In Abbildung 2 ist eine kleine Auswahl an Entscheidungssituationen aus einem mittelständischen produzierenden Familienunternehmen zu sehen. Es fällt sofort auf, dass die Entscheidungen sehr unterschiedlicher Art sind. Manche Entscheidungen haben einen langen, andere einen kurzen Zeithorizont; die finanzielle Wirkung bzw. die daran hängenden Kosten sind sehr unterschiedlich. Manche können nach einem standardisierten Verfahren behandelt werden, andere wiederum müssen sehr individuell beantwortet werden. Eine weitere Unterscheidung kann nach operativer oder strategischer Tragweite vorgenommen werden, wie das auch in Abb. 2 erfolgt ist.
Abb. 2: Typische Entscheidungssituationen in einem mittelständischen Unternehmen
Eine Gliederung der Entscheidungen nach Kategorien kann Klarheit darüber schaffen, in welcher Art die Entscheidungsfindung vorgenommen werden soll. In Abbildung 3 sind vier Kategorien dargestellt.
Abb. 3: Eine Kategorisierung der Entscheidungen hilft bei der Festlegung der Entscheidungsprozesse u. -verantwortlichkeiten sowie bei der Wahl der Entscheidungsinstrumente
Die Kategorisierung der Entscheidungen zwingt einen dazu, darüber nachzudenken, welche Entscheidungen in welcher Form und mit welcher Methode zu treffen sind. Die Unterscheidung nach operativ und strategisch legt fest, mit welcher Herangehensweise Fragestellungen behandelt werden. Anhand eines Beispiels soll dies erläutert werden.
4.1 Entscheidungskategorie strategisch/operativ am Beispiel einer Maschineninvestition erläutert
Wenn die Entscheidung ansteht, ob der Maschinenpark erneuert werden soll, ob also eine Investition getätigt werden soll, dann drängt es sich förmlich auf, das Werkzeug der Investitionsrechnung anzuwenden. Offen ist noch, ob das Kostenvergleichsverfahren ausreichend ist oder das Discounted-Cash-Flow-Verfahren angewendet werden soll. Mit der Kostenvergleichsrechnung wird geklärt, welches Herstellungsverfahren günstiger ist – der alte Maschinenpark kann dem neuen gegenübergestellt werden oder auch zwei neue Alternativen können miteinander verglichen werden. Dazu wird man die Kostenveränderung im Herstellungsprozess betrachten: Die neue Maschine wird vermutlich die Herstellung im Prozess beschleunigen, vielleicht können Arbeitsschritte eingespart und somit Personalkosten pro Stück verringert werden, vermutlich haben die neuen Maschinen auch geringere laufende Kosten (Energieverbrauch, Wartung, Werkzeugverschleiß, ...). Die Herstellungskosten können also mit der neuen Anlage im Vergleich zur alten Anlage vermutlich verringert werden, vielleicht sogar gravierend.
Doch damit ist noch nicht geklärt, ob sich die Investition rechnet. Die Einsparung pro Jahr muss über die Nutzungszeit der Anlage der Investitionsausgabe gegenübergestellt werden. Da die Einsparungen der Zukunft der Investition der Gegenwart gegenübergestellt werden müssen, sind die zukünftigen Einsparungen abzuzinsen – somit müsste das "Discounted-Cash-Flow-Verfahren" angewendet werden. Die Kostenvergleichsrechnung reicht also nicht aus. Es ist die Frage zu klären, ob sich diese Investition amortisiert. Bis wann sich die Investition lohnt, hängt neben den Beschaffungskosten sehr stark von der Auslastung der Maschine ab. Weitere Hebel sind die angesetzte Nutzungszeit und der verwendete Abzinsungsfaktor/Diskontierungsfaktor. Die Berechnungen könnten nun aufzeigen, dass sich die Investition eindeutig rechnet. Vielleicht aber werden die Amortisationsziele auch nicht so klar erreicht, dann kann es auch mal passieren, dass die Zahlen so lange geschönt werden, bis man die Amortisation innerhalb der Lebensdauer der Maschine erreicht hat und am Ende wird die Maschine gekauft, weil diese halt jemand haben möchte. Im Nachgang weiß man zwar, dass alles nur "schöngerechnet" wurde – wenn es keine Investitions-Nachbetrachtung gibt, fällt das aber auch nicht weiter auf. Das Gefühl bleibt vielleicht hängen, dass die Entscheidungsfindung im Unternehmen noch zu verbessern ist.
Im Prozess der Entscheidungsfindung wird oft über operative Einflussfaktoren und Themen diskutiert – so, wie ich mich hier in operative Einzelheiten über das DCF-Verfahren oder das Kostenvergleichsverfahren verliere, so verliert man sich in den Unternehmen auch in vielen Detaildiskussionen. Sie sind "operativ gefangen", es passiert einfach mit Ihnen und der Blick auf das Wesentliche geht verloren.
Würde man gezwungen sein, noch bevor man über all die operativen Hebel spricht, zu klären, ob diese Investition auch einen strategischen Aspekt hat, dann muss die Fragestellung mit anderen Instrumenten bearbeitet werden. Noch bevor man eine Investitionsrechnung mit dem DCF-Verfahren beginnt, ist die strategische Frage zu klären, ob das Produkt, das man mit dieser Maschine herstellt, auch tatsächlich über die gesamte Nutzungszeit vom Kunden nachgefragt wird bzw. ob alternativ ein anderes Nachfolgeprodukt damit hergestellt werden kann. Zu klären ist auch, ob man als Unternehmen selbst das Produkt tatsächlich so lange anbieten möchte. Nicht die Maschine soll einen dazu zwingen, das Produkt herstellen zu müssen (weil doch...