Jochen Kröber, Christian Jonas
Um Working Capital Management nachhaltig im Unternehmen zu etablieren, muss eine ganzheitliche Betrachtung entlang der End-to-End-Prozesse verfolgt werden. Zur langfristigen Stabilisierung der Kennzahlen und Sicherstellung der Zielerreichung benötigt es vor allem eine direkte Verankerung in der Organisation. Dies umfasst eine klare Definition von Rollen und Verantwortlichkeiten. Darüber hinaus müssen das Ziel- und Führungssystem im Einklang mit den Working Capital Management Zielen gebracht werden sowie eine Betrachtung des Working Capital Management als unternehmensweite Initiative mit Fokus auf End-to-End-Prozesse, und damit losgelöst von Linienfunktionen, aufgesetzt werden.
5.1 Zielkonflikte auflösen
Da Working Capital Management eine funktionsübergreifende Aufgabe ist, müssen eine Vielzahl von komplexen Zielkonflikten aufgelöst werden, um ein ganzheitliches Optimum zu erreichen und alle unterschiedlichen Stakeholder im Rahmen des Working Capital Management zu beteiligen und zu integrieren. Dieser Sachverhalt lässt sich kurz an einer Betrachtung der grundsätzlichen Zielsetzungen der Funktionen verdeutlichen:
- Der Vertrieb hat meist das Ziel einen hohen Auftragseingang zu erreichen. Dazu sollen Produkte auf Bestand sein, die mit kurzer Lieferzeit verkauft werden können. Der Vertrieb wird daher tendenziell auf hohe Bestände drängen und, um einen hohen Auftragseingang zu erreichen, notgedrungen auch längere Zahlungsziele in Kauf nehmen.
- Die Produktion hat meist das Ziel, eine hohe Produktivität und Auslastung sowie niedrige Herstellkosten zu erreichen, und wird daher höhere Bestände gegenüber einer geringeren Auslastung der Maschinen oder hohen Rüstkosten grundsätzlich in Kauf nehmen.
- Der Einkauf hat das Ziel, niedrige Einkaufspreise zu erzielen, welche sich natürlich mit hohen Abnahmemengen und damit hohen Beständen oder auch möglichst kurzen Zahlungszielen einfacher realisieren lassen.
Hieraus lassen sich die zentralen Zielkonflikte zwischen Vertrieb, Produktion, Einkauf und Working Capital Management identifizieren, welche meist nur durch eine komplette Neuausrichtung von Zielsystem, Kennzahlen und Steuerungsmodellen aufgelöst werden können. Bei nicht aufgelösten, konträren Funktionszielen ist eine ganzheitliche Optimierung des Working Capital nur schwer möglich. Es benötigt dazu vor allem ein Working Capital Performance Management, übergreifende End-to-End-Prozesse sowie den Einbezug von Kultur und Kommunikation bzw. effektivem Change Management.
5.2 Klärung von Verantwortlichkeiten und Kompetenzbereichen
Da das Working Capital Management eine klassische Querschnittsaufgabe ist und im Sinne der übergreifenden End-to-End-Prozesse mehrere Funktionsbereiche betrifft, ist eine möglichst eindeutige Klärung und Zuordnung der Verantwortlichkeiten notwendig. Definierte Rollen über alle hierarchischen Ebenen hinweg sind notwendig, um nachhaltig die Erreichung der strategischen und operativen Working Capital Management-Ziele zu sichern. In vielen Unternehmen ist die gängige Praxis, dass die Verantwortung für Prozesse innerhalb der Funktionen aufgeteilt ist. Der Purchase-to-Pay Prozess mit Einfluss auf Verbindlichkeiten und Bestände an Rohwaren und Zukaufteilen liegt maßgeblich in der Hand von Einkauf und Beschaffung sowie der Finanzabteilung. Im Forecast-to-Fulfill liegt die Verantwortung für die Herstellung der Produkte und Erzeugnisse in der Produktion und im Supply Chain Management. Der Order-to-Cash Prozess liegt im Verantwortungsbereich des Vertriebs und der Finanzabteilung. Daraus ergibt sich eine hohe Notwendigkeit für die Zusammenarbeit und den übergreifenden Austausch zwischen Einkauf und Beschaffung, Produktion und Supply Chain Management sowie Vertrieb- und Finanzbereich.
Das Working Capital Management ist im Unternehmen und der Organisation klar zu verankern. Mögliche Ausprägungsstufen sind z. B. eine Verantwortung im Performance Management, da hier in den meisten Unternehmen eine übergreifende End-to-End-Sicht auf Prozesse und auf die gesamte Wertschöpfungskette durchaus eingenommen wird. Eine Verantwortung im Finanzbereich ist auch häufig anzutreffen, da durch die hohe Affinität zu finanzieller Steuerung sich Synergien hinsichtlich der Steuerungskennzahlen ergeben. Eine eher weiche Lösung könnte auch ein Working Capital Committee sein, welches mit den Funktionen besetzt ist und zentral alle Aktivitäten im Working Capital Management steuert.
Durch die Festlegung von Verantwortlichkeiten und Kompetenzen im Unternehmen erreicht man im Idealfall eine Bündelung des Working Capital Management an einer zentralen Anlaufstelle und kann daraus großen Schwung für die Implementierung schöpfen. Zusätzlich lässt sich ein hoher Grad an Aufmerksamkeit von Topmanagement und den beteiligten Mitarbeitern erreichen. Es zeigt sich dabei, dass es keinen allgemeinen Blueprint für eine Working Capital Organisation gibt, sondern die Ausgestaltung anhand der Ziele und auf Basis der spezifischen Unternehmensanforderungen vorgenommen werden muss.
Unabhängig von der Wahl der organisatorischen Ausgestaltung des Working ...