Dr. Hendrik Vater, Elena Bail
Operative Kapitalbindung in Tagen
Das Working Capital wird heute mit einer Vielzahl an Kennzahlen gemessen. Dabei haben sich in der Praxis vielfach Kennzahlen durchgesetzt, die das Working Capital in Relation zur Umsatztätigkeit messen. Insbesondere der C2C-Cycle ("Cash to Cash"-Kreislauf = operative Kapitalbindungsdauer) hat dabei eine dominierende Stellung erlangt. Der C2C-Cycle wird auch unter den Begriffen Net Working Capital Days oder CCC – Cash Conversion Cycle verwendet. Er definiert die durchschnittlich benötigte Kapitaldeckungs-Zeitspanne, die es dauert, bis ein Euro, der für Rohmaterialien oder Dienstleistungen ausgegeben wurde, von den Kunden an das Unternehmen zurückfließt. Der C2C-Cycle misst somit die operative Kapitalbindung in Tagen.
Grundsätzlich errechnet sich der C2C-Cycle aus der Vorratsreichweite (DIO – Days Inventory Outstanding) zuzüglich der Außenstandsdauer der Forderungen (DSO – Days Sales Outstanding) abzüglich der Verbindlichkeitsdauer (DPO – Days Payables Outstanding).
Abb. 4: Berechnung des C2C-Cycles
Die konkrete Berechnung des C2C-Cycles hängt einerseits von den im Working Capital berücksichtigten Bestandteilen ab. So sind die in Abb. 2 verwendeten Positionen unternehmensindividuell gemäß Abb. 4 zu bestimmen. Andererseits ist zwischen unterschiedlichen in der Literatur verfügbaren Definitionen zur Berechnung des C2C-Cycle abzuwägen. Im Fall der DIO erscheint es z. B. richtiger, die durch das Umsatzvolumen ausgelösten Kosten (Umsatzkosten – cost of sales) als Basisbezugsgröße zu verwenden, weil diese auch zur bilanziellen Bewertung der Vorräte herangezogen werden und damit die Relation zwischen Bilanzposition und Umsatzgröße konsistenter ist.
Andererseits wird aus Vereinfachungsgründen oft auch direkt der Umsatz verwendet. Dies ist weniger exakt, hat aber den Vorteil, dass zur Berechnung kein Umsatzkostenverfahren vorausgesetzt wird sowie eine klare Beziehung zur Kennzahl Working Capital in % des Umsatzes besteht. Dadurch kann der C2C-Cycle auch für Unternehmen ermittelt werden, die ihre Erfolgsrechnung nach dem Gesamtkostenverfahren durchführen. Des Weiteren gibt es Unterschiede in vielen Details der Berechnung, z. B. 360 vs. 365 Tage, Umsatz vs. Betriebsleistung oder die Anpassung der Nettowerte bei Umsatz und Kosten an die Bruttowerte der Forderungen und Verbindlichkeiten.
Berechnungsdetails sind bei gleichbleibendem Maßstab unerheblich, Entwicklung im Zeitablauf zählt
Diese Berechnungsdetails sind jedoch für das eigentliche Working Capital Management in einem Unternehmen unerheblich. Viel entscheidender ist es, die Reduktion der Kapitalbindungsdauer im Zeitverlauf mit einem gleichbleibenden Maßstab zu messen. Für denjenigen, der sich extern vergleichen möchte, ist es beim Benchmarking unumgänglich, Daten-Details (z. B. Factoring ja/nein) der Wettbewerbsunternehmen zu berücksichtigen, um aussagekräftige Schlüsse über die Effizienz des dortigen Working Capital Managements zu ziehen.
In der Unternehmenspraxis wird i. d. R. auf 3 unterschiedliche Kennzahlen-Formate zurückgegriffen, die auf relativ einfache Art Transparenz schaffen; dabei gewährleistet die Verfügbarkeit einer konsistenten Grundgröße die Vergleichbarkeit:
Format |
Grundgröße |
Formel |
Beispiel |
% vom Umsatz |
Umsatz |
WC / Gesamtumsatz |
90 Mio. EUR WC / 300 Mio. EUR Umsatz = 30 % |
-> Gibt an, wie viel anteiliges Working Capital bei einer Umsatzsteigerung für jeden zusätzlich generierten EUR bereitgestellt werden muss (soweit keine anderweitige Optimierung erreicht werden kann) |
Format |
Grundgröße |
Formel |
Beispiel |
Reichweite in Tagen |
Gesamtjahrestage |
WC /Umsatz * 365 |
90 Mio. EUR WC / 300 Mio. EUR Umsatz * 365 = 110 Tage |
-> Gibt an, wie viele Tage zwischenfinanziert werden müssen, bevor ein EUR investierten Kapitals als Zahlungseingang aus bezahltem Umsatz in das Unternehmen zurückfließt |
Format |
Grundgröße |
Formel |
Beispiel |
Umschlagshäufigkeiten |
* Umsatz |
1 / WC in % vom Umsatz |
1 / 30 % = 3,3 |
* Gesamtjahrestage |
365 / C2C |
365 / 110 = 3,3 |
-> Gibt an, wie oft pro Jahr ein und derselbe Euro, welcher in Working Capital investiert wurde, bezahlten Umsatz generiert. Umschlagshäufigkeiten zeigen in gleicher Weise (oder sogar besser), wie viel Geld für Wachstum benötigt wird. Im konkreten Beispiel: die Umschlagshäufigkeit 3,3 ist die Umkehrung der 30 % WC in Prozent vom Umsatz. Konkret heißt dies, dass 1 EUR Working Capital für 3,30 EUR Umsatz benötigt werden. |
Abb. 5: Kennzahlenformate
Selbstverständlich können die beiden übergeordneten Gesamt-Kennzahlen WC und C2C direkt auch in ihre Einzelelemente heruntergebrochen und diese dann im gleichen Verfahren wieder miteinander verglichen werden (die Interpretationen sind dann entsprechend auf die Positionen anzupassen):
Formelvarianten un...