Dr. Klaus Kretschik, Dr. Wolfgang Sawazki
Tz. 74
Stand: EL 38 – ET: 6/2019
Der durch die IFRS vorgegebene rechtliche Konzernkreis kann vom ökonomisch relevanten Konzernkreis abweichen. Aus Sicht der Finanzanalyse sind Informationen zur Bestimmung der Bestandteile des ökonomischen Konzernkreises erforderlich, insbesondere auch hinsichtlich der Unternehmensfinanzierung sowie von Off-Balance-Transaktionen (joint-ventures, assoziierte Unternehmen oder Zweckgesellschaften).
Tz. 75
Stand: EL 38 – ET: 6/2019
Die Unternehmensfinanzierung ist seit der Finanzkrise 2008 und der jüngsten Staatsschuldenkrisen sowie aufgrund erhöhter Eigenkapitalanforderungen für den privaten Bankensektor (Basel II und Basel III) deutlich stärker in das öffentliche Interesse gerückt. Die als Reaktion auf die Finanzkrise 2008 zur Bekämpfung der europaweiten Rezession eingeleitete kontinuierliche Reduktion des Leitzinses durch die Europäische Zentralbank bestimmt nachhaltig die Situation am europäischen Kapitalmarkt. Das Zinsniveau zur Aufnahme von Verbindlichkeiten bei Banken befindet sich auf einem historisch gesehen sehr geringen Niveau. Unternehmen können sich günstig mit Fremdkapital ausstatten. Strikt sollte jedoch bei Analysen des Finanzierungsumfeldes zwischen einer gesamtwirtschaftlichen Betrachtung, Aussagen zu Teilen des Unternehmenssektors (zB deutscher Mittelstand oder einzelne Branchen) und der Situation einzelner Unternehmen differenziert werden. Im Folgenden steht der Blick auf das einzelne Unternehmen im Vordergrund.
Den Unternehmen steht, je nach Rechtsform, ein mehr oder weniger umfangreiches Instrumentarium der Eigen- und Fremdfinanzierung zur Verfügung (vgl. Perridon et al., 2017, S. 419ff.). Je nach Lage am Kapitalmarkt schwanken die direkten und indirekten Kosten der Kapitalbeschaffung, und bei rationaler Vorgehensweise wird ein Unternehmen stets die kostengünstigsten Alternativen auswählen. Es ist aber auch richtig, dass die Kosten nicht immer das alleinige Entscheidungskriterium bei der Auswahl für eine Finanzierungsform sind. Bei der Fremdfinanzierung nutzen die Unternehmen die Möglichkeiten des Geld- und Kapitalmarktes sowie die Kreditfinanzierung bei Banken.
Tz. 76
Stand: EL 38 – ET: 6/2019
Aus externer Analysesicht wären zunächst Informationen über die grundlegende Finanzierungsstrategie eines Unternehmens für das Verständnis hilfreich. Dazu gehört insbesondere das Management von Liquidität, Kapitalstruktur, Marktpreis- und Länderrisiken, Leasing, Pensionsvermögen sowie der Ausschüttungspolitik. Dabei ist es auch hilfreich, wenn die Definitionen der in diesem Zusammenhang verwendeten Steuerungsgrößen wie zB Finanzschulden, Nettoliquidität, Free Cashflow, Leverage-Faktor publiziert werden. Gute Informationsquellen hierfür sind der Anhang der Geschäftsberichte sowie der Lagebericht (unter vielen Möglichkeiten siehe zB RWE, 2017, S. 52ff.; Deutsche Post DHL, 2017, S. 56ff.). Auf Änderungen der Strategie bzw. der verwendeten Definitionen sollte hingewiesen werden. Eine regelmäßige Bereitstellung solcher Informationen ermöglicht Trendanalysen und verbessert die Prognosemöglichkeit.
Tz. 77
Stand: EL 38 – ET: 6/2019
Bei der Fremdfinanzierung über Unternehmensanleihen kommt dem Unternehmensrating eine besondere Bedeutung zu, denn die Ratingstufe bestimmt wesentlich die Höhe der Finanzierungskosten einer Unternehmensanleihe. Außerdem schließt sich in Stressphasen an den Kapitalmärkten sogar für schlechtere Ratingklassen der Zugang zum Kapitalmarkt komplett. Hinsichtlich der Kriterien für die Vergabe eines Ratings ist aus Sicht der Aktienanalyse eine höhere Transparenz anzustreben. Der Analyst ist auf freiwillige Informationen der Gesellschaft angewiesen. Kernelemente der Ratingvergabe sollten Pflichtbestandteile der Berichterstattung werden.
Sowohl der Equity- als auch der Ratinganalyst führen eine Unternehmensanalyse durch. Die Zielsetzung der Ratinganalyse ist jedoch eine andere: Der Ratinganalyst prüft im Kern die Frage, inwieweit ein Unternehmen künftig in der Lage sein wird, seine Finanzschulden zu tilgen (vgl. umfassend Ackermann/Jäckle, BB 2006, S. 878–885). Dabei wird zwischen einem operating profile und einem financial profile unterschieden. Beim financial profile steht die Analyse der Liquidität und des Fremdkapitals im Vordergrund. Wichtige Analysefelder sind ua. die
- Cashflow-Analyse mit ua. Operating Cashflow, Free Cashflow, Cash Conversion Ratio, Cashflow-Margen;
- Liquidität (zB Kennzahlen, Einschränkungen der Verfügbarkeit) und Kapitalmarktzugang;
- Verschuldung mit Fokus auf der Struktur und der Fälligkeit der Finanzverbindlichkeiten, der Restlaufzeiten, Zinsbelastungen, Rückzahlungsmodalitäten, Covenants (Kontrollwechsel, Negativerklärung, Drittverzugsklausel, Verschuldungsgrenzen ua.), Verschuldungskennzahlen (Verschuldung oder Nettoverschuldung zu einer Ertragsgröße wie EBITDA oder EBIT; Cashflow-Größe zu Zinsaufwand);
- Eventualverbindlichkeiten und Off-Balance-Finanzierung.
Tz. 77a
Stand: EL 38 – ET: 6/2019
Am Ende werden die gewonnenen Erkenntnisse zu e...