Prof. Dr. Jens Wüstemann, Dr. Sonja Wüstemann
Tz. 154
Stand: EL 31 - ET: 3/2017
Wird dem Kunden im Rahmen eines Kaufvertrags ein Rückgaberecht ("sale with a right to return") gewährt, ist dieser berechtigt, die erworbene Ware – meist innerhalb einer bestimmten Frist – zurückzugeben und im Gegenzug eine vollständige oder teilweise Rückerstattung des gezahlten Kaufpreises, eine verrechenbare Gutschrift, ein anderes Produkt oder eine Kombination hieraus zu erhalten (IFRS 15.B20). Ein derartiges Rückgaberecht kann dabei sowohl vertraglich explizit geregelt sein als auch implizit aufgrund der gängigen Geschäftspraxis eines Unternehmens bestehen (vgl. EY, A closer look at the new revenue recognition standard, 2015, S. 69; PwC, Revenue from Contracts with Customers, 2014, S. 8–2). Rückgaberechte können darüber hinaus auch gesetzlich vorgeschrieben sein. So steht dem Kunden nach deutschem Zivilrecht bspw. bei Fernabsatzverträgen ein 14-tägiges Widerrufsrecht zu (§§ 355f. BGB). Die Ausübung des Rückgaberechts kann auf verschiedene Weise begründet werden, zB aufgrund von Unzufriedenheit mit dem Produkt (IFRS 15.B20), oder auch ohne Angabe von Gründen erfolgen (§ 355 Abs. 1 BGB).
Tz. 155
Stand: EL 31 - ET: 3/2017
Der Umtausch einer mangelfreien Ware gegen ein gleichartiges Produkt, das dieselbe Qualität, Beschaffenheit und denselben Preis aufweist, ist nach den Regelungen des IFRS 15 nicht als Rückgabe zu bilanzieren (IFRS 15.B26 f.). Hierbei handelt es sich um ein Umtauschrecht, das keinen ertragswirksamen Geschäftsvorfall darstellt (vgl. PwC, Revenue from Contracts with Customers, 2014, S. 8-4 f.). Der Austausch einer mangelhaften Ware durch eine funktionsfähige Ware stellt ebenfalls keine Rückgabe dar und ist entsprechend der Regelungen zur Bilanzierung von Garantie- bzw. Gewährleistungsverpflichtungen (vgl. Tz. 161–168) zu erfassen (IFRS 15.B26 f.).
Tz. 156
Stand: EL 31 - ET: 3/2017
Sofern ein Vertrag ein Rückgaberecht im Sinne von IFRS 15 beinhaltet, sind neben den zu erfassenden Umsatzerlösen eine Rückerstattungsverbindlichkeit ("refund liability") und ein Vermögenswert zu bilanzieren (IFRS 15.B21). Obwohl Kaufverträge mit Rückgaberechten konzeptionell zwei Leistungsverpflichtungen umfassen – zum einen die Verpflichtung des Unternehmens, dem Kunden die Ware zu übergeben, und zum anderen die Bereithaltungsverpflichtung, die Ware während der Rückgabefrist zurückzunehmen (IFRS 15.BC363) –, ist die Rücknahmeverpflichtung – aus Praktikabilitäts- und Vereinfachungsgründen – nicht als eigenständige Leistungsverpflichtung abzubilden (IFRS 15.B22; IFRS 15.BC366).
Tz. 157
Stand: EL 31 - ET: 3/2017
Die Höhe der zu erfassenden Umsatzerlöse bemisst sich nach dem erwarteten Gegenleistungsbetrag (IFRS 15.B21(a)). Dieser ist entsprechend der Regelungen zur Ermittlung des Transaktionspreises, insbesondere anhand der Prinzipien zur Schätzung variabler Gegenleistungen, zu bestimmen und beschränkt sich auf den Betrag, den das Unternehmen höchstwahrscheinlich erhält (IFRS 15.B23; IFRS 15.BC365; vgl. Tz. 109). Die Erfassung von Umsatzerlösen wird folglich an die Rückgabewahrscheinlichkeit des jeweiligen Produkts geknüpft (IFRS 15.BC364; vgl. Schmidt et al., DB 2015, S. 138). Sofern die Rückgabequote bspw. mithilfe historischer Erfahrungswerte oder statistischer Verfahren ermittelt werden kann, erfolgt eine Umsatzerfassung in Höhe der jeweiligen Transaktionspreise abzüglich zu erwartender Rückgaben (IFRS 15.B23; vgl. beispielhaft Gruss et al., KoR 2012, S. 46). Bestehen hingegen Unsicherheiten bezüglich der erhaltenen Gegenleistung und ist eine Schätzung der Rückgabewahrscheinlichkeit nicht möglich, wie zB bei Einzeltransaktionen aufgrund fehlender Erfahrungswerte (vgl. zu IAS 18 Sessar, 2007, S. 248), ist im Zeitpunkt der Warenübergabe kein Umsatzerlös zu erfassen, sondern eine Rückerstattungsverbindlichkeit in Höhe des unsicheren Betrags zu bilanzieren (IFRS 15.B23). Die Umsatzerfassung kann in diesem Fall folglich erst mit Ablauf der Rückgabefrist erfolgen (vgl. Walter/Hold, KoR 2016, S. 205). Vom Unternehmen verlangte Rücknahmegebühren sind dabei jeweils im Rahmen der Transaktionspreisbemessung zu berücksichtigen (vgl. TRG, Agenda Paper No. 35, 2015, Tz. 11 und 17; TRG, Agenda Paper No. 44, 2015, Tz. 54). Die Wahrscheinlichkeitsbeurteilung ist an jedem Bilanzstichtag durchzuführen und der Transaktionspreis sowie die erfassten Umsatzerlöse sind entsprechend anzupassen (IFRS 15.B23).
Tz. 158
Stand: EL 31 - ET: 3/2017
Der Ansatz der Rückerstattungsverpflichtung erfolgt in Höhe der erwarteten Rückgaben, mithin als der Teilbetrag des Transaktionspreises, auf den das Unternehmen voraussichtlich keinen Anspruch hat (IFRS 15.B23). Die Differenz zwischen dem (zu) erhaltenen Entgelt und der erfassten Umsatzerlöse ist folglich in Form einer Verbindlichkeit erfolgsneutral zu passivieren (vgl. Grote et al., Die neuen Vorschriften zur Umsatz- und Gewinnrealisierung (Teil 2), KoR 2014, S. 476). Etwaige Änderungen hinsichtlich der erwarteten Rückgaben sind an jedem Bilanzstichtag im Rahmen der Verbin...