Katrin Kuhls, Lothar Kuhls
4.1 Ausgangssituation
Es handelt sich um ein traditionelles Handwerksunternehmen. In der vierten Generation wird die Bäckerei von der Familie geführt. Das Unternehmen produziert Bio-Produkte in einer hochmodernen Backstube. Mit zehn Filialen erwirtschaftet das Unternehmen eine stabile Ertragslage und erfreut eine treue Kundschaft mit hochwertigen Backwaren. Die rund 60 Mitarbeiter sind zum großen Teil mehr als zehn Jahre im Unternehmen.
Der Unternehmer ist über 65 Jahre alt und nach Jahren intensiven Engagements, das u. a. die Umstellung auf Bio-Produkte erforderte, will er nun kürzer treten. Für ihn bedeutet das aber noch nicht die komplette Übergabe verbunden mit einem vollständigen Rückzug. Er möchte weiterhin gebraucht werden, die strategischen Entscheidungen mitgestalten, die Finanzen des Unternehmens managen und an zwei bis drei Wochentagen gern gesehener Chef im Unternehmen sein – verbunden mit der Freiheit auch weniger oft präsent zu sein. Denn das gesamte Tagesgeschäft sowie das Führen des Personals belastet ihn inzwischen.
4.1.1 Besondere familiäre Situation
Mut größere Brötchen zu backen …
Der aktuelle Familieninhaber wurde vom Vater in den Beruf gedrängt. Eine Situation, die er seinen eigenen Kindern, die noch nicht erwachsen sind, ersparen möchte. Andererseits gibt es eine hohe Motivation in ihm, das Unternehmen für die nächste Generation zu bewahren.
Da er gesund ist und sich fit fühlt, ist es für ihn nicht ausgeschlossen, auf dem Level eines Familienstatthalters noch sieben bis zehn Jahre weiter zu arbeiten. Auf diese Weise hofft er, weiter tätig zu sein und gleichzeitig den Kindern genügend Zeit für die notwendige Selbstfindung und berufliche Orientierung zu geben.
Abb. 3: Drei-Kreise-Modell der Familienunternehmen
4.2 Phasen der Umsetzung
Begonnen hat der Auftrag mit einem Coaching des Backstubenleiters. Nach einer daraus folgenden Konfliktklärung zwischen ihm und dem Unternehmer haben wir das Thema Unternehmensnachfolge und Unternehmenssicherung angesprochen.
Phase 1
In mehreren Gesprächen haben wir mit dem Unternehmer seine derzeitige Situation als Unternehmer, als Privatperson und als Vater beleuchtet und seine Bedürfnisse und Wünsche zunächst für die nahe Zukunft herausgearbeitet. Der Unternehmer hat mehrere Varianten für sich geprüft – den Verkauf, die Übergabe an einen Mitarbeiter, einfach weiter wie bisher. Dazu hat er Gespräche mit seinen Banken, seinem Steuerberater sowie die Beratung der Innung und der Handwerkskammer gesucht. Schließlich haben wir eine für die derzeitige Situation beste Lösung gefunden.
Lösung für die nächsten Jahre
Der Unternehmer arbeitet weiter im Unternehmen mit einem zeitlichen Aufwand von zwischen 15 und 20 Stunden. Es wird ein Führungsteam berufen, das aus den drei wichtigsten Mitarbeitern besteht: Produktionsleiter, Verkaufsleiterin, kaufmännische Mitarbeiterin. Sie sollen in enger Abstimmung miteinander die Führung des operativen Geschäfts übernehmen.
Phase 2: Entwicklung des Führungsteams
Das Führungsteam wurde in einem strukturierten Prozess auf die neue Konstellation vorbereitet. Zunächst ging es für die drei Personen darum, den neuen Auftrag anzunehmen, dass jeder von ihnen mehr Verantwortung für das Unternehmen übernimmt. Parallel mussten sie für sich Formen der Zusammenarbeit finden, die zu ihrer Persönlichkeit und der Unternehmensstruktur passt. Herausfordernd war es insbesondere, Entscheidungen zu treffen, ohne den Chef zu fragen und das, obgleich er ja noch greifbar war. Vor allem schwierige Personalentscheidungen führten immer wieder zu Diskussionen, die eigentlich nach dem Machtwort des Chefs verlangten.
Begleitend dazu standen wir den Führungskräften als Coach zur Seite, um…
- die neue Rolle zu klären,
- Führungstechniken kennen zu lernen und
- für besondere Führungssituationen Handlungsalternativen zu erarbeiten.
Zwischenergebnis
- Die Konflikte wurden beigelegt, die Konfliktsensibilität und die Bereitschaft, die Konflikte anzugehen, ist gestiegen.
- Regelmäßige Gesprächsrunden haben sich etabliert. Das gegenseitige Verständnis für die Belange von Verkauf und Produktion hat sich vertieft.
- Die Kommunikation unter den leitenden Mitarbeiter ist deutlich gestärkt.
Phase 3: Mut zu neuen Schritten schafft eine Erfolgs-Backmischung
Das Führungsteam hat sich soweit stabilisiert, sodass im nächsten Schritt weitergehende Aufgaben der Unternehmensführung übertragen werden können. Ziel muss es sein, dass dieses Team die Zukunftssicherung des Unternehmens als seine Verantwortung annimmt. Dazu gehört die Entwicklung neuer Produkte beziehungsweise Produktlinien, das Eröffnen zusätzlicher Filialen, bis hin zur Entdeckung neuer Vertriebswege, Ladenkonzepte, Kooperationsideen und so weiter.