Prof. Dr. Hans-Jürgen Kirsch, Dr. Kathrin Köhling
Tz. 100
Stand: EL 38 – ET: 6/2019
Der beizulegende Zeitwert eines Vermögenswertes bzw. einer Schuld kann durch den Umstand beeinflusst werden, dass das Handelsvolumen oder die Handelsaktivität im Vergleich zum üblichen Marktgeschehen in deutlichem Umfang reduziert ist. Zur Identifikation eines reduzierten Handelsvolumens oder einer geringeren Handelsaktivität muss das bilanzierende Unternehmen Ausmaß und Relevanz von den dafür üblichen Indikatoren prüfen. Diese werden exemplarisch und damit nicht abschließend in IFRS 13.B37 aufgelistet:
- In der jüngsten Vergangenheit wurden am Markt nur wenige Transaktionen vorgenommen.
- Preisnotierungen werden nicht aus aktuellen Informationen generiert.
- Preisnotierungen variieren stark im Zeitablauf bzw. zwischen unterschiedlichen Market Makern (bspw. zwischen unterschiedlichen brokered markets, vgl. Tz. 67).
- Indizes, die vormals zu den beizulegenden Zeitwerten des Vermögenswertes bzw. der Schuld eine hohe Korrelation aufwiesen, sind nun nachweislich nicht mehr mit diesen Werten korreliert.
- Signifikante Anstiege von Liquiditätsrisikoprämien, Renditen oder Leistungsindikatoren (bspw. Ausfallquoten bei Hypotheken (sog. delinquency rates) oder Ausfallraten im Verlustfall (loss severities) werden beobachtet, obwohl die erwarteten Cashflows selbst unter Berücksichtigung des Risikos der Nicht-Erfüllung (non-performance risk) dies nicht rechtfertigen).
- Eine hohe Geld-Brief-Spanne oder ein starker Anstieg derselben ist zu beobachten.
- Nur ein stark reduzierter Primärmarkt existiert für den Vermögenswert bzw. die Schuld (bspw. wenige Anleihen werden emittiert).
- Wenige Informationen sind öffentlich zugänglich (bspw. bei Transaktionen in einem principal-to-principal market, vgl. Tz. 67).
Tz. 100a
Stand: EL 38 – ET: 6/2019
Wie diese Indikatoren einzeln und in der Gesamtschau zu würdigen sind, wird in IFRS 13 nicht weiter expliziert. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass die verwendeten Begrifflichkeiten zT nicht eindeutig und trennscharf sind, sodass diversity in practice in Bezug auf die Anwendung der Indikatoren und die damit verbundenen einzubeziehenden Inputparameter bei der Fair-Value-Bewertung besteht (vgl. ausführlich Wüstemann/Iselborn, WPg 2016, S. 509).
Tz. 100b
Stand: EL 38 – ET: 6/2019
Wenngleich jene Indikatoren auch zur Prüfung herangezogen werden können, ob es sich um einen aktiven oder inaktiven Markt handelt, soll hier lediglich beurteilt werden, ob die Aktivität im relevanten Markt (signifikant) abgenommen hat (vgl. hierzu insgesamt EY, International GAAP 2018, S. 937f.). Dies führt nicht zwangsweise dazu, dass der Markt nach der Reduktion des Transaktionsvolumens bereits als inaktiv einzustufen ist. Eine solche Einschätzung hängt vielmehr vom Ausgangsniveau der Marktaktivität sowie dem Grad der identifizierten Einschränkung ab.
Tz. 101
Stand: EL 38 – ET: 6/2019
Stellt ein Unternehmen anhand solcher quantitativer wie auch qualitativer Indikatoren fest, dass das Handelsvolumen oder die Handelsaktivität bzgl. der zu bewertenden Position (oder einer ähnlichen Position im Falle eines Level-2-Inputparameters) im Vergleich zu normalen Marktaktivitäten signifikant verringert ist, so müssen die notierten Preise und Transaktionen näher untersucht werden. Ein eingeschränktes Marktgeschehen allein bedeutet also nicht zwingend, dass ein notierter Preis oder ein Transaktionspreis den beizulegenden Zeitwert nicht angemessen widerspiegelt bzw. dass die Transaktion nicht gewöhnlich ist (IFRS 13.B38). Deshalb muss das bilanzierende Unternehmen prüfen, ob die Transaktion gewöhnlich ist (vgl. Tz. 102–105). Die Identifikation eines inaktiven Marktes ist vor diesem Hintergrund nicht hinreichend. Ein inaktiver Markt kann zwar zu einer niedrigeren Stufe in der Fair-Value-Hierarchie führen; eine Transaktion kann jedoch selbst in einem Markt mit geringem Marktgeschehen gewöhnlich sein (IFRS 13.BC181). In diesem Fall darf der Transaktionspreis nicht angepasst werden.
Tz. 101a
Stand: EL 38 – ET: 6/2019
Sollte sich indes herausstellen, dass eine Einbeziehung des unangepassten, beobachteten Marktpreises infolge einer nicht gewöhnlichen Transaktion, wie bspw. einem Notverkauf, letztlich nicht zur Identifikation des beizulegenden Zeitwertes iSd. IFRS 13führt, so ist dieser Preis zunächst an die besonderen Umstände anzupassen, bevor dieser in die Ermittlung des Fair Value einbezogen wird (IFRS 13.B38). Der IASB gibt jedoch nicht vor, wie eine derartige Anpassung vorzunehmen ist (IFRS 13.B39; zur Durchführung einer normengerechten Adjustierung vgl. Tz. 106–110). Dabei kann die geforderte Anpassung so interpretiert werden, dass zusätzlich zu dem Transaktionspreis weitere Inputparameter bei der Ermittlung des beizulegenden Zeitwertes zu berücksichtigen sind, um der Einstufung der Transaktion als nicht gewöhnlich Rechnung zu tragen. Dies entspricht im Ergebnis einer schwächeren Gewichtung des beobachteten Transaktionspreises bei der Fair-Value-Bestimmung, wie sie der IASB auch für die Einbeziehung von aus n...