Dipl.-Ök. Ulf Blaum, Prof. Dr. Meike Utzerath
Tz. 44
Stand: EL 39 – ET: 11/2019
Anders als die Vorgängerrichtlinie IAS 12 (reformatted 1994) und die früheren handelsrechtlichen Regelungen (§§ 274, 306 HGB (aF)) bezieht sich IAS 12 auf das bilanzorientierte Abgrenzungskonzept latenter Steuern. Damit kommt nach der gültigen Fassung von IAS 12 auch grundsätzlich nur die (bilanzorientierte) liability-Methode zur Anwendung. Entsprechend wird danach auch nicht mehr das timing-Konzept verfolgt; vielmehr erfolgt die Abgrenzung latenter Steuern ausschließlich nach dem (umfassenderen) temporary-Konzept (vgl. Tz. 26).
Tz. 45
Stand: EL 39 – ET: 11/2019
Temporary differences resultieren aus unterschiedlichen Wertansätzen eines Vermögenswertes bzw. einer Verbindlichkeit in IFRS- und Steuerbilanz, wenn sich dieser Unterschied im Zeitablauf (zB durch Umsetzung des Vermögenswertes durch Nutzung oder Verkauf oder durch Bezahlung der Verbindlichkeit) auflöst und dies Auswirkungen auf die ertragsteuerliche Bemessungsgrundlage hat (zB durch Abschreibungen, durch realisierte Buchgewinne/-verluste oder durch erfolgswirksame Verbuchung von Einnahmen/Ausgaben, für die bisher keine Forderungen/Verbindlichkeiten bilanziert waren). Auf die Frage, ob bei Entstehen der unterschiedlichen Wertansätze bereits Ergebnisunterschiede zwischen IFRS- und Steuerbilanz verursacht waren und diese sich später "umkehren", kommt es dabei grundsätzlich nicht an. Insofern sollte auch nicht von einer "Umkehrung” unterschiedlicher Wertansätze bzw. von Ergebnisdifferenzen gesprochen werden. Vielmehr ist die spätere erfolgswirksame "Auflösung” bestehender unterschiedlicher Wertansätze Gegenstand der Verrechnung latenter Steuern nach dem temporary-Konzept.
Tz. 46
Stand: EL 39 – ET: 11/2019
Nach dem temporary-Konzept wird unmittelbar jedem Vermögenswert und jeder Verbindlichkeit grundsätzlich ein "Steuerwert" (tax base) insofern zugerechnet, als die Realisierung des Vermögenswertes bzw. die Begleichung der Verbindlichkeit in Abhängigkeit von der steuerlichen Absetzbarkeit Auswirkungen auf die Höhe der Steuerbemessungsgrundlage hat. Ist der Buchwert eines Vermögenswertes in der Bilanz nach IFRS größer als in der Steuerbilanz, so führt dessen Realisierung handelsrechtlich zu geringeren Gewinnen als steuerrechtlich. Dies hat zur Folge, dass die im Vergleich zum IFRS-Bilanzergebnis höhere steuerliche Bemessungsgrundlage zu entsprechend höheren Steuerbelastungen führt. Hierfür ist aus handelsrechtlicher Sicht eine latente Steuerverbindlichkeit zu passivieren, welche den Steuereffekt aus der unterschiedlichen Bewertung des Vermögenswertes in IFRS- und Steuerbilanz bei deren Auflösung berücksichtigt. Entsprechendes gilt, wenn eine betriebliche Schuld in der Steuerbilanz durch eine höhere Verbindlichkeit berücksichtigt ist als in der IFRS-Bilanz.
Tz. 47
Stand: EL 39 – ET: 11/2019
Umgekehrt führt die niedrigere Bewertung eines Vermögenswertes in der IFRS-Bilanz im Vergleich zur Steuerbilanz bei dessen Realisierung zu einem höheren Bilanzgewinn nach IFRS im Vergleich zum steuerlichen Gewinn. Zur Berücksichtigung dieses dem Vermögenswert zugerechneten Steuereffekts ist deshalb entsprechend dem IAS 12 zugrunde liegenden temporary-Konzept grundsätzlich ein Aktivposten für latente Steuern zu bilden. Durch dessen Auflösung wird bei späterer Realisierung des Vermögenswertes der aus handelsrechtlicher Sicht dann zu niedrige Steueraufwand an das IFRS-Bilanzergebnis angepasst. Entsprechendes gilt wiederum, wenn in der IFRS-Bilanz Schulden des Unternehmens durch höhere Verbindlichkeiten berücksichtigt sind als in der Steuerbilanz.
Tz. 48
Stand: EL 39 – ET: 11/2019
Der Steuerwert (tax base) eines Vermögenswertes ist damit definiert als der Betrag, der bei Realisierung des Vermögenswertes durch Veräußerung oder bei Wertverzehr durch Verbrauch für steuerliche Zwecke von den entsprechenden Erlösen aus dem Verkauf des Vermögenswertes selbst bzw. von den Erlösen aus den damit produzierten Gütern oder Dienstleistungen abgesetzt werden kann (IAS 12.7).
Tz. 49
Stand: EL 39 – ET: 11/2019
Sofern der handelsrechtliche Buchwert einerseits und der so definierte Steuerwert eines Vermögenswertes andererseits einen Unterschied aufweisen, markiert dieser insoweit die zu einer latenten Steuerabgrenzung führende temporary difference.
Tz. 50
Stand: EL 39 – ET: 11/2019
IAS 12.7 nennt folgende Beispiele zur Bestimmung des Steuerwerts eines Vermögenswertes:
1) |
Betragen die steuerlichen Anschaffungskosten einer Maschine 100 GE und belaufen sich die bisher vorgenommenen Abschreibungen auf 30 GE, so beträgt der steuerliche Buchwert und das noch verbliebene steuerliche Abschreibungspotenzial 70 GE. Damit wird der Steuerwert dieser Maschine mit 70 GE bestimmt. |
2) |
Sofern Zinsforderungen in Höhe von 100 GE mit steuerlicher Wirkung erst bei ihrem Zufluss zu erfassen sind, ist ihnen insoweit ein Steuerwert von 0 GE beizumessen. Dies bedeutet, dass bei Realisierung der Zinsforderung steuerlich keine erfolgswirksame Gegenbuchung möglich ist und somit der Geldzufluss in vol... |