Dipl.-Ök. Ulf Blaum, Prof. Dr. Meike Utzerath
Tz. 38
Stand: EL 39 – ET: 11/2019
Die Frage, ob aktuelle oder zukünftige Steuersätze für die Ermittlung latenter Steuern herangezogen werden sollen, wird konzeptionell durch die Wahl der Methode entschieden (vgl. Wollmert, 1995, S. 92; Wagenhofer, 2001, S. 41): Die liability-Methode erfordert prinzipiell zukünftige, die deferred-Methode aktuelle Steuersätze.
Tz. 39
Stand: EL 39 – ET: 11/2019
Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie bei mehreren in einer Periode gültigen unterschiedlichen Steuersätzen verfahren werden soll. Für deutsche Kapitalgesellschaften sind in die Ertragsteuerabgrenzung die Gewerbesteuer und die Körperschaftsteuer (ggf. einschließlich von Zuschlägen wie etwa Solidaritätszuschlag) einzubeziehen. Mit der Unternehmenssteuerreform 2008 wurde in Deutschland die Körperschaftsteuer von 25 % auf 15 % gesenkt. Für Einzelunternehmen und Personenhandelsgesellschaften kommt iA nur die Gewerbesteuer in Betracht, da die Einkommensteuer den Privatbereich des Eigners oder der Gesellschafter betrifft und deshalb ihre Berücksichtigung in der Handelsbilanz üblicherweise nicht erfolgt (vgl. Eberhartinger, in: Baetge/Kirsch/Thiele, 2002, § 274 HGB, Tz. 4). Unterschiedliche Steuersätze ergeben sich für die Gewerbesteuer aufgrund der zwischen den Gemeinden variierenden Hebesätze. Entsprechend dem für das Unternehmen gültigen Zerlegungsmaßstab ist ggf. von einem durchschnittlichen Gewerbesteuerbelastungssatz auszugehen (vgl. auch Kirsch, DStR 2002, S. 1875f.).
Beispiel: (vgl. Coenenberg/Haller/Schultze, 2018, S. 505)
Bleiben gewerbesteuerliche Hinzurechnungen und Kürzungen unberücksichtigt und geht man von einem durchschnittlichen Hebesatz von 400 %, einem Solidaritätszuschlag von 5,5 % sowie einer Steuermesszahl von 3,5 % aus, so errechnet sich der für deutsche Kapitalgesellschaften bewertungsrelevante Gesamtsteuersatz wie folgt:
s = 400 %*3,5 %+15 %+15 %*5,5 %
s = 29,83 %
Eine Berücksichtigung gewerbesteuerlicher Hinzurechnungen und Kürzungen im Steuersatz kommt lediglich in wenigen Fällen in Betracht (vgl. Tz. 87a). Insbesondere ist die Berücksichtigung der Regelungen des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG bei der Bewertung der latenten Steuern nicht zulässig, da erst nach Ablauf des Veranlagungszeitraums feststeht, ob die Voraussetzungen für eine erweiterte Kürzung erfüllt sind.
Tz. 40
Stand: EL 39 – ET: 11/2019
Existieren unterschiedliche Steuersätze für die Thesaurierung und Ausschüttung von Gewinnen (so bspw. in Deutschland für das bis zum Jahre 2000 gültige Anrechnungsverfahren) so stellt sich die Frage, welcher der beiden Steuersätze für die Bewertung der latenten Steuern heranzuziehen ist. Das IASB klärte diese Fragestellung im Zuge der Überarbeitung von IAS 12 im Jahre 2000 und schrieb für diesen Fall die grundsätzliche Anwendung des Thesaurierungssteuersatzes fest. (IAS 12.52A). Die ertragsteuerlichen Konsequenzen von Dividendenzahlungen sind erst dann zu erfassen, wenn die Verpflichtung zur Dividendenausschüttung erfasst wird (IAS 12.52B). Dies ist in der Regel mit dem Zeitpunkt der Einbuchung der Verbindlichkeit auf Basis des Ausschüttungsbeschlusses der Fall.
Tz. 41
Stand: EL 39 – ET: 11/2019
Bei der Bemessung des Steuersatzes für latente Steuern im Konzernabschluss muss darüber hinaus entschieden werden, ob der Steuersatz des bilanzierenden Mutterunternehmens, eines betroffenen Tochterunternehmens oder aber ein durchschnittlicher Konzernsteuersatz angewendet werden soll. Grundsätzlich ist der Steuersatz des Unternehmens maßgeblich, dem die Differenz im Rahmen des Konzernabschlusses zuzurechnen ist und bei dem folglich die Steuerbe- oder -entlastung aus der latenten Steuerabgrenzung auch anfällt.