Prof. Dr. Hans-Jürgen Kirsch, Dr. Kathrin Köhling
Tz. 14
Stand: EL 38 – ET: 6/2019
Der beizulegende Zeitwert ist definiert als derjenige Preis, der bei der Veräußerung eines Vermögenswertes bzw. bei der Übertragung einer Schuld im Rahmen einer gewöhnlichen Transaktion zwischen Marktteilnehmern am Bewertungsstichtag gezahlt würde (IFRS 13.9). Es wird demnach bewusst auf einen beobachtbaren Preis am Markt und nicht zwangsläufig auf den tatsächlichen Wert, zB für ein spezifisches Unternehmen, abgestellt (vgl. Haaker/Schiffer, BFuP 2014, S. 393). Preis und Wert eines Vermögenswertes bzw. einer Schuld können zudem auch aufgrund von vorhandenen Marktineffizienzen voneinander abweichen (vgl. Gutsche, IRZ 2015, S. 108f.). Die nachfolgenden Abschnitte der terminologischen Grundlagen konkretisieren diese Konzeption des beizulegenden Zeitwertes als ein marktorientiertes Maß (vgl. Tz. 15). Dabei wird im Standard stets die Perspektive eines Marktakteurs eingenommen, der sich im Besitz des jeweiligen Vermögenswertes befindet bzw. Schuldner der Verbindlichkeit ist. Dabei wird der beizulegende Zeitwert unter der Maßgabe einer Abgangsfiktion (Veräußerungspreis) bestimmt (IFRS 13.24). Demnach ist ein so verstandener veräußerungsmarktorientierter Fair Value nunmehr in gleicher Weise für die Bewertung von Vermögenswerten sowie von Schulden heranzuziehen (vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg (Hrsg.), Haufe IFRS-Kommentar, 16. Aufl., § 8a, Tz. 15).
Tz. 14a
Stand: EL 38 – ET: 6/2019
Im März 2018 veröffentlichte der IASB das überarbeitete Conceptual Framework for Financial Reporting, in dem auch – abstrahierend vom Einzelsachverhalt – die wichtigsten etablierten Bewertungsmaßstäbe im Normengefüge der IFRS definiert und kategorisiert werden. So wird zwischen den übergeordneten Kategorien historical cost (F.6.4–6.9) und current value (F.6.10–6.22) unterschieden (F.BC6.12). Der Bewertungsmaßstab Fair Value wird unter der Kategorie current value aufgeführt (F.6.11 (a)). Die Definition des Fair Value aus IFRS 13 wurde in das aktualisierte Rahmenkonzept übernommen (F.BC6.24; F.6.12; IFRS 13.9). Darüber hinaus orientieren sich die weiteren Ausführungen zum Fair Value im Rahmenkonzept eng an den verbindlichen Leitlinien des IFRS 13. Exemplarisch sind hier die im Rahmen einer barwertorientierten Bewertungsmethode zu berücksichtigenden Faktoren, wie zB der Zeitwert des Geldes, zu nennen (F.6.14; IFRS 13.B13; ausführlich vgl. Tz. 55–59a).
Tz. 15
Stand: EL 38 – ET: 6/2019
Eine Fair-Value-Bewertung zielt primär auf die Bewertungsnützlichkeit (valuation usefulness), als Konkretisierung der Entscheidungsnützlichkeit (decision usefulness), der dargelegten Informationen für die Abschlussadressaten ab. Die Abschlussadressaten sind zur Entscheidungsfindung sowohl auf relevante als auch auf glaubwürdige Informationen über die künftig zu erwartenden Zahlungsüberschüsse ihrer Investitionen angewiesen (vgl. dazu Ballwieser/Küting/Schildbach, BFuP 2004, S. 544f.; Rohleder/Schmidt/Tettenborn, KoR 2017, S. 111). Unter optimalen Bedingungen ist die Orientierung an Marktpreisen zur Fair-Value-Ermittlung die konzeptionell angemessene Vorgehensweise (vgl. dazu Debreu, 1976, S. 91f.). Aufgrund der in der Realität oft vorliegenden Unvollständigkeit und Unvollkommenheit der Märkte sowie der damit verbundenen asymmetrisch verteilten Informationen zwischen den Wirtschaftssubjekten einschließlich der Gefahr opportunistischen Verhaltens sind Marktpreise indes oftmals nicht erhältlich bzw. deren Kenntnis nicht ausreichend (vgl. Pfaff/Kukule, KoR 2006, S. 542f.; Wawrzinek/Lübbig, in: Beck’sches IFRS-Handbuch, 5. Aufl., § 2, Tz. 227). Zur Anpassung des theoretischen Ideals an die Realität werden vom IASB Second-Best-Lösungen akzeptiert, die sich in Form von – auf Basis von Marktdaten – geschätzten Werten, Barwerten bzw. Ertragswerten oder Wiederbeschaffungskosten in der Fair-Value-Hierarchie niederschlagen. Die Kritik an der Verwendung von beizulegenden Zeitwerten bezieht sich va. darauf, dass eine vermehrte Fair-Value-Bewertung zwar der Relevanz dient, jedoch zugleich bei fehlenden Marktpreisen mit einer tendenziell weniger verlässlichen iSv. einer intersubjektiv nachprüfbaren Informationsvermittlung einhergeht und somit die Gefahr einer verzerrten Abbildung in sich birgt.
Tz. 16
Stand: EL 38 – ET: 6/2019
Der IASB erachtet den Fair Value im Hinblick auf die geforderte Bewertungsnützlichkeit als grundsätzlich relevanten Wertmaßstab. Als relevant sind Informationen anzusehen, wenn diese potenziell die Entscheidung der Abschlussadressaten beeinflussen können (F.2.6). Dies ist gegeben, sofern die vermittelten Informationen einen Prognose- und/oder Bestätigungswert aufweisen (F.2.7). Dem Bewertungsmaßstab des beizulegenden Zeitwertes ist ein Prognosewert (F.2.8) zuzusprechen, da die aktuellen Erwartungen von Marktteilnehmern hinsichtlich der künftigen Zahlungsströme in der Bewertung zum Fair Value reflektiert werden (F.6.32). Im Zeitablauf können die Rechnungslegungsadressaten diese Erwartungen und die damit verbundenen Konsequenzen ...