Dipl.-Kfm. Christoph Piesbergen, Silvia Geberth
Tz. 3
Stand: EL 46 – ET: 03/2022
Der Abgrenzung des Anwendungsbereichs von IFRIC 12 kommt eine besondere Bedeutung zu. Wie oben (vgl. Tz. 2) dargestellt enthält die Interpretation keine Definition des Begriffs der Dienstleistungskonzessionsvereinbarung. Dafür stellt IFRIC 12 aber generelle Eigenschaften dar, die eine Dienstleistungskonzessionsvereinbarung im Anwendungsbereich der Interpretation aufweisen muss (vgl. IFRIC 12.2 und 3).
Tz. 4
Stand: EL 46 – ET: 03/2022
Allgemein findet die Interpretation Anwendung auf vertragliche Vereinbarungen, in denen ein Konzessionsgeber (grantor) einen privatwirtschaftlichen Betreiber (operator) an hoheitlichen Aufgaben beteiligt. Der Betreiber übernimmt dabei die Errichtung, die Finanzierung und/oder den Betrieb von Infrastruktureinrichtungen. Bei dem Konzessionsgeber handelt es sich entweder um ein öffentlich-rechtlich organisiertes Unternehmen, ein staatliches Organ oder ein privatrechtliches Unternehmen, dem die Verantwortung für die Erfüllung der öffentlichen Aufgaben übertragen worden ist (dh. im Regelfall um Körperschaften des öffentlichen Rechts, also Staaten, Länder, Kommunen oder öffentliche Unternehmen). In IFRIC 12.AG2 wird ausgeführt, dass der öffentliche Sektor dabei insgesamt als Konzessionsgeber iSd. Interpretation gilt. Der Betreiber ist grundsätzlich ein Unternehmen der Privatwirtschaft. Dienstleistungskonzessionsvereinbarungen zwischen zwei Unternehmen der Privatwirtschaft fallen somit nicht direkt in den Anwendungsbereich der Interpretation. Gleichwohl hat das IFRIC zu erkennen gegeben, dass seiner Auffassung nach den Regelungen des IFRIC 12 auch auf rein privatrechtlich geregelte Dienstleistungskonzessionsvereinbarungen ohne Einschaltung der öffentlichen Hand, im Wege der Hierarchie in IAS 8.7–12 Anwendung finden könnten. Dies würde voraussetzen, dass die Vereinbarung ähnlicher Art wäre und die in IFRIC 12 angeführten Kontrollkriterien (vgl. Tz. 15ff.) erfüllte (vgl. IFRIC 12.BC14). Die genaueren Voraussetzungen werden in der Interpretation jedoch nicht vertieft.
Tz. 5
Stand: EL 46 – ET: 03/2022
Eine typische Dienstleistungskonzessionsvereinbarung unterteilt sich in zwei Phasen: die Errichtungsphase und die Betriebsphase. Der Betreiber ist als Erbringer der Dienstleistung (service provider) dazu verpflichtet, die Infrastruktureinrichtung zunächst zu erstellen bzw. zu erweitern (Errichtungsphase) und anschließend über die Laufzeit der Konzession zu betreiben und Instand zu halten (Betriebsphase). Eines der wesentlichen Merkmale dieser Dienstleistungskonzessionsvereinbarungen ist der öffentliche Charakter der vom Betreiber übernommenen Verpflichtung (vgl. IFRIC 12.3), dh. dass die Einrichtung der Öffentlichkeit zur Nutzung zur Verfügung stehen muss. Dabei muss sie aber nicht der gesamten Öffentlichkeit zur Verfügung stehen (vgl. Deloitte, 2021, Volume A, Chapter A35, Section 2.2–1). Weiter zeichnen sich diese Vereinbarungen in der Regel dadurch aus, dass der Betreiber zumeist erst in der Betriebsphase Entgelte vom Konzessionsgeber oder den Benutzern der öffentlichen Dienstleistung erhält. In der Errichtungsphase entsteht beim Betreiber somit in der Regel ein Refinanzierungsbedarf (vgl. Fuhrländer, 2009, S. 673).
Tz. 6
Stand: EL 46 – ET: 03/2022
IFRIC 12 ist nur auf die Bilanzierung solcher Dienstleistungskonzessionsvereinbarungen anwendbar, bei denen der Konzessionsgeber sowohl die Kontrolle über die mit der Infrastruktur zu erbringenden Dienstleistungen (dh. Bestimmung der Art der zu erbringenden Dienstleistungen, des Empfängerkreises sowie des Preises) als auch die Kontrolle über einen nach Beendigung der Vereinbarung verbleibenden wesentlichen Restwert ("significant residual interest") behält. Dieser Ansatz wird im Folgenden auch als "Kontrollmodell" bezeichnet. (Zu den Kriterien des Kontrollmodells vgl. Tz. 15ff.) Hierbei ist nach IFRIC 12.AG5 "Kontrolle" von "Leitung" zu unterscheiden. Hat der Konzessionsgeber die Kontrolle sowie einen Anspruch auf den Restwert der Infrastruktureinrichtung, kann der Betreiber die Einrichtung lediglich für den Konzessionsgeber leiten. Im Rahmen der Leitung können ihm weitreichende Befugnisse erteilt worden sein, was jedoch nicht zu Kontrolle im Sinne von IFRIC 12 führt. Ein Abstellen auf die Chancen und Risiken, die dem Konzessionsgeber oder dem Betreiber aus der Dienstleistungskonzessionsvereinbarung zustehen, erfolgt nach IFRIC 12 nicht. Da der Betreiber bei einer in den Anwendungsbereich von IFRIC 12 fallenden Dienstleistungskonzessionsvereinbarung die Infrastruktureinrichtung nicht selber kontrolliert, kann diese nicht als Sachanlage bei ihm bilanziert werden. Er bilanziert daher "stattdessen" einen Vermögenswert, der den Anspruch auf Gegenleistung für die Erbringung der von ihm erbrachten Dienstleistungen repräsentiert (vgl. IFRIC 12.BC 25). Hierbei wird zwischen drei Modellen unterschieden, dem sog. Modell des immateriellen Vermögenswerts, dem sog. Modell des finanziellen Vermögenswerts und einem als Aufspaltung bezeic...