Dipl.-Oec. Klaus Wendlandt
Tz. 122
Stand: EL 49 – ET: 02/2023
Die Auswirkung der Änderung einer Schätzung ist prospektiv zu bilanzieren (vgl. IAS 8.38). Prospektive Bilanzierung bedeutet in Bezug auf rechnungslegungsbezogene Schätzungen, dass die Auswirkungen der Änderung einer Schätzung ab dem Zeitpunkt der Änderung der Schätzung zur Anwendung kommen. Eine Berichtigung von Vorperioden ist somit ausgeschlossen. Dies gilt, sofern nicht ausdrücklich durch einen Standard anders bestimmt, auch für die Ermittlung des aus der Schätzungsänderung resultierenden Korrekturbetrages bei Änderungen, die über die laufende Berichtsperiode hinaus Auswirkungen haben. Wird bspw. die (Rest-)Nutzungsdauer eines abnutzbaren Vermögenswertes neu eingeschätzt, so ist der Restbuchwert zum Zeitpunkt der Schätzungsänderung auf die verbleibende Restnutzungsdauer zu verteilen (vgl. IAS 8.38). Alternativ denkbar wäre, die Erkenntnisse aus der Schätzungsänderung auf den Beginn der Abschreibungsperiode zurückzubeziehen und damit den in der Berichtsperiode zu berücksichtigenden Korrekturbetrag aus der Schätzungsänderung retrospektiv zu ermitteln, dh. so, als ob die aufgrund der Schätzungsänderung nunmehr bekannte Gesamtnutzungsdauer von Beginn an angewandt worden wäre. Dies hätte zur Folge, dass bei einer Verkürzung der Gesamtnutzungsdauer eines abnutzbaren Vermögenswertes die in der Vergangenheit quasi "unterlassene" Abschreibung im Jahr der Schätzungsänderung nachgeholt wird. Eine solche Vorgehensweise, auch als cumulative catch-up method bezeichnet, ist abzulehnen (vgl. ADS Int 2002, Abschn. 3, Tz. 118), es sei denn, dass ein IFRS diese ausdrücklich vorsieht.
Beispiel:
Eine Sachanlage mit Anschaffungskosten von 100 GE wird zum 1.1.20X1 angeschafft. Bei Anschaffung wird eine Nutzungsdauer von 10 Jahren geschätzt. Es wird ein linearer Verbrauch des wirtschaftlichen Nutzens der Sachanlage unterstellt. Ein verbleibender Restwert wird gem. IAS 16.53 als unwesentlich eingeschätzt. Zum 1.1.20X6 stellt sich heraus, dass nur noch mit einer Restnutzungsdauer von drei anstatt fünf Jahren gerechnet werden kann.
Es ergibt sich zum 31.12.20X5/1.1.20X6 ein Restbuchwert der Sachanlage von 50 GE. Dieser ist über die neu geschätzte, verbleibende Restnutzungsdauer von drei Jahren linear abzuschreiben. Es ergibt sich folglich ein jährlicher Abschreibungsbetrag von 16 2/3 GE. Zu Angabepflichten vgl. Tz. 127ff. Es ist nicht zulässig, in 20X6 die quasi unterlassene Abschreibung von 50 GE – 37,5 GE = 12,5 GE (wäre von Anfang an eine Nutzungsdauer von 8 Jahren unterstellt worden, hätte sich zum 31.12.20X5/1.1.20X6 ein Restbuchwert von 37,5 GE ergeben) nachzuholen und für die verbleibende Restnutzungsdauer jährliche Abschreibungsbeträge von jeweils 12,5 GE anzusetzen (cumulative catch up).
Tz. 123
Stand: EL 49 – ET: 02/2023
Es ist zwischen Auswirkungen auf Bilanzposten und Auswirkungen auf GuV-Posten zu unterscheiden.