Prof. Dr. Harald Kessler, Dr. Carola Rinker
1.1 Ausweisnormen als Abgrenzungshinweise
Der Begriff der Vorräte ist weder handels- noch steuerrechtlich definiert. Hinweise auf den Inhalt dieses Postens finden sich in der handelsrechtlichen Bilanzgliederungsvorschrift für Kapitalgesellschaften in § 266 Abs. 2 B. I. HGB sowie in einigen ergänzenden Ausweisnormen. Diese Normen charakterisieren Vorräte als Teil des bilanziellen Umlaufvermögens. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit einer Abgrenzung zum Anlagevermögen. Sie ist nicht zuletzt mit Blick auf die unterschiedlichen Bewertungsvorschriften von Bedeutung. Diese unterschiedlichen Bewertungsvorschriften ergeben sich bspw. dadurch, dass Umlaufvermögen lediglich außerplanmäßig abgeschrieben wird.
Innerhalb des Umlaufvermögens interessiert v.a. die Unterscheidung von den getrennt auszuweisenden Forderungen und sonstigen Vermögensgegenständen. Zudem ist im Interesse der formellen Ordnungsmäßigkeit des handelsrechtlichen Jahresabschlusses der Posteninhalt der in § 266 Abs. 2 B. I. HGB aufgeführten Unterkategorien der Vorräte zu klären.
Das Steuerbilanzrecht enthält keine eigenständigen Abgrenzungshinweise. Über den Maßgeblichkeitsgrundsatz des § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG gelten die handelsrechtlichen Überlegungen sinngemäß. Für die Abgrenzung des Anlagevermögens vom Umlaufvermögen hat dies der BFH mehrfach bestätigt. Auch in der Gliederungssystematik des § 266 HGB sieht er nicht nur eine handelsrechtliche Ausweisvorschrift für Kapitalgesellschaften, sondern eine materielle Regelung zum Ansatz von Vermögensgegenständen, die als Ausdruck der handelsrechtlichen GoB für die steuerrechtliche Gewinnermittlung verbindlich ist. Umgekehrt sind die Judikate des BFH zur Abgrenzung der einzelnen Vermögensbereiche als Konkretisierungen der handelsrechtlichen GoB anzusehen und damit (auch) für die Handelsbilanz relevant.
1.2 Abgrenzung zum Anlagevermögen
Gem. § 247 Abs. 2 HGB sind "beim Anlagevermögen … nur die Gegenstände auszuweisen, die bestimmt sind, dauernd dem Geschäftsbetrieb zu dienen". Eine gesetzliche Definition des Umlaufvermögens gibt es nicht. Daher wird aus der gesetzlichen Definition des Anlagevermögens im Umkehrschluss gefolgert, dass Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens gerade nicht die Zweckbestimmung des dauernden Dienens auszeichnet, sondern alsbald zum Verbrauch, zur Veräußerung oder zur Einziehung bestimmt sind.
Die betriebliche Zweckbestimmung beurteilt sich zum einen nach den (objektiven) Eigenschaften des Vermögensgegenstands, zum anderen nach seiner (subjektiven) Widmung durch den Kaufmann. Maßgebend sind jeweils die Verhältnisse am Abschlussstichtag unter Berücksichtigung bis zur Aufstellung zugehender werterhellender Tatsachen. Zu ihrer Klärung orientiert sich der BFH daran, ob es sich bei dem Bilanzierungsobjekt um ein Gebrauchs- oder Verbrauchsgut handelt. Während für Gebrauchsgüter die Möglichkeit und Absicht einer mehrfachen Verwendung für betriebliche Zwecke besteht, stehen Verbrauchsgüter nur für einen einmaligen Nutzenvorgang zur Verfügung.
Werkzeuge und Ersatzteile
Nach dieser Unterscheidung sind z. B. mehrmalig einsetzbare Werkzeuge dem Anlagevermögen zuzurechnen. Werkzeuge, die sich während der Ausführung eines Auftrags verschleißen oder aufgrund ihrer Beschaffenheit nur für einen einzigen Auftrag Verwendung finden können, rechnen dagegen als Betriebsstoffe zum Umlaufvermögen. Ersatzteile sind als Gebrauchsgüter grundsätzlich zusammen mit den entsprechenden Anlagen oder Maschinen zu aktivieren. Handelt es sich weder um Spezialreserveteile, die nur in bestimmten Anlagen genutzt werden können, noch um Teile der Erstausstattung, kommt auch ein Ausweis im Vorratsvermögen in Betracht.
Abgrenzung bei nebeneinander stehender Gebrauchs- und Verwertungsabsicht
Bestehen beim Bilanzierenden Gebrauchs- und Verwertungsabsicht nebeneinander, kommt es für die Zurechnung darauf an, welche Zweckbestimmung am Abschlussstichtag dominiert. Demzufolge gehören Vorführwagen eines Kraftfahrzeughändlers ebenso wie Musterhäuser eines Fertighausherstellers regelmäßig zum Anlagevermögen. Eine von Anfang an beabsichtigte Veräußerung des Vermögensgegenstands vor Ablauf seiner technischen Nutzungsdauer genügt bei längerfristiger betrieblicher Nutzung nicht zur Zuordnung zum Umlaufvermögen.
Das Zeitelement ("dauernd" bzw. "nicht dauernd") kommt als Abgrenzungsmerkmal nur dann zum Tragen, wenn Art oder Einsatz eines Vermögensgegenstands im Betrieb nicht auf eine eindeutige Zweckbestimmung schließen lassen (z. B. bei Finanzanlagen). Auf Vorräte trifft diese Voraussetzung nicht zu. Für sie gibt die im Begriff "dauernd" zum Ausdruck kommende Zeitbestimm...