Prof. Dr. Henry Schäfer, Stephan Eckert
2.1.1 Schuldscheine
Schuldscheine bieten Kostenvorteile
Aufgrund der weltweit kritischen Situation auf den Kapitalmärkten im Nachbeben zur Subprime- und Finanzkrise verzeichneten die Märkte für Anleihen und Schuldscheine in den vergangenen Jahren in spezifischen Ausgestaltungen durchaus starke Zuwächse. Dabei konnten bis dato als "altmodisch" und fast nicht mehr als brauchbar geltende Finanzierungsformen eine Renaissance erleben. Ein Beispiel ist das Schuldscheindarlehen. Durch die gegebene Planungssicherheit und die schlanke Dokumentation bieten Schuldscheine für Großunternehmen, aber auch für mittelständische Unternehmen mit guter Bonität und entsprechendem Kapitalbedarf (kritische Losgröße) eine interessante Alternative zu Bankkrediten.
Finanzierungsform auch für nicht börsennotierte Unternehmen
Da Schuldscheine außerbörslich gehandelt werden, steht diese Finanzierungsform auch nicht börsennotierten Unternehmen zur Verfügung. In der Regel liegt der Zinssatz 0,25 bis 0,5 % über dem Zinssatz einer vergleichbaren Unternehmensanleihe, was durch die geringeren Nebenkosten, wie beispielsweise Verwaltungskosten, jedoch mehr als kompensiert wird. Rechnet man bei Anleihen mit durchschnittlichen Nebenkosten von etwa 5 %, so kommen Schuldscheine meist mit 1 bis 2 % des Emissionsbetrags aus. Bei einer Laufzeit von bis zu zehn Jahren, in Ausnahmefällen sogar fünfzehn Jahren, sind Schuldscheine somit in ihren Kapitalkosten für den Emittenten deutlich günstiger als vergleichbare Anleihen.
Außerdem bieten Schuldscheine eine größere Flexibilität als beispielsweise Unternehmensanleihen. Die durchschnittlichen Kreditbeträge für Schuldscheindarlehen liegen üblicherweise zwischen 10 und 100 Mio. EUR, mindestens jedoch 50.000 EUR. Schuldscheine werden auch durch eine erstrangige Grundschuld besichert. Hauptabnehmer auf der Investorenseite sind institutionelle Investoren, vor allem aus dem Bereich der Lebensversicherungen und Pensionskassen.
2.1.2 Unternehmensanleihen
Niedrige Zinsniveaus kommen Anleihen entgegen
Konkurrenz bekommen Schuldscheine derzeit von Unternehmensanleihen. Diese profitieren von den weltweit niedrigen Zinsniveaus und der großen Nachfrage von Investorenseite. Neben bekannten und durch die internationalen Credit-Rating-Agenturen beurteilten Emittenten treten verstärkt auch Emittenten mit niedrigem oder gar ohne Investmentgrade-Rating auf den Markt (sog. High-Yield- oder High-Risk-Anleihen). In diesem Zusammenhang ist speziell das neue Kapitalmarktsegment der Mittelstandsanleihen zu nennen. Diese – eher in kleineren Emissionsvolumina und teilweise speziell für Kleinanleger gestückelte – Anleihen haben besonders auf mittelständische Unternehmen eine hohe Attraktivität gegenüber der Bankenfinanzierung ausgestrahlt.
2.1.3 Mittelstandsanleihe Bond-M
Mittelstandsanleihen boomen
Mit dem im Frühjahr 2010 neu geschaffenen Segment des "Bond-M" hat die Börse Stuttgart diesen Trend als erste Börse aufgenommen und eine Plattform geschaffen, die es kleinen kapitalmarktfähigen Unternehmen ermöglicht, Anleihen zu platzieren. Ferner wird damit ein Sekundärhandel ermöglicht, d. h., Anleger können während der Laufzeit der Anleihe an der Börse Käufe und Verkäufe tätigen.
Mittelstandsanleihen auch attraktiv für Kleinanleger
Das Emissionsvolumen solcher Anleihen beläuft sich i. d. R. auf 25 bis 200 Mio. EUR. Ein internationales Rating ist dabei kein Muss. Unternehmen, deren Aktien bereits am regulierten Markt gehandelt werden, benötigen überhaupt kein Rating. Alle anderen Unternehmensemittenten begnügen sich mit einer Bewertung der deutschen Organisationen Creditreform, Euler oder Hermes. Mit den neuen Mittelstandsanleihen wendet sich die Börse gezielt auch an Kleinanleger und erschließt so außerhalb des Bankensektors für Unternehmen direkt bei den Endanlegern Fremdkapitalquellen.
Während bei Corporate Bonds eine Stückelung von 50.000 oder 100.000 EUR üblich ist, beträgt die Mindeststückelung im Bond-M lediglich 1000 EUR. Auch wenn das fehlende Rating der Mittelstandsanleihen durch international führende Rating-Agenturen wie Moody's und S&P von einigen Wertpapieranalysten sehr kritisch gesehen wird, hält der Erfolg der neuen "Mini-Anleihen" an. Bei dem derzeit extrem niedrigen Zinsniveau ist diese Art der Refinanzierung auch für Unternehmen mit verringerter Bonität günstig.
Bond-M erfordert mehr Finanzmarktkommunikation
Obwohl die Nutzung des Kapitalmarktes interessante Finanzierungsalternativen eröffnet, birgt dieser Weg für viele mittelständische Unternehmen aber die Schattenseite einer zusätzlichen Öffnung und Transparenz gegenüber einer breiten, noch dazu anonymen Öffentlichkeit. Bei der immer wieder konstatierten geringen Bereitschaft mittelständischer und vor allem familiengeführter Unternehmen, Unternehmensexternen über das gesetzlich notwendige Maß finanz- und erfolgswirtschaftliche Informationen bereitzustellen, können bei der kapitalmarktorientierten Finanzierung für so manche Unternehmer nicht unerhe...