Allgemeingültigkeit
Die Kombination aus stark aggregiertem Top-down-Budget und sehr detailliertem Vertriebsforecast lässt sich in den unterschiedlichsten Branchen einsetzen, was an zwei Extrembeispielen erläutert werden soll:
- Unterhaltungselektronik: Im sehr kleinteiligen und schnelllebigen Geschäft mit Unterhaltungselektronikprodukten ist aufgrund der kurzen Produktlebenszyklen eine detaillierte Budgetierung auf Kunden- und Produktebene nicht sinnvoll – zum Zeitpunkt der Budgetierung können hier noch keine seriösen Detailpläne erstellt werden. Absatz- und Preisplanung im Rahmen des Budgets orientieren sich hier an strategischen Vorgaben (Produktmix, Preispositionierung) sowie an Erfahrungswerten (Saisonalisierung, z. B. Weihnachtsgeschäft) und erfolgen z. B. auf Produktgruppen- und Vertriebskanalebene. Dennoch muss natürlich auch entschieden werden, welche Produkte wann produziert werden. Die Basisinformation hierzu liefert der Rolling Forecast, der Absatz und Preis für feste und hochwahrscheinliche Kundenaufträge (in diesem Fall des Handels) enthält und dessen Foreacst-Periode natürlich mit den Vorlaufzeiten der Produktion abgestimmt sein muss.
- Maschinenbau: Auch im sehr "großteiligen" und nicht ganz so schnelllebigen Maschinenbau ist eine detaillierte produkt- und kundenbezogene Planung oft nicht sinnvoll. Auch hier können zum Zeitpunkt der Budgetierung meist keine seriösen Detailpläne erstellt werden, da vergleichsweise wenige Großaufträge mit oft nicht vorhersagbaren Kunden zu den Umsätzen führen. Auch die Saisonalisierung ist oft kaum planbar. Wie in der Unterhaltungselektronik orientieren sich hier die Budgets an strategischen Vorgaben sowie Erfahrungswerten. Die detaillierte Verfolgung der Vertriebsaktivitäten sowie die Produktionsplanung erfolgen hier ebenfalls über den Vertriebsforecast. Im Auftrags- oder Projektgeschäft wird an dieser Stelle gerne der Verkaufstrichter eingesetzt (s. Abb. 8), der nicht nur "sichere" Umsätze abbildet, sondern auch Aufträge in verschiedenen Stadien des Angebotsprozesses.
Abb. 8: Der Verkaufstrichter ("Sales Funnel")
Irrwege der Planung vermeiden
Der Verkaufstrichter verleitet allerdings auch zu Irrwegen der Vertriebsplanung, nämlich der auftragsbezogenen Budgetierung. Hier fließen zunächst bereits vertraglich fixierte Umsätze von bereits laufenden oder schon beschlossenen Aufträgen ein. Da diese i. d. R. nicht das ganze Jahr abdecken, muss der Rest des Jahres mit noch unsicheren, geschätzten Umsätzen "gefüllt" werden. Dabei ist die Planungsunsicherheit umso größer, je kürzer die typische Auftragsdauer ist. Weit verbreitet, aber nicht zu empfehlen ist die Planung auf Basis von Erwartungswerten. Dabei werden den potenziellen Aufträgen aus dem Verkaufstrichter (s. Abb. 8) Umsätze und Wahrscheinlichkeiten zugeordnet. Der Planumsatz eines Auftrags errechnet sich als Erwartungswert durch Multiplikation von Planumsatz und Eintrittswahrscheinlichkeit.
Scheingenauigkeit hinterfragen
Doch was ist an dieser Vorgehensweise nun auszusetzen? Es handelt sich schließlich um eine datenbasierte Planung, die auf den bestmöglichen verfügbaren Informationen beruht. Doch leider sind diese Informationen manipulierbar, die Methodik neigt dazu, zum Schönrechnen von Planzahlen missbraucht zu werden: Wer kann schon den Unterschied zwischen einer 70 %igen und einer 80 %igen Eintrittswahrscheinlichkeit an seriösen Fakten festmachen? Zudem ist die Methodik nicht unbedingt nah an der Realität: Zehn Aufträge à 10 % Eintrittswahrscheinlichkeit addieren sich zu einem Auftrag à 100 %, obwohl es gut möglich ist, dass keiner der Aufträge an Land gezogen wird. Manche Unternehmen versuchen, dieses Problem zu umgehen, indem sie eine Wahrscheinlichkeitsschwelle einziehen und z. B. nur Aufträge mit einer Wahrscheinlichkeit von größer als 50 % in die Umsatzplanung mit einbeziehen. Doch auch dies ist kritisch zu betrachten: Wer kennt nicht die "Nur noch"-Aufträge, die mit 99 % Wahrscheinlichkeit in die Berechnung eingehen, weil "nur noch" die Unterschrift des Kunden fehlt? Doch leider kennt jeder auch die Aufträge, die dann doch nicht gekommen sind und somit gleich ein dickes Loch in die Umsatzplanung gerissen haben.
Doch was ist die Alternative? In diesem Fall ist die oben erwähnte pauschale Umsatzplanung auf Basis von strategischen Vorgaben, Erfahrungswerten, der Markteinschätzung sowie der Einschätzung laufender Verhandlungen zu bevorzugen. Auf diese Weise vermeidet man Scheingenauigkeiten, Manipulationen und Luftbuchungen, ohne allerdings der Grundproblematik der Planungsunsicherheit zu entgehen.