Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Ballwieser
Tz. 16
Stand: EL 44 – ET: 06/2021
Ein Gegenstand der Sachanlagen, der als Vermögenswert ansatzpflichtig ist, muss erstmals zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten angesetzt werden (IAS 16.15).
Die Anschaffungskosten umfassen
- den Kaufpreis einschließlich Einfuhrzölle und nicht erstattungsfähiger Umsatzsteuern, aber nach Abzug von Anschaffungspreisminderungen, wie Rabatte, Boni und Skonti,
- alle direkt zurechenbaren Kosten, die anfallen, um den Vermögenswert zu dem Ort und in den Zustand zu bringen, um für die vom Management vorgesehene Verwendung betriebsbereit zu sein,
- die erstmalig geschätzten Kosten für Abbruch und Beseitigung der Sachanlagen und Wiederherstellung des Standortes zur Erfüllung der Verpflichtung, die dem Unternehmen daraus entsteht, dass es den Vermögenswert angeschafft hat oder für einen bestimmten Zeitraum für andere Zwecke als die Produktion von Vorräten genutzt hat (IAS 16.16; vgl. Tz. 17).
Voraussetzung für die Einbeziehung in die Anschaffungskosten ist eine sachlich direkte Zurechenbarkeit der Kosten zum Erwerbsvorgang bzw. zur Versetzung in den betriebsbereiten Zustand. Beispiele für solche direkt zurechenbaren Anschaffungsnebenkosten sind gem. IAS 16.17:
- Kosten für Leistungen an Arbeitnehmer (wie in IAS 19, Leistungen an Arbeitnehmer, geregelt), die direkt durch die Herstellung oder Anschaffung des Vermögenswertes verursacht wurden,
- Kosten der Standortvorbereitung,
- Kosten der erstmaligen Lieferung und Verbringung,
- Installationskosten und Kosten des Zusammenbaus,
- Kosten für Funktionstests; der bisherige Abzug der Nettoerlöse aus dem Verkauf solcher Güter, die angefallen sind, während der Vermögenswert in den betriebsbereiten Zustand versetzt wurde (zB Produkte, die bei einem Funktionstest entstanden sind), wurde in der jüngsten Änderung vom Mai 2020 gestrichen und durch einen neuen Abs. 20A ersetzt, wonach die damit verbundenen Erlöse und Kosten (gem. IAS 2) als Gewinn oder Verlust auszuweisen sind; und
- berufs- oder gewerbsmäßige Gebühren.
Die exemplarische Aufstellung zeigt, dass es für die Aktivierbarkeit der Kosten unerheblich ist, ob diese außerhalb oder innerhalb des Unternehmens entstanden sind (vgl. ADS Int 2002, Abschn. 9, Tz. 29).
Die Anschaffungskosten eines Sachanlagegegenstands entsprechen dem Barpreisäquivalent im Aktivierungszeitpunkt. Wenn die Zahlung die üblichen Zahlungsfristen überschreitet, ist die Differenz zwischen diesem Betrag und den gesamten Zahlungen als Zinsaufwand über den Kreditzeitraum zu erfassen (IAS 16.23). Handelt es sich jedoch um einen qualifizierten Vermögenswert, so ist die Differenz unter den Voraussetzungen von IAS 23.8 und IAS 23.9 im Buchwert des Vermögenswerts zu aktivieren. Qualifizierte Vermögenswerte zeichnen sich nach IAS 23.5 dadurch aus, dass sie erst nach einem längeren Zeitraum in einen betriebs- oder verkaufsbereiten Zustand versetzt werden können. Wird beispielsweise der Bau einer Lagerhalle durch einen Bankkredit finanziert und werden bis zur Fertigstellung der Halle mehrere Jahre vergehen, so sind die anfallenden Kreditzinsen in den Herstellungskosten der Halle zu aktivieren (vgl. Pellens/Fülbier/Gassen/Sellhorn, 10. Aufl., 2017, S. 427). Für weitere Ausführungen zur Behandlung von Fremdkapitalkosten kann auf IFRS-Komm., Teil B, IAS 23, Tz. 12ff. verwiesen werden.
Tz. 17
Stand: EL 44 – ET: 06/2021
Hinsichtlich der Kosten aus Verpflichtungen für den Abbruch und die Beseitigung von Sachanlagen und die Wiederherstellung des Standortes ist wie folgt zu unterscheiden:
Geschätzte Kosten für Abbruch und Beseitigung der Sachanlagen und Wiederherstellung des Standortes zur Erfüllung der Verpflichtung, die dem Unternehmen aus der Anschaffung des Vermögenswerts entsteht:
Betroffen von dieser Regelung sind Beseitigungskosten, die bereits durch die Installation bzw. Inbetriebnahme der Sachanlage verursacht sind. Bspw. entsteht die Entsorgungsverpflichtung im Zusammenhang mit Kernkraftwerken bereits in voller Höhe mit dessen Inbetriebnahme. Diese Kosten sind im Zugangszeitpunkt der Sachanlage zu aktivieren, unabhängig vom Zweck der Nutzung der Anlage (IAS 16.16 (c)); deren Ermittlung richtet sich nach der Bewertung der korrespondierenden Verpflichtung gem. IAS 37 (IAS 16.18). Diese Kosten waren bereits nach IAS 16 (revised 1998) Kostenbestandteil der Sachanlage (vgl. IAS 16.15 (e) und IAS 16.IN7).
Beispiel (in Anlehnung an Pellens/Fülbier/Gassen/Sellhorn, 10. Aufl., 2017, S. 426; Ruhnke/Simons, 4. Aufl., 2018, S. 414f.):
Ein Unternehmen erwirbt zu Beginn eines Geschäftsjahres ein Kernkraftwerk für 500 Mio. EUR und ist gesetzlich verpflichtet, das Kraftwerk am Ende der Nutzungsdauer von 50 Jahren abzureißen und den Standort wieder in seinen ursprünglichen Zustand zu versetzen. Für den Abriss und die Rekultivierungsmaßnahmen werden Kosten in Höhe von 50 Mio. EUR veranschlagt. Der anzuwendende Diskontierungssatz beträgt 5 %. Die Anschaffungskosten des Kraftwerkes betragen damit 500 Mio. EUR zuzüglich der abgezinsten Abriss- und Rekultivierungskosten (50 Mi...