Jörg Hanken, Guido Kleinhietpaß
Zusammenfassung
Die Entwicklung einer Verrechnungspreis-Struktur, die sowohl aus steuerrechtlicher Sicht von den Staaten, in denen die wesentlichen Konzerngesellschaften aktiv sind, akzeptiert werden kann, als auch mit den betriebswirtschaftlichen Lenkungs-/Steuerungsmodellen harmoniert, ist eine wahre Kunst. Sie erfordert eine enge Abstimmung und eine kooperative und kompromissbereite Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Fachabteilungen, insbesondere der Steuer- und der Controllingabteilung.
Folgende Gesetze und Verordnungen sind maßgeblich für die steuerrechtliche Bewertung von Verrechnungspreisen:
1 Einführung
Heutzutage findet nach Schätzungen der OECD und des Bundesministeriums der Finanzen in etwa 60% des weltweiten Handels zwischen verbundenen Unternehmen statt. Dies zeigt die Bedeutung von Verrechnungspreisen („VP”) – auch aus einer gesamtwirtschaftlichen Sicht. Nach eigener langjähriger Projekterfahrung mit internationalen Konzernen verschiedenster Branchen entspricht das konzerninterne Rechnungsvolumen in etwa 40% bis 60% des konsolidierten Konzernumsatzes. Es handelt sich also um eine signifikant hohe Anzahl an konzerninternen Transaktionen, hohe Fakturavolumen, bedeutsame Fehleranfälligkeiten sowie i. d. R. erhebliche Prozesskosten, die im Konzern sowohl global wie auch interdisziplinär entstehen. Die ausführliche Darstellung eines vollständigen und typischen Verrechnungspreiszyklus sowie eine Beschreibung der üblicherweise involvierten Fachabteilungen finden Sie in Teil A, Kapitel 4.
Für Unternehmen sind Verrechnungspreise aus zwei Gründen relevant: Sie können einerseits zu konzerninternen Lenkungs- bzw. Steuerungszwecken herangezogen verwendet und müssen andererseits aus steuerrechtlicher Sicht fremdüblich (d. h. so wie sie Konzernfremde vereinbart hätten) gebildet und dokumentiert werden. Die den Verrechnungspreisen zugrunde liegenden Transaktionen können dabei sehr vielfältig sein, wie folgendes Schaubild zeigt:
Abb. 1: Verrechnungspreisen zugrunde liegende Transaktionen
Da die Lenkungsfunktion einerseits sowie die steuerliche Angemessenheit der VP andererseits jeweils unterschiedliche Stakeholder betreffen – das sind zum einen die Unternehmen bzw. Gesellschafter und zum anderen die Finanzverwaltungen –, kann man nicht davon ausgehen, dass ein gewählter VP ohne Weiteres geeignet ist, beide Ziele gleichermaßen gut zu erfüllen. In vielen Praxisfällen ergeben sich Zielkonflikte zwischen betriebswirtschaftlichen Steuerungskonzepten und steuerlich angemessenen VP-Strukturen, aber auch zwischen zwei oder mehreren Finanzverwaltungen hinsichtlich der Beurteilung, ob und inwieweit die gewählten VP aus steuerlicher Sicht fremdüblich sind.
Die folgende Abbildung stellt die Ziele von Verrechnungspreisen sowohl aus der Controlling- als auch aus der steuerlichen Perspektive dar. Dieses Buch vermittelt Ihnen die Grundlagen beider Sichtweisen: Es beschreibt die steuerliche Betrachtungsweise ebenso wie die Controllingperspektive und es wird Ihnen dabei helfen, die Unterschiede und Gemeinsamkeiten beider Sichtweisen fallbezogen zu erkennen. Ferner gibt es Ihnen Lösungshinweise für ein abgestimmtes Vorgehen.
Abb. 2: Ziele von Verrechnungspreisen
Fazit
Zusammenfassend besteht die Kunst darin, eine VP-Struktur zu entwickeln, die sowohl aus steuerrechtlicher Sicht von den Staaten, in denen die wesentlichen Konzerngesellschaften aktiv sind, akzeptiert werden kann, als auch mit den betriebswirtschaftlichen Lenkungs-/Steuerungsmodellen harmoniert. Dies erfordert eine enge Abstimmung und eine kooperative und kompromissbereite Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Fachabteilungen, insbesondere der Steuer- und der Controllingabteilung.
2 Bedeutung von Verrechnungspreisen aus Controllingsicht
Aus betriebswirtschaftlicher Sicht werden Verrechnungspreise als Wertansätze, zu denen Leistungen zwischen Teilbereichen eines Unternehmens ausgetauscht werden, definiert. Der Austausch von Leistung und Kosten findet direkt zwischen beiden beteiligten Kostenstellen statt. Wie die Kostenstelle in die Hierarchie oder Organisation eingebunden ist, spielt zunächst keine Rolle. Jede Kostenstelle kann verschiedenen Bezugsobjekten (z. B. Produktgruppe, Region, Vertriebsweg, Sparte, Legaleinheit) direkt zugeordnet sein. Für die verbundenen Bezugsobjekte können die Kosten der Leistung als Einzelkosten ausgewiesen werden. Dadurch lassen sich aussagekräftige mehrdimensionale Ergebnisrechnungen aufbauen. Für viele Firmen ist es gesetzlich vorgeschrieben, mindestens zwei dieser Rechnungen im Geschäftsbericht auszuweisen („Segmentberichterstattung”). Verrechnungspreise erzeugen dadurch Transparenz über Leistungsgeber und -nehmer und dienen der Gewinnermittlung.
Die Kosten und/oder das Ergebnis beeinflussen die Zielerreichung der Bonusvereinbarung der Mitarbeiter. Ihr Eigeninteresse wird auf diese Weise mit dem Firmeninteresse verbunden. Das dient der Motivation und der Anreizsteuerung. Der ...