschreitende Automatisierung obsolet werden. Hinzu kommt, dass durch die Harmonisierung der IT-Systeme im gesamten Unternehmen, die Anzahl der relevanten Stakeholder und deren Anforderungen an selbiges, um ein Vielfaches ansteigen. Es ist daher sinnvoller, die häufig schlanke Architektur von Software-Lösungen als Grundlage zur Definition der eigenen Prozesse heranzuziehen, als umgekehrt (s. Abb. 1).
Abb. 1: Der gesamte Einkaufsprozess