Prof. Dr. Hans-Jürgen Kirsch, Dr. Kathrin Köhling
Tz. 122
Stand: EL 38 – ET: 6/2019
Basierend auf der Marktwertkonzeption und des damit verbundenen Verkaufspreises stellt IFRS 13 bei der Fair-Value-Ermittlung von Schulden auf den Transaktionsansatz (transfer approach) ab. Als Anwendungsfälle sind hierbei bspw. Fair-Value-Bewertungen für finanzielle Verbindlichkeiten nach IFRS 9 und Bewertungen im Zuge eines Unternehmenszusammenschlusses gemäß IFRS 3 zu nennen (vgl. Küting/Lauer, KoR 2012, S. 276). Die Definition des beizulegenden Zeitwertes bezog sich bislang auf den Ablösebetrag einer Schuld und unterstellte damit die Auflösung des Schuldverhältnisses (settlement approach, vgl. dazu Hitz, WPg 2007, S. 365). Nunmehr ist der am Markt aufzuwendende Betrag für den (hypothetischen) Transfer einer Schuld anzusetzen (IFRS 13.34; IFRS 13.BC80). Dieser Betrag umfasst die aller Voraussicht nach zu leistenden und uU zu diskontierenden Zahlungsströme. IFRS 13.34 (a) unterstellt also einen modifizierten Fortbestand des Schuldverhältnisses, dh., dass die Schuld im Übertragungsfall weiter besteht und nur die Person des Schuldners sich ändert. Zwischen finanziellen und nichtfinanziellen Verbindlichkeiten wird dabei nicht unterschieden (IFRS 13.34).
Vor allem bei Sachleistungsverpflichtungen kann sich der anzusetzende Betrag aufgrund des Wechsels von der (fiktiven) Auflösung des Schuldverhältnisses zum (hypothetischen) Transfer ändern. Eine Sachleistungsverpflichtung wird häufig mit einem Zu- bzw. Abschlag übertragen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass beim Erwerber meist eine andere Kostenstruktur herrscht als beim bilanzierenden Unternehmen und der Erwerber zudem sowohl eine Risikoprämie als auch eine Gewinnmarge in Rechnung stellt (vgl. hierzu allgemein Löw/Antonakopoulos/Weiland, WPg 2007, S. 735; zudem vgl. Tz. 123).
Tz. 123
Stand: EL 38 – ET: 6/2019
Unternehmensspezifische Besonderheiten dürfen auch nicht in die Bewertung zum beizulegenden Zeitwert von Schulden einfließen. Damit gehen zB ggf. günstigere Kostenstrukturen wie auch vom Markt abweichende Konditionen bzgl. der Tilgungsmodalitäten und der Verzinsung (im Vergleich zum Kapitalmarktzins) nicht mehr in die Kalkulation des Wertansatzes ein. Somit ist konsequenterweise der mit einer Übertragung verbundene Wert anzusetzen, ungeachtet dessen, ob die unternehmensspezifische Begleichung der Schuld infolge eines geringeren Mittelabflusses wirtschaftlich ggf. vorteilhafter wäre (vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg (Hrsg.), Haufe IFRS-Kommentar, 16. Aufl., § 8a, Tz. 75). Im Zeitablauf wird der mit der Begleichung verbundene Vorteil im Vergleich zur Marktsicht auch bilanziell erfasst (vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg (Hrsg.), Haufe IFRS-Kommentar, 16. Aufl., § 8a, Tz. 75).
Aus Unternehmensperspektive spräche zunächst nichts gegen die Berücksichtigung von im Vergleich zu anderen Marktakteuren günstigeren Konditionen: Streng genommen muss zunächst das bilanzierende Unternehmen die Schuld begleichen und nicht ein beliebiger Marktteilnehmer. Ist das Unternehmen hingegen zu (relativ) ungünstigen Konditionen im Vergleich zur Marktsicht gezwungen, so wird argumentiert, dass die Höhe des Auszahlungspotenzials nur dann zutreffend abgebildet wird, wenn die Nachteile gegenüber dem Markt auch tatsächlich in den Wertansatz einfließen (vgl. Bieker, PiR 2007, S. 136). Lediglich im Falle einer nachzuweisenden geplanten Übertragung der Schuld auf einen Dritten verlieren die unternehmensspezifischen Vor- oder Nachteile ihre Relevanz zugunsten des im Zuge der Übertragung zu leistenden Betrages. Aber auch hier präferiert der IASB die Auffassung des amerikanischen Standardsetters, wonach die Tilgungsfiktion der Marktwertkonzeption des beizulegenden Zeitwertes entgegensteht, wenn unternehmensspezifische Faktoren in die Bewertung einfließen. Diese Neuerung in IFRS 13 kann als "[…] konzeptimmanente Abgrenzung des Fair Value vom value in use aufgefasst werden" (Hitz, WPg 2007, S. 365). Der IASB erachtet den beizulegenden Zeitwert nach der Konzeption des transfer approach als konsistent zur Marktwertkonzeption und als besten Indikator für einen objektiven Wert der zu bewertenden Schuld. Vorteilhaft aus Sicht des IASB ist hierbei der Umstand, dass die Effizienz des Unternehmens erst bei der Erfüllung der Verpflichtungen ersichtlich wird, da sich diese über die Laufzeit der Schuld in der Gewinn- und Verlustrechnung niederschlägt (IFRS 13.BC81). Ferner enthält der Transaktionspreis sämtliche Erwartungen von Marktteilnehmern hinsichtlich Liquidität, Unsicherheiten bzgl. der Höhe der Zahlungen und anderer Risikoarten, während im Rahmen des settlement approach diese Faktoren nicht berücksichtigt würden (IFRS 13.BC82).
Tz. 124
Stand: EL 38 – ET: 6/2019
IFRS 13.34 (b) gibt für unternehmenseigene Eigenkapitalinstrumente eine analoge Anwendung des transfer approach vor, wonach der (hypothetische) neue Anteilsinhaber die damit verbundenen Rechte und Pflichten künftig wahrnimmt. Der IASB sieht zB für die Ermittlung der Anschaffungskosten im Zuge eines Unternehmenszu...