Dr. Roland Spahr, Dirk Schäfer
Katastrophen unterbrechen Lieferkette
Die Auswirkungen von Risiken in der Supply Chain sind so immens, dass es die größeren Fälle inzwischen unschwer in die Tagesnachrichten schaffen. So wurde vor kurzem in der Tagesschau berichtet, dass Lieferprobleme bei Bosch zu Produktionsstillständen in mehreren Werken von BMW führten. Andere bekannte sehr große Supply-Chain-Ereignisse der letzten Jahre waren die Flut in Thailand, das Tōhoku-Erdbeben in Japan sowie verschiedene Ereignisse, bei denen die Reputation von Unternehmen durch inakzeptable Produktionsbedingungen bei Zulieferern gefährdet wurde.
Offensichtlich entstehen aus der fortschreitenden Verflechtung der Unternehmen untereinander Risikofaktoren, die in den letzten Jahren erheblich an Bedeutung zugenommen haben und die den Unternehmenserfolg dauerhaft bedrohen können. Die wesentlichen Faktoren hier sind:
- Globalisierung: Die Globalisierung schafft Möglichkeiten, Rohstoffe und Einzelteile weltweit zuzukaufen. Damit werden oft Kostenvorteile erzielt aber auch größere Risiken bspw. durch logistische Unterbrechungen in Kauf genommen. Insbesondere geopolitische Veränderungen können die globalen Abhängigkeiten empfindlich treffen.
- Spezialisierung: Eine Antwort auf den stetig steigenden Preis- und Kostendruck ist die Spezialisierung auf bestimmte Kernkompetenzen. Die unternehmerischen Chancen durch Spezialisierung werden durch eine größere Abhängigkeit von vorgelagerten Geschäftspartnern sowie deren Lieferqualität und Terminen erkauft.
- Outsourcing: Das Outsourcing schafft einerseits Möglichkeiten zur Kostenreduktion, schafft aber andererseits eine Vielzahl neuer Abhängigkeiten, die es bei der innerbetrieblichen Lösung zuvor nicht gab.
- Homogenität der Strategien und Geschäftsmodelle: Eng einher mit der Globalisierung und Spezialisierung geht die Homogenisierung der Strategien und Geschäftsmodelle. Zunehmend schneller und öfter richten Unternehmen ihre Geschäftsmodelle gleichartig aus, so dass sich die Anfälligkeit ganzer Industrien durch Ausfälle nur einzelner Zulieferer erhöht.
- Verschmelzung von IT und Produktion in und zwischen Unternehmen: Die zunehmende Datenvernetzung von vor- und nachgelagerten Unternehmen der Wertschöpfungskette schafft Effizienzen, aber auch neue Gefahren für das geistige Eigentum aus der Cyberkriminalität oder Industriespionage.
- Corporate Social Responsibility und Compliance: Die Gesellschaft erwartet verantwortungsvolles Handeln der Unternehmen. Aus dieser Verantwortung ergeben sich Risiken bei Nichterfüllung. Corporate Social Responsibility bezieht sich zunehmend auch auf die Supply Chain. Die Risiken sollten daher besondere Beachtung finden, da durch die Vernetzung der Gesellschaft z. B. durch soziale Netzwerke, ein Versagen der Social Responsibility in sehr kurzer Zeit zu Reaktionen bei Kunden und Lieferanten führen kann.
Es ist zu beobachten, dass den Unternehmen diese Entwicklungen bewusst sind. Unternehmen verfügen bereits über viele Bausteine, die für ein effektives Supply Chain Risikomanagement eingesetzt werden können. Oft existiert jedoch keine strukturierte und einheitliche Vorgehensweise zur Eindämmung der zunehmenden Risiken aus der Wertschöpfungskette. Es ist vor allem der Informationsaustausch und dessen Verwertung für wichtige betriebliche Entscheidungen, der in den Unternehmen und zwischen den Unternehmen noch nicht so funktioniert, um ein effektives und interaktives Risikomanagement zu betreiben. Weitere Anpassung und die Erweiterung von Strukturen und Arbeitsprozessen innerhalb und zwischen den Unternehmen werden erforderlich, um die Risiken besser managen zu können.
Arbeitskreis für Supply Chain Risk Management
Um Unternehmen eine einheitliche Hilfestellung zu diesen Fragestellungen zu geben, trifft sich der Arbeitskreis für Supply Chain Risk Management in regelmäßigen Arbeitskreis- und Kernarbeitskreissitzungen seit Januar 2013. Der Arbeitskreis ist offen, die Mitarbeit willkommen und der Einstieg jederzeit möglich.
Risiko-Leitfaden
Es wurde das Ziel verfolgt, einen praxisrelevanten Leitfaden für das Management von Supply-Chain-Risiken zu entwickeln. Der Leitfaden soll einen angemessenen Umgang in und zwischen Unternehmen fördern und somit die Risiken und Ausfallkosten verringern oder versicherbar machen. Unternehmen sollen beim effektiven Management von Supply-Chain-Risiken unterstützt werden.
Zielsetzung
Mithilfe des SCRM-Leitfadens sollen Unternehmen folgende Hilfen gegeben werden:
Evaluation von ökonomischen Kosten und Nutzen von Supply-Chain-Risiken,
- Unterstützung bei der Einführung von Supply Chain Risk Management und
- Orientierung im Hinblick auf die organisatorische Verankerung von Supply Chain Risk Management im Unternehmen.