Prof. Dr. Martin Tschandl, Dr. Christian Grabner
2.1 Praxisbeispiel KNAPP AG
Konzern mit 30 Unternehmen und 3.500 Mitarbeitern
Die KNAPP AG ist ein österreichischer Technologiekonzern, der für seine Kunden in den Kernbranchen Health Care, Fashion, Retail, Food Retail und Industrie maßgeschneiderte Logistiksysteme konzeptioniert, vollumfänglich implementiert und dauerhaft mit umfassenden Customer-Service-Leistungen betreut. Das Controlling ist überwiegend zentral (Finanz-Controlling, technische Produktkalkulation, Projekt-/Entwicklungscontrolling), aber auch dezentral (Controlling-Kernfunktionen der Standorte) organisiert.
Komplexität und Größe als Treiber
Großunternehmen sind gefordert, mehrere Aspekte der Komplexität zu beherrschen: Fast immer liegt eine Konzernstruktur mit mehreren, meist international verstreut agierenden Unternehmen vor. Diese Unternehmen tragen in unterschiedlicher Weise zur Gesamtleistungserstellung des Konzerns bei. Bei der KNAPP AG bspw. durch Erstellung von Subgewerken für Gesamtsysteme im Anlagenbau. Daraus resultieren Abstimmungsbedarfe bei Themen wie der Arbeitsweise im Controlling, den Verrechnungspreisen für Leistungen innerhalb des Konzerns, den unterschiedlichen rechtlichen Normen oder dem Reporting.
Zusätzlich muss das Controlling Entscheidungsgrundlagen liefern, an welchen Standorten welche Leistungen erstellt werden, insbesondere wenn mehrere Standorte gleiche oder ähnliche Produktportfolios aufweisen. Schon hier ist ersichtlich, dass Standardisierung über Ad-hoc-Abstimmung hinaus die Voraussetzung für Vergleichbarkeit darstellt.
Je größer und arbeitsteiliger, desto wichtiger sind Standards
Neben dieser Komplexität durch das Zusammenspiel mehrerer internationaler Unternehmen bringt die schiere Größe der einzelnen Unternehmen zusätzliche Herausforderungen. Denn es ist nicht mehr davon auszugehen, dass Arbeitsweisen und Berechnungsmethoden informell abgestimmt werden, so wie das in kleinen Gruppen noch möglich ist.
Situative Vorgehensweise ist unausweichlich
Die Herangehensweise bei der Implementierung von Controllingstandards bei Großunternehmen ist aufgrund der unterschiedlichen unternehmerischen Rahmenbedingungen (Konzernstruktur, Branche, Wettbewerb, Unternehmenskultur etc.) situativ festzulegen. Die Implementierung bei der KNAPP AG umfasste fünf Prozessgruppen (s. Abb. 1).
Abb. 1: Standardisierungsprozess für ein Großunternehmen am Beispiel der KNAPP AG
2.2 Controller-Leitbild
Leitbild gemeinsam mit Controllingabteilung erstellen…
Sowohl für Mitarbeiter im Controlling als auch für alle anderen Stakeholder muss die Positionierung und das Selbstverständnis des Controllings klar gemacht werden, herrschen doch in den verschiedenen Unternehmensfunktionen unterschiedliche Bilder über das Controlling vor: Vom Kontrolleur bis zum heute modernen Bild eines Sparringpartners bzw. Gestalters und Begleiters im Managementprozess. Angelehnt an das Controllerleitbild der IGC empfiehlt es sich, mit den wesentlichen Ansprechpersonen im Unternehmen (Konzern-Geschäftsleitung, wesentlichen Niederlassungsgeschäftsleiter, Fachbereichsleitungen etc.) die Controllingausrichtung abzustimmen, um mit einer so bestätigten Version frühzeitig Akzeptanz zu erhalten.
…mit dem Management abstimmen und allen kommunizieren
Unter Berücksichtigung der Ergebnisse kann danach in Workshops mit den wesentlichen Mitarbeitern im Controlling (standortübergreifend) ein unternehmensspezifisches Controllingleitbild erarbeitet werden. Wesentlich ist es, dieses Leitbild und die damit verbundene Ausrichtung zu kommunizieren und zu erklären, und zwar sowohl in allen Controllingbereichen als auch bei den internen Stakeholdern im Gesamtunternehmen. Für eine optimale Zusammenarbeit ist es essentiell, dass auch Ansprechpersonen außerhalb des Controllings die Verantwortung und die Rolle ihres Gegenübers kennen und verstehen.
2.3 Controllingkompetenzen ableiten
Standards mittels Kompetenzkatalog…
Für die Mitarbeiter im Controlling bedeutet dies eine wesentliche Aufwertung ihres Job. Die Ableitung aller dafür notwendigen Kompetenzen muss der nächste Schritt im Implementierungsprozess sein. Hierzu bietet das IGC-Kompetenzmodell eine umfassende Strukturierung von Kompetenzen mit Hilfe eines hierarchischen Kompetenzkataloges, Muster-Funktionsprofilen und -Kompetenzprofilen für Controller. Damit können nun für einzelne Rollen im Controlling individuell notwendige Kompetenz-Sets oder ein generelles Set an Kernkompetenzen für Controller definiert werden, um die Anforderungen entsprechend dem Leitbild abdecken zu können. Dieses generelle Set kann dann um rollenspezifische Zusatzkompetenzen erweitert werden.
…fördern ein proaktives und kooperatives Controlling
Die ausgewählten Sets gestatten die systematische Definition jener Kompetenzen, die es ermöglichen, dass Analysen, Auswertungen und Reports in den unterschiedlichen Controllingabteilungen nicht nur erstellt und versandt, sondern zuvor aktiv mit den betroffenen Bereichen oder Unternehmen besprochen werden, um daraus gemeinsam Maßnahmen und Entscheidungen abzuleiten.
…und erlauben eine systematische Personalentwicklung
Dann müssen di...