Clemens Jungsthöfel, Katharina Rohde
Tz. 85
Stand: EL 54– ET: 10/2024
In Anlehnung an die Erlöserfassung in IFRS 15 (IFRS 17.BC289), erlaubt auch IFRS 17 für bestimmte einfache Gruppen von Versicherungsverträgen, Prämienüberträge zur Bestimmung der Deckungsrückstellung zu ermitteln, anstelle eines Erfüllungswertes und einer CSM wie im GMM. Hierbei handelt es sich ausdrücklich nicht um ein eigenständiges Bewertungsmodell, sondern lediglich um eine Vereinfachung (IFRS 17.53) des in der Praxis durchaus komplexen GMM (ausführlich vgl. Tz. 154, 155).
Die Deckungsrückstellung für künftige noch nicht eingetretene Ereignisse wird ähnlich dem aus IFRS 4 (US-GAAP, HGB) bekannten Prämienübertrags-Verfahren vereinfacht berechnet, in dem die Deckungsrückstellung beim erstmaligen Ansatz den erhaltenen Beiträgen abzüglich anfänglicher Zahlungen für Abschlusskosten entspricht. Eine Unterscheidung zwischen Erfüllungswert und vertraglicher Servicemarge erfolgt somit nicht.
Tz. 86
Stand: EL 54– ET: 10/2024
Dieser sog. Prämienallokationsansatz (Premium Allocation Approach, PAA) darf angewendet werden,
- wenn die Laufzeit aller Verträge, die einer Gruppe angehören, 12 Monate nicht überschreitet oder
- wenn eine Bewertung mit diesem Ansatz keine wesentliche Abweichung von einer Bewertung nach dem GMM darstellt (IFRS 17.53).
Tz. 87
Stand: EL 54– ET: 10/2024
Haben Versicherungsverträge einer GIC eine signifikante Finanzierungskomponente, ist der Buchwert der Deckungsrückstellung zu diskontieren, um den Zeitwert des Geldes und den Effekt der finanziellen Risiken unter Verwendung der Abzinsungssätze gemäß IFRS 17.36 widerzuspiegeln. Um den PAA möglichst einfach zu halten, erlaubt der IASB den Unternehmen auf eine Diskontierung zu verzichten, wenn beim erstmaligen Ansatz erwartet wird, dass zwischen der Erbringung der Versicherungsleistung und der Prämien-Fälligkeitszeitpunkte nicht mehr als ein Jahr liegt (IFRS 17.56, BC292–293). Als weitere Erleichterung ist eine Diskontierung/Aufzinsung der zugehörigen Schadenrückstellung nicht erforderlich, wenn eine Zahlung innerhalb eines Jahres nach Eintritt des Schadens erwartet wird (IFRS 17.59 (b)). Im Falle einer Diskontierung erlaubt der Standard eine Verwendung der Diskontzinssätze zum Zeitpunkt der Bildung der Schadenrückstellung, abweichend vom Zeitpunkt der Bildung der GIC (IFRS 17.BC295).
Wendet ein Unternehmen den Prämienallokationsansatz an, hat es die Deckungsrückstellung (LRC) wie folgt zu ermitteln (IFRS 17.55):
1) |
Bei der Erstbewertung entspricht der Buchwert der LRC den erhaltenen Beiträgen abzüglich der Abschlusskosten, es sei denn, das Unternehmen übt das Wahlrecht aus, diese als Aufwand zu erfassen (IFRS 17.59; vgl. Tz. 88). Bereits vorher aktivierte Abschlusskosten oder andere vorher angesetzte Vermögenswerte oder Verbindlichkeiten sind zu berücksichtigen. |
2) |
Im Rahmen der Folgebewertung ist die LRC fortzuschreiben um
- erhaltene Beiträge,
- Abschlusskosten (wenn nicht als Aufwand erfasst) und Amortisationen von Abschlusskosten sowie
- eine Finanzierungskomponente, dh. Aufzinsung mit historischen Zinsen, sofern signifikant.
|
Tz. 88
Stand: EL 54– ET: 10/2024
Gemäß IFRS 17.59 hat das Unternehmen bei Anwendung des PAA das Wahlrecht, jegliche Abschlusskosten als Aufwand zu erfassen, wenn diese Kosten entstehen, vorausgesetzt der Deckungszeitraum eines jeden Vertrags in der Gruppe beim erstmaligen Ansatz beträgt höchstens ein Jahr.
Insgesamt hängen die Wahl des PAA und die möglichen Abweichungen vom GMM von der Variabilität der Deckungsrückstellung als Ganzes ab (IFRS 17.54), dh. von der Frage, ob während der Vertragslaufzeit mit signifikanter Volatilität der fulfillment cash flows zu rechnen ist. Zu den wesentlichen Unterschieden zwischen dem PAA und dem GMM tragen daher vor allem Effekte von Zinsänderungen und anderen Änderungen aufgrund von finanziellen Risiken bei, da diese eine Änderung der Deckungsrückstellung nach dem GMM, nicht aber simultan eine Änderung der Prämienüberträge bewirken. Dies kann bei längeren Laufzeiten wesentlich sein sowie bei Verträgen mit materiellen eingebetteten Derivaten (vgl. Ellenbürger et al., 2018, Tz. 99).
Die Auflösung der Prämienüberträge über die Laufzeit entspricht konzeptionell dem Auflösungsmuster der CSM (IFRS 17.B16 und B119). Analog zu den Regelungen im HGB und den US-GAAP (§ 24 S. 2 RechVersV und FASB ASC 944–605–25–1) wird die Auflösung entsprechend der für die Folgeperioden erwarteten Versicherungsserviceaufwendungen vorgenommen, falls die Risikoexponierung über die Laufzeit des Vertrags deutlich von einem linearen Verlauf abweicht. In der Praxis wird dies, wie unter HGB und US-GAAP, selten anzutreffen sein (vgl. Ellenbürger et al., 2018, Tz. 100).
Falls die Summe der Erfüllungswerte einer GIC höher als die Summe der Prämienüberträge ist, ist nach IFRS 17.57 eine Drohverlustrückstellung (LC) zu bilden, die unter der Deckungsrückstellung (Prämienüberträge) geführt wird (IFRS 17.58).