Prof. Dr. Isabel von Keitz, Prof. Dr. Peter Wollmert
Tz. 62
Stand: EL 44 – ET: 06/2021
Gemäß IAS 37.27 besteht für sog. Eventualverbindlichkeiten grundsätzlich ein Passivierungsverbot. Das Ansatzverbot für Eventualverbindlichkeiten ist konsequent, da die Ansatzvorschriften für Schulden respektive Rückstellungen gem. IAS 37 sowie dem framework 2010 nicht erfüllt sind, da entweder keine gegenwärtige Verpflichtung vorliegt oder zwar eine gegenwärtige Verpflichtung vorliegt, der Nutzenabfluss aber unwahrscheinlich oder eine zuverlässige Bewertung nicht möglich ist. Dagegen sind gem. IFRS 3.23 im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses übernommene Eventualverpflichtungen zT – nämlich gegenwärtige Verpflichtungen, deren Nutzenabschluss unwahrscheinlich ist – anzusetzen (zu den Ausnahmen für übernommene Eventualverbindlichkeiten bei Unternehmenszusammenschlüssen gemäß IFRS 3.23 vgl. ausführlich IFRS-Komm., Teil B, IFRS 3, Tz. 163 ff. sowie Wünsche, 2009, S. 111f.). Über die nicht passivierten Eventualverbindlichkeiten sind hingegen verschiedene Angaben im Anhang zu machen (zu den Angabepflichten vgl. Tz. 140 ff.), es sei denn, die Wahrscheinlichkeit des Nutzenabflusses zur Begleichung der Eventualverbindlichkeit ist gering (remote). Mit diesen Angaben sollen die Adressaten über weitere nicht bilanzielle Risiken informiert werden (vgl. Hachmeister/Zeyer, in: Thiele/von Keitz/Brücks (Hrsg.), IAS 37, Tz. 224).
Tz. 63
Stand: EL 44 – ET: 06/2021
Über die Definition von Eventualverbindlichkeiten in IAS 37.10 sowie die Ansatzvorschriften für Rückstellungen respektive die Passivierungsverbote ergibt sich indirekt, wann über Eventualverbindlichkeiten im Anhang zu berichten ist. Demnach ist über folgende Schulden als Eventualverbindlichkeiten zu berichten (vgl. auch Tz. 21 ff.):
- eine mögliche Verpflichtung, die durch vergangene Ereignisse entstanden ist, die allerdings nicht verpflichtend iSd. IAS 37 ist, da deren Existenz erst durch den Eintritt oder Nichteintritt von mindestens einem unsicheren künftigen Ereignis bestätigt werden muss, welches vom Unternehmen nicht selbst kontrolliert werden kann. Hierbei handelt es sich um eine Verpflichtung, die das erste Ansatzkriterium (gegenwärtige Verpflichtung) nicht erfüllt. Zwar ist aufgrund eines vergangenen Ereignisses eine mögliche Verpflichtung entstanden, es ist aber nicht eindeutig, ob am Bilanzstichtag tatsächlich eine rechtliche oder faktische Verpflichtung vorliegt. Ein Beispiel hierfür sind die möglichen Verpflichtungen aufgrund eines anhängigen Prozesses. Wenn es zB aufgrund eines Sachverständigengutachtens wahrscheinlich ist, dass das Unternehmen den Prozess gewinnt, besteht keine passivierungsfähige Verpflichtung. Sofern die Wahrscheinlichkeit eines Nutzenabflusses nicht gering ist, muss über diese mögliche Verpflichtung im Anhang indes berichtet werden. Ist die Wahrscheinlichkeit des Nutzenabflusses hingegen gering, ist keine Angabe zu machen.
- eine gegenwärtige Verpflichtung, die durch vergangene, verpflichtende Ereignisse entstanden ist, die aber nicht passiviert werden darf, da es nicht hinreichend wahrscheinlich ist, dass zur Begleichung der Verpflichtung Nutzenpotenzial des Unternehmens abfließt. In diesem Fall ist das zweite Ansatzkriterium (wahrscheinlicher Nutzenabfluss) nicht erfüllt. Es liegt zwar eine gegenwärtige Verpflichtung iSd. ersten Ansatzkriteriums für passivierungspflichtige Rückstellungen vor, es ist aber nicht wahrscheinlich, dass die Verpflichtung auch tatsächlich zu einem Abfluss von Nutzenpotenzialen führt. So ist zB über übernommene Bürgschaften lediglich im Anhang zu berichten, wenn die Inanspruchnahme aufgrund vergangener Erfahrungen unwahrscheinlich ist. Sofern die Wahrscheinlichkeit des Nutzenabflusses sogar nur gering ist, ist über die Verpflichtung auch nicht im Anhang zu berichten (vgl. IAS 37, Anh. C, Bsp. 9).
- eine gegenwärtige Verpflichtung, die durch vergangene, verpflichtende Ereignisse entstanden ist, die aber nicht passiviert werden darf, da der Wert der Verpflichtung nicht hinreichend zuverlässig ermittelt werden kann. In diesem Fall ist das dritte Ansatzkriterium nicht erfüllt. In dem nach Auffassung des IASB seltenen Fall, dass der Wert einer gegenwärtigen Verpflichtung nicht hinreichend zuverlässig ermittelt werden kann und somit diese Verpflichtung nicht als Rückstellung passiviert werden kann, ist über diese im Anhang zu berichten.
Tz. 64
Stand: EL 44 – ET: 06/2021
Zu den Eventualverbindlichkeiten nach IAS 37 zählen grundsätzlich alle gemäß § 251 HGB angabepflichtigen Haftungsverhältnisse und Eventualverbindlichkeiten. Darüber hinaus können aber auch zB gegebene Kreditzusagen, Bürgschaften, finanzielle Garantien, sofern sie jeweils nicht in den Anwendungsbereich des IFRS 9 fallen und die Definitionskriterien von Eventualverbindlichkeiten erfüllen bzw. die Ansatzkriterien für Rückstellungen nicht erfüllen (vgl. Hachmeister/Zeyer, in: Thiele/von Keitz/Brücks (Hrsg.), IAS 37, Tz. 226ff.).
Tz. 65
Stand: EL 44 – ET: 06/2021
Die Angabepflichten für Eventualverbindlichkeiten bestehen ...