Tz. 59

Stand: EL 50 – ET: 06/2023

Beim Mindestschutz handelt es sich nach Art. 18 der Verordnung um "Verfahren, die von einem eine Wirtschaftstätigkeit ausübenden Unternehmen durchgeführt werden, um sicherzustellen, dass die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen und die Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte, einschließlich der Grundprinzipien und Rechte aus den acht Kern­übereinkommen, die in der Erklärung der Internationalen Arbeitsorganisation über grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit festgelegt sind, und aus der Internationalen Charta der Menschenrechte, befolgt werden" (Art. 18 Abs. 1 EU-Taxonomie-Verordnung).

Da Art. 3 Buchst. c) der Verordnung auf die "Einhaltung" des festgelegten Mindestschutzes abstellt, stellt sich die Frage, in welchem Maß eine Einhaltung zu erfolgen hat, um diesem Kriterium zu genügen. Dies ist besonders beachtlich vor dem Hintergrund, dass auf drei Rahmenwerken verwiesen wird, deren Beachtung erklärt werden soll:

  1. OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen (vgl. OECD (2011), OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen, OECD Publishing, http://dx.doi.org/ 10.1787/9789264122352-de (Abruf: 05.01.2023));
  2. Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte, (vgl. Deutsches Global Compact Netzwerk, 2014) einschließlich der Grundprinzipien und Rechte aus den acht Kernübereinkommen, die in der Erklärung der Internationalen Arbeitsorganisation (International Labour Organisation – ILO) über grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit festgelegt sind;
  3. Internationale Charta der Menschenrechte (vgl. Resolution 217 A (III) der Generalversammlung vom 10. Dezember 1948. Vgl. Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, https://unric.org/de/wp-content/uploads/sites/4/2019/12/UDHR-dt.pdf (Abruf: 05.01.2023)).

Zu den Grundprinzipien und Rechten der ILO zählen (vgl. Internationale Arbeitsorganisation (IAO),1998, S. 5):

  1. die Vereinigungsfreiheit und die effektive Anerkennung des Rechts zu Kollektivverhandlungen;
  2. die Beseitigung aller Formen von Zwangs- oder Pflichtarbeit;
  3. die effektive Abschaffung der Kinderarbeit;
  4. die Beseitigung der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf.
 

Tz. 60

Stand: EL 50 – ET: 06/2023

Die Rahmenwerke selbst beinhalten teilweise Regelungen, die die Einrichtung von Systemen zur Einhaltung der Regelungen und Prinzipien fordern. Folglich stellt sich die Frage, ob nicht nur die Angemessenheit, sondern auch die Wirksamkeit der Systeme zur Wahrung der Mindeststandards eine Voraussetzung zur "Einhaltung des Mindestschutzes" darstellt. Diese Frage ist derzeit ungeklärt, erscheint aber vor dem Hintergrund der Zielsetzung der EU-Taxonomie-Verordnung relevant zu sein. Zumindest ist zu erwägen, die im Unternehmen etablierten Systeme zu beschreiben und eine Aussage hinsichtlich ihrer Wirksamkeit bzw. ihres "Outcomes" zu treffen (vgl. Platform on sustainable finance, 2022, S. 32ff.).

 

Tz. 61

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Anwendungshinweise zur Beachtung des Mindestschutzes liefert die im Oktober 2022 von der Plattform für ein nachhaltiges Finanzwesen (Platform on Sustainable Finance) als für die EU-Kommission etabliertes Beratungsgremium gemäß Art. 20 der Verordnung herausgegebene Bericht (vgl. Platform on sustainable finance, 2022, S. 2f. und 10f.). Der Bericht stellt klar, dass es der Zielsetzung des Art. 18 der Verordnung entspricht, zu vermeiden, dass Wirtschaftsaktivitäten als nachhaltig bzw. Investitionen als "grün" klassifiziert werden, während sie negativen Einfluss auf die Menschen- oder Arbeitnehmerrechte haben, mit korrupten Unternehmenspraktiken in Zusammenhang stehen und sie nicht mit dem Wortlaut oder "Geist" der Steuergesetze oder dem Wettbewerbsgebot im Einklang sind. Bereits im Erwägungsgrund 35 der Verordnung sind diese Leitgedanken sozialer Rechte verankert.

Aus diesem Bericht wird ersichtlich, dass auf Ebene der EU in Anwendung der Art. 3 und 18 der EU-Taxonomie-Verordnung auch auf andere EU-Regularien abgestellt wird, die sich teilweise noch in der Entwicklung befinden, wie zB die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CS3D). Der Bericht hat unter Zugrundelegung der drei Rahmenwerke vier Kernthemen identifiziert, für die die Einhaltung von Mindeststandards definiert werden soll:

  1. Menschenrechte, einschließlich Arbeitnehmerrechte,
  2. Bestechung und Korruption,
  3. Steuern,
  4. gerechter Wettbewerb.
 

Tz. 62

Stand: EL 50 – ET: 06/2023

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die weitere Entwicklung von Mindeststandards auf Ebene der EU beobachtet werden muss und Neuerungen in die Berichterstattung im Kontext der EU-Taxonomie einfließen werden. Insbesondere die Zusammenhänge zu anderen EU-Rechtsakten, wie der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR), der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) sowie der künftigen Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CS3D) gilt es hier zu berücksichtigen.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Baetge, Rechnungslegung nach IFRS (Schäffer-Poeschel) enthalten. Sie wollen mehr?