Prof. Dr. rer. pol. Christian Timmreck
3.1 Das Konzept des Multiplikatorverfahrens: Bewerten mit dem Dreisatz
Der deutsche Ökonom und "Altmeister des Rechnungswesens" Adolf Moxter betonte immer "Bewerten heißt vergleichen!". Das gilt auch für die DCF-Methode, bei der die Investition in ein Unternehmen über das CAPM in gewisser Weise mit der Alternativinvestition in den Gesamtmarkt verglichen wird. Auch der indischstämmige Professor Aswath Damodaran, der heute an der Stern School of Business der New York University lehrt, konstatiert, dass der Wert eines Unternehmens nicht präzise berechnet werden kann, sich aber vom Preis einer vergleichbaren Investition ableiten lässt.
Damit sind wir bei der Bewertung mit dem Dreisatz: Im ersten Schritt ist eine geeignete Vergleichsgruppe von Unternehmen festzulegen, für die dann die relevanten Finanzdaten (Unternehmenswert sowie mögliche Bezugsgrößen wie Umsatz, EBITDA und EBIT) zusammenzustellen sind.
Anschließend werden die Multiplikatoren (also die Verhältniszahlen zwischen dem Unternehmenswert und den Bezugsgrößen) für die Unternehmen der Vergleichsgruppe ermittelt und statistisch ausgewertet, indem das arithmetische Mittel und der Median bestimmt werden. Die sich so ergebenden Multiplikatoren können dann auf die Bezugsgröße des zu bewertenden Unternehmens angewendet werden und ermöglichen damit Preisschätzungen für dieses.
Abb. 4: Multiplikatorverfahren
3.2 Auswahl geeigneter Vergleichsunternehmen
Berücksichtigt man, dass für die Unternehmen der Vergleichsgruppe sowohl die Unternehmenswerte als auch die Bezugsgrößen bekannt sein müssen, ergeben sich primär zwei mögliche Informationsquellen. Zum einen werden vergleichbare börsennotierte Unternehmen herangezogen, für die der Unternehmenswert als Summe der Marktkapitalisierung und der Nettofinanzverbindlichkeiten berechnet werden kann. Aufgrund der Publizitätspflicht sind hier auch die Bezugsgrößen wie Umsatz, EBITDA und EBIT öffentlich verfügbar.
Alternativ kann auf kürzlich stattgefundene M&A-Transaktionen zurückgegriffen werden, bei denen bekannt ist, zu welchem Kaufpreis ein Unternehmen den Eigentümer gewechselt hat und welche Bezugsgrößen dieses Unternehmen aufweist. Häufig bietet es sich an, auf bereits ermittelte (Branchen-)Multiplikatoren zurückzugreifen. So werden bspw. im Finance Magazin auf Basis von Experten-Panels und Börsendaten solche Branchen-Multiplikatoren regelmäßig veröffentlicht. Teilweise ergeben sich große Bandbreiten in den einzelnen Branchen (von ... bis), so dass es ratsam wäre, die Analysen um Ausreißer mit besonders hohen oder besonders niedrigen Werten zu bereinigen. Deshalb wird bei eigenen Berechnungen auch regelmäßig empfohlen, den Median zu verwenden, der den Einfluss solcher Ausreißer bereits reduziert.
Branche |
Börsen-Multiples |
Experten-Multiples Small-Cap |
Experten-Multiples Mid-Cap |
|
EBIT-Multiple |
Umsatz-Multiple |
EBIT-Multiple |
Umsatz-Multiple |
EBIT-Multiple |
Umsatz-Multiple |
|
|
|
von |
bis |
von |
bis |
von |
bis |
von |
bis |
Beratende Dienstleistungen |
n. v. |
n. v. |
6,4 |
8,7 |
0,71 |
1,00 |
7,1 |
9,0 |
0,81 |
1,12 |
Software |
10,5 |
2,13 |
7,7 |
10,0 |
1,29 |
1,78 |
8,5 |
10,9 |
1,48 |
2,01 |
Telekommunikation |
11,8 |
1,80 |
7,4 |
9,1 |
0,90 |
1,25 |
8,3 |
10,0 |
1,05 |
1,40 |
Medien |
11,7 |
1,72 |
6,7 |
9,0 |
0,90 |
1,50 |
7,5 |
10,0 |
1,10 |
1,65 |
Handel und E-Commerce |
13,0 |
1,94 |
6,5 |
8,8 |
0,58 |
0,91 |
7,4 |
9,9 |
0,65 |
1,10 |
Transport, Logistik und Touristik |
9,9 |
0,91 |
6,0 |
8,0 |
0,50 |
0,80 |
7,0 |
9,0 |
0,50 |
0,89 |
Elektrotechnik und Elektronik |
11,2 |
1,75 |
6,6 |
8,6 |
0,68 |
1,00 |
7,5 |
9,8 |
0,75 |
1,10 |
Fahrzeugbau und -zubehör |
8,6 |
0,81 |
6,0 |
7,9 |
0,58 |
0,88 |
6,7 |
9,0 |
0,63 |
0,98 |
Maschinen- und Anlagenbau |
13,7 |
1,21 |
6,8 |
8,2 |
0,70 |
1,00 |
7,5 |
9,3 |
0,72 |
1,04 |
Chemie und Kosmetik |
9,4 |
1,08 |
7,6 |
9,5 |
0,95 |
1,30 |
8,1 |
10,5 |
1,07 |
1,50 |
Pharma |
8,7 |
1,52 |
8,1 |
10,3 |
1,40 |
2,00 |
9,0 |
11,1 |
1,49 |
2,10 |
Textil und Bekleidung |
7,8 |
1,06 |
6,2 |
7,9 |
0,70 |
0,97 |
6,8 |
8,5 |
0,79 |
1,06 |
Nahrungs- und Genussmittel |
7,0 |
0,44 |
7,5 |
9,5 |
0,95 |
1,32 |
8,5 |
10,4 |
1,01 |
1,48 |
Gas, Strom, Wasser |
10,9 |
0,69 |
6,0 |
7,8 |
0,70 |
1,00 |
6,5 |
8,5 |
0,75 |
1,12 |
Umwelttechnologie |
n. v. |
n. v. |
6,6 |
8,2 |
0,72 |
1,06 |
7,6 |
9,3 |
0,84 |
1,20 |
Bau und Handwerk |
9,8 |
0,73 |
5,4 |
7,2 |
0,50 |
0,77 |
6,3 |
8,3 |
0,53 |
0,80 |
Small-Cap: Umternehmensumsatz unter EUR 50 Mio. Mid-Cap: Unternehmensumsatz EUR 50 Mio. bis EUR 250 Mio. |
Abb. 5: Branchenmultiplikatoren
3.3 Festlegung der "richtigen" Bezugsgröße
Neben der Festlegung des Multiplikators liegt eine weitere Herausforderung in der Bestimmung der geeigneten Bezugsgröße. Da es – vergleichbar zur DCF-Methode – um die Wertermittlung auf Basis der (zukünftigen) Ertragskraft des Unternehmens geht, sollte bei Verwendung des Umsatzmultiplikators die Umsatzrendite bei Vergleichsgruppe und Bewertungsobjekt identisch sein. Alternativ kann direkt auf eine Bezugsgröße abgestellt werden, die – wie der EBIT oder EBITDA – für die Ertragskraft des Unternehmens steht.
Darüber hinaus gibt es einen zeitlichen Aspekt, der berücksichtigt werden muss. So kann es einen erheblichen Unterschied machen, ob auf historische Werte (z. B....