Dr. Stefan Bischof, Dipl.-Ök. Günter Doleczik
Tz. 22
Stand: EL 47 – ET: 06/2022
IAS 10.12 verbietet den Ausweis von Dividenden für Inhaber von Eigenkapitalinstrumenten iSv. IAS 32 als Verbindlichkeit, sofern der Beschluss über die Ausschüttung nach der Berichtsperiode erfolgt. Grund dafür, dass die in Rede stehenden Dividenden zum Ende der Berichtsperiode nicht als Verbindlichkeit zu erfassen sind, ist, dass zu diesem Zeitpunkt keine Zahlungsverpflichtung besteht (IAS 10.13). Der Ansatzzeitpunkt für eine Dividendenverbindlichkeit wird seit Verabschiedung von IFRIC 17 Sachausschüttungen an Eigentümer nicht mehr in IAS 10 geregelt (siehe hierzu IFIRC 17.BC 18ff.). IFRIC 17.10 regelt für Sachausschüttungen ua. den Ansatzzeitpunkt einer Dividendenverbindlichkeit. Der IASB ging davon aus, dass durch die Anpassung von IAS 10.13 und die Aufnahme dieser Regelung in IFRIC 17 nicht das zugrunde liegende Prinzip, wann eine Dividendenverbindlichkeit zu erfassen ist, geändert wurde; für Ausschüttungen im Anwendungsbereich von IAS 32 regelt IAS 32.AG13, dass eine Dividendenverbindlichkeit dann entsteht, wenn die Gesellschaft durch den Ausschüttungsbeschluss rechtlich zur Zahlung verpflichtet ist.
Nach IFRIC 17.10 ist eine Dividendenverbindlichkeit dann anzusetzen, wenn vom zuständigen Organ ordnungsgemäß derart Beschluss gefasst wurde, dass die Zahlung der Dividenden nicht mehr länger im Ermessen des Unternehmens steht. Das ist der Fall, wenn
- die bspw. vom Management bzw. Aufsichtsorgan festgelegte Dividende vom zuständigen Organ (zB den Anteilseignern) genehmigt wird, sofern eine solche Genehmigung gesetzlich vorgeschrieben ist, oder
- die Dividende bspw. vom Management bzw. Aufsichtsorgan festgelegt wird, sofern keine weitere Genehmigung gesetzlich vorgeschrieben ist.
Somit hängt der Ansatzzeitpunkt für eine Dividendenverbindlichkeit von den jeweiligen gesellschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen ab.
Eine etablierte Praxis, Dividenden auszuschütten, ändert an diesem Befund nichts, dh. begründet nicht den Ansatz einer Dividendenverbindlichkeit zum Abschlussstichtag (IAS 10.BC4).
Tz. 23
Stand: EL 47 – ET: 06/2022
Die in IAS 10 normierte Vorgehensweise, beschlossene Dividenden nicht als Verbindlichkeit zu erfassen, entspricht auch den in § 268 Abs. 1 HGB verankerten handelsrechtlichen Grundsätzen. Nach handelsrechtlichen Vorschriften kommt ein Ausweis von Dividenden als Verbindlichkeit lediglich im Falle der vollständigen Ergebnisverwendung in Betracht. Dies ist bspw. bei einer GmbH denkbar, wenn – ggf. nach dem Bilanzstichtag – vor Aufstellung und Feststellung des Jahresabschlusses über die Gewinnverwendung endgültig, dh. nicht im Sinne einer Vorabausschüttung, Beschluss gefasst wird (vgl. Grottel/Waubke, in: Beck Bil.-Komm., 12. Aufl., § 268 HGB, Tz. 8). Hierbei ist indes im Schrifttum umstritten, ob in Höhe der beschlossenen Ausschüttung eine entsprechende Verbindlichkeit zu passivieren ist, da der schuldrechtliche Auszahlungsanspruch erst mit der Feststellung des Jahresabschlusses entsteht (vgl. ADS, 6. Aufl., § 268 HGB, Tz. 31). Ein Ansatz einer Verbindlichkeit ist nach IAS 10 in diesen Fällen nicht möglich, soweit die Beschlussfassung über die Gewinnverwendung nach der Berichtsperiode erfolgt ist; insoweit kann im Einzelfall eine Inkompatibilität zwischen einem IFRS- und HGB-Abschluss bestehen.
Die Beurteilung der Frage, ob ein Ansatz einer Verbindlichkeit geboten ist, soweit die Beschlussfassung über die Gewinnverwendung vor dem Ende der Berichtsperiode erfolgt ist, hat demgegenüber nicht nach IAS 10.12, sondern danach, ob die Zahlung nicht mehr länger im Ermessen des Unternehmens steht, zu erfolgen. Entsprechendes gilt auch in Bezug auf vor dem Ende der Berichtsperiode beschlossene, aber zum Ende der Berichtsperiode noch nicht abgeflossene Vorabausschüttungen. Das Vorliegen lediglich eines Gewinnverwendungsvorschlags vor dem Ende der Berichtsperiode begründet noch keine Verbindlichkeit (so auch PwC, Manual of Accounting 2021, FAQ 9.16.2).
Tz. 24
Stand: EL 47 – ET: 06/2022
Die hier diskutierte Problematik ist nur bei Ausschüttungen auf Eigenkapitalinstrumente, nicht dagegen für Zahlungen auf nach IAS 32 – aus Emittentensicht – als Fremdkapital klassifizierte Finanzinstrumente einschlägig, wobei je nach Ausgestaltung des Finanzinstruments eine Trennung in einen Eigen- und Fremdkapitalanteil vorzunehmen ist (zB bei Genussrechten, bei denen die Vergütung im Ermessen der Organe liegt; siehe IDW RS HFA 45, Tz. 28–39). Mithin ist IAS 10.12 nur anwendbar, wenn die Ausschüttungen im Ermessen der Organe des Emittenten liegen und somit die Übertragung von flüssigen Mitteln oder anderen finanziellen Vermögenswerten an den Inhaber nicht vorgeschrieben werden kann (IAS 32.17) und auch aus anderen Gründen hinsichtlich dieser Beträge kein Fremdkapital vorliegt (sofern bspw. der Gesellschaftsvertrag bei einer deutschen Personengesellschaft für die Gewinnverwendung einen Gesellschafterbeschluss vorsieht, wären die Gewinnanteile, über die noch nicht beschlossen wurde, isoliert betrachtet ...